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Gesellschaft & Wissen
Schnee verbindet
Aus ff 06 vom Donnerstag, den 08. Februar 2018
Olympia in Südkorea: Die Südtiroler bringen den Schnee in ein Land, das zum Wintersport eine besondere Beziehung hat.
William Monai sitzt am Tisch und hat ein rotes Gesicht. Das liegt nicht an den Minusgraden draußen vor der Tür, auf den Pisten von Phoenix Park, PyeongChang, Südkorea. Und auch nicht an der trockenen Heizungsluft, die in der Beschneierbaracke aus dem altertümlichen Ofen bläst. Es liegt an der Kimchi-Pfanne, die die Köchin Frau Lim serviert hat. Kimchi, das ist scharf eingelegter Kohl, in Südkorea wird er so ziemlich zu jeder Speise gereicht. „Ganz ehrlich, ich finde das Essen super, auch wenn es scharf ist“, sagt der Bozner William Monai. „Aber man gewöhnt sich dran. Nur mit diesen Stäbchen komm ich nicht klar.“ Und deshalb greift William, die einzige westliche „Langnase“ am Tisch, dann schließlich doch zur Gabel, die Frau Lim für den Ausländer vorsorglich schon auf den Tisch gelegt hat. William nimmt es gelassen. „Die Koreaner sind das gewöhnt. Die haben dafür Probleme, mit der Gabel zu essen.“
Für die Südtiroler Firma TechnoAlpin, die für die Beschneiung eines Großteils der olympischen Pisten den Zuschlag bekommen hat, wurde William nach PyeongChang geschickt, wo an diesem Freitag die Olympischen Winterspiele beginnen. Statt gemütlicher Holzhütten ragen 30-stöckige Hoteltürme in die Landschaft, zum Teil noch im Bau für Olympia. PyeongChang hieß bis vor Kurzem Pyeongchang. Doch dann hatte ein Besucher fälschlicherweise ein Ticket ins nordkoreanische Pjöngjang gebucht, deshalb haben die Veranstalter beschlossen, das kleine „c“ durch ein großes zu ersetzen.
Die ganze Welt wird für einige Wochen in das Niemandsland mit dem großen „C“ im Osten des Landes blicken, unweit der Küste, nur ein paar Dutzend Kilometer von der entmilitarisierten Zone zu Nordkorea entfernt. Auf der fünfstündigen Fahrt von Seoul in die Provinz passiert man jede Menge „Whang Tae“, Schellfisch, der im Winter zum Trocknen an Drähten hängt. Die Winter hier sind kalt und minus 20 Grad keine Seltenheit. Der Kameramann stöhnt, nach 20 Minuten ist der Akku der Fernsehkamera platt, und die Drohne will auch nicht mehr in der Luft bleiben. Nur Schnee gibt es eben kaum. Dafür aber viel zu tun für den 23-jährigen Beschneier aus Bozen mit dem breiten Kreuz, dem auch das Arbeiten bei minus 17 Grad und eisigem Wind nichts anhaben kann. Für seinen Job ist William Monai viel herumgekommen, er hat schon Schnee fabriziert von Argentinien bis Aserbaidschan. Und diese Saison bringt ihn eben in die südkoreanische Pampa. Sechs Pisten, unter anderem für Slope Style und Halfpipe, müssen in Phoenix Park für die Spiele präpariert werden. Meterweise Schnee mussten William und das koreanische Team, angeführt von „Mister Won“, auf die Pisten kriegen. Tag für Tag kommt „Mister Won“, sozusagen Williams südkoreanisches Pendant, deshalb frühmorgens bei seiner Unterkunft vorgefahren und bringt ihn zum Fuße der Piste. Heute dürfen mein Kamerateam und ich die beiden auf die gesperrten Pisten begleiten, hinter die Sicherheitszone, als einziges Fernsehteam.
Zuerst aber, so verlangt es die koreanische Etikette: Verbeugung, gefolgt vom Austauschen der Visitenkarten. Ohne dieses Ritual geht in Korea gar nichts.
Man sollte sich nicht täuschen lassen vom Anblick der amerikanischen Fastfoodkette neben der Piste oder von Restaurants, die den Namen „Alpenliebe“ tragen. Mit dem Westen oder gar mit den Alpen haben südkoreanische Skigebiete wenig gemein. Auf den meisten Schildern stehen Anweisungen auf Koreanisch. Im „Gelände Pub“ werden Kimchi und Reis aufgetischt; statt „Heißer Oma“ steht „Soju“ (koreanischer Reisschnaps) auf der Getränkekarte beim Après-Ski, das nur wenig an zünftige Hüttengaudi erinnert. In der Beschneier-Hütte gibt es keinen Schnaps, dafür eine Tasse Tee als Zeichen guter Gastfreundschaft.
„Mister Won“ freut sich über den Besuch aus Südtirol – er war selbst schon mal da und schwärmt von Pizza und Pasta. Er spricht gutes Englisch, das ist ungewöhnlich, macht das Arbeiten für uns aber angenehmer. Meistens sieht unsere Arbeit so aus: Ich stelle eine Frage, meine koreanische Producerin Kim übersetzt, der Interviewpartner antwortet, Kim übersetzt zurück ins Englische. Das ist ein bisschen wie Stille Post: Es dauert ewig, und am Ende bekommt man Antworten auf Fragen, die man gar nie gestellt hat.
Hinzu kommt, dass Kommunikation in vielen ostasiatischen Ländern anders funktioniert als bei uns. Manchmal verwenden Interviewpartner unglaublich viele Worte – um ziemlich wenig zu sagen. Lasse ich Kim also Skifahrer befragen, wie sie den Schnee in PyeongChang so finden, antworten die Menschen ausufernd, minutenlang, zwischendurch immer Ah- und Oh-Laute ausstoßend. Kim übersetzt mir das Ganze: „Sie finden den Schnee ganz großartig.“ Aha.
Weil „Mister Won“ und ich aber eben glücklicherweise eine gemeinsame Sprache haben, wird Kim kurzerhand von meinem Kameramann in die beheizte Beschneierhütte verbannt. Zum Pistendreh war die 22-jährige Studentin nämlich mit hipper Langjacke (der letzte Schrei in Seoul und ein Muss für alle Südkoreaner um die 20) erschienen, aber eben nur mit Turnschuhen an den Füßen. Nicht gerade das passende Outfit für einen rasanten Ritt auf dem Skido über steile Hänge Richtung Schneeerzeuger (nur Laien sagen Schneekanone). Und zwar so rasant, dass mein Kameramann samt Kamera fast vom Schneemobil katapultiert wurde und unsere knapp zweiwöchige Drehreise damit jäh geendet hätte.
Vor dem mobilen TR8 dann die nächste Herausforderung – der Motor startet, nur Schnee kommt keiner raus. Und die Maschine spricht heute nur Koreanisch. Klar, man kann die Sprache umstellen, aber dazu müsste William zuerst das koreanische Display entziffern können. Gut, dass „Mister Won“ dabei ist. Der 43-Jährige mit dem schelmischen Grinsen im Gesicht hat sich schon längst an seinen jungen Bozner Partner gewöhnt, viele Wochen gemeinsam auf der Piste verbinden. Seine Familie hat „Mister Won“ in Seoul zurückgelassen, während der Wintersaison sieht er seine zwei Söhne monatelang nicht. Die Arbeit geht über alles, auch das ist ein Symbol der koreanischen Gesellschaft. Schon während der Schule bereiten sich die Jugendlichen in sogenannten Bootcamps auf die Aufnahmeprüfungen für die Universität vor, wer nicht eine der besten Hochschulen besucht, hat verloren. Für „Mister Won“ ist es also ganz normal, dass er zurzeit allabendlich seinem jungen Südtiroler Kollegen das Kimchi-Essen beibringt, anstatt am Tisch mit seiner Frau zu sitzen.
Für die Problem-Behebung mit dem TR8-Schneeerzeuger musste Won ins Loch. Einen Stock tiefer sitzt der Wasseranschluss. Aus dem Schacht streckt der koreanische Schneeexperte den Daumen hoch, und binnen weniger Sekunden schießt feinstes Pulver aus der Düse. „Wir können ganz unterschiedlichen Schnee produzieren, je nachdem, was der Kunde möchte“, sagt William. In PyeongChang war das zuerst eine Schicht feuchter Schnee, dann wurde trockener nachgelegt. Mittlerweile sind die Pisten so gut wie bereit für die Athleten, die in den nächsten Wochen um olympisches Gold kämpfen. Auf Pisten, die niedriger gelegen sind als der Ritten.
Umweltschützer haben große Bedenken, seit der olympische Zirkus angerollt kam und mit ihm Bulldozer und Schneekanonen. Eine Stunde entfernt von Phoenix Park liegt das Gebiet Jeongseon am Heiligen Berg Mount Gariwang. Damit die Piste dort einen Höhenunterschied von mindestens 800 Metern aufweisen kann – Voraussetzung für olympische Ski-alpin-Wettbewerbe – wurden 60.000 alte Bäume abgeholzt, 35 Familien mussten ihre Häuser räumen. Was mit den Anlagen passiert, wenn der Zirkus weiterzieht, ist immer noch nicht geklärt. Wie sinnvoll ist es also, Winterspiele in einer Gegend abzuhalten, in der es kaum schneit?
Das zu beantworten, ist nicht Sache des Beschneiers, er macht nur seinen Job. Und den macht er mit riesigem Enthusiasmus und großem Stolz. Gerade bedeutet das für William und seine Kollegen: die fest installierten Schneekanonen wieder abzubauen – Sicherheitsmaßnahme.
Sicherheit wird in Korea großgeschrieben, nicht auszudenken, wenn ein Athlet gegen eine Maschine donnert. Jetzt muss nur noch der Pisten-Bully kommen und die Einzelteile abtransportieren. Doch der lässt auf sich warten. Kommunikations-Chaos oder eine unterschiedliche Interpretation von Dringlichkeit? William bleibt ruhig, grinst. Manches laufe hier eben anders als daheim. Die größte Herausforderung sei für ihn zu verstehen, wie die Koreaner ticken: „Aber im Endeffekt sind wir ja alle gleich, nur dass wir bestimmte Dinge halt anders machen. Auch bei der Arbeit. Wir machen dieselbe Arbeit, nur auf eine andere Weise.“
Wenn in den nächsten Wochen die Athleten über die Pisten brettern und Tausende Journalisten in den Stadien frieren und ihre Mägen an die scharfe koreanische Küche gewöhnen, wird William das Spektakel vom TV-Bildschirm in Bozen aus mitverfolgen. Sein Job in PyeongChang ist erledigt, fürs Nachbeschneien ist „Mister Won“ zuständig. Aber William wird wieder zurückkehren ins südkoreanische Niemandsland. Getreu dem olympischen Slogan: „Passion. Connected“ – in Leidenschaft verbunden.
von Katharina von Tschurtschenthaler/PyeongChang
Katharina von Tschurtschenthaler, Boznerin, arbeitet für den ARD als Brüssel-Korrespondentin, zurzeit ist sie für den TV-Sender in Südkorea.
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