Gesellschaft & Wissen

„Ich will nach Hause“

Aus ff 32 vom Donnerstag, den 09. August 2018

Usman Khan
© ff-Grafik
 

Der Südtiroler Usman Khan sitzt seit ­dreieinhalb Jahren in Pakistan – abgeschoben aus Italien, weil er angeblich auf Facebook Terroristen unterstützt haben soll. Doch die Vorwürfe lassen sich bis heute nicht belegen.

Das Bild zeigt einen kleinen Jungen im Schnee. Er hat schwarzes Haar, große Schneidezähne und ein spitzbübisches Grinsen im Gesicht. Der Junge trägt eine grün-weiße Schneejacke, neben ihm steht ein Schlitten. „Wenn ich mich richtig erinnere“, sagt Usman Khan, „war das beim Schlittenfahren in der Volksschule.“ Aus dem kleinen Jungen ist mittlerweile ein 27-jähriger Mann geworden. Wenn er das Bild in die Hand nimmt, verbindet er damit viele schöne Erinnerungen.
Zugleich trauert er dieser Zeit nach. Das Bild zeigt einen der schönen Plätze, wo er seine Kindheit und Jugend verbracht hat: Truden, Neumarkt, Bozen. Das sind alles Orte, die er heute nicht mehr sehen kann.
Denn: Usman Khan sitzt in Pakistan und versteht die Welt nicht mehr. Seit dreieinhalb Jahren. Nach dem Terroranschlag auf die Pariser Satirezeitschrift Charlie Hebdo, bei dem am 7. Januar 2015 zwölf Menschen getötet wurden, wollte der damalige italienische Innenminister Angelino Alfano ein Zeichen setzen. Eine Woche später ließ er neun „Extremisten“ aus Italien abschieben. Sie hatten allesamt eine Aufenthaltsgenehmigung, sagte Alfano damals bei einer Pressekonferenz, und lebten seit Jahren in Italien.
Einige hätten sich „im Internet radikalisiert“ und seien der Terrororganisation Islamischer Staat (IS) beigetreten. Andere hätten aktiv Leute für den IS angeheuert. Allesamt seien sie aber eine Gefahr für die Sicherheit in Italien gewesen. Daher habe er sie unverzüglich ausweisen lassen. Einer der neun Abgeschobenen war Usman Khan. Am Freitag, 16. Januar 2015, also nur einen Tag nachdem Alfano das Abschiebungsdekret unterzeichnet hatte, saß Usman Khan im Flugzeug unterwegs nach Pakistan. Neben ihm drei Polizisten.
Ziel: die Hauptstadt Islamabad. Die Polizisten übergaben Usman Khan dort den pakistanischen Behörden. Nach einem ersten Verhör, erzählt Usman Khan, habe man ihn festgehalten und ihm Handschellen angelegt.
Leute in Zivil, vielleicht des pakistanischen Geheimdienstes, verbanden ihm die Augen, stülpten ihm einen Sack über den Kopf. Alles wurde ihm abgenommen. Telefon, Geldtasche, Dokumente. Sodann ging es in einem schweren Wagen an einen geheimen Ort.
„Ich hatte Todesangst“, sagt Usman Khan. Mehr als eine Woche musste er zusammen mit anderen Gefangenen verbringen. In Handschellen und mit verbundenen Augen. Er wurde geschlagen und gefoltert – körperlich und seelisch. Oft hörte er die Schreie der anderen Gefangenen.
Plötzlich, von einem Tag auf den anderen, ließ man ihn, den angeblichen Terroristen, frei. Seltsam. Warum? Das weiß Usman Khan nicht genau. Er vermutet, dass seine Peiniger gemerkt haben, dass er weder etwas getan hatte noch etwas verschwieg. Sie ließen ihn laufen. Zu seinen Großeltern nach Jhelam.
Jhelam ist eine Stadt mitten in Pakistan, 190.000 Einwohner, das ist in diesem Land, in dem 200 Millionen Menschen leben, nicht viel. Eine Kleinstadt bestenfalls. Aber für Usman Khan bedeutet diese Stadt die Hölle.
Er ist zwar 1991 in Jhelam auf die Welt gekommen, aber es gibt nichts, was ihn mit dieser Stadt verbindet. Hier hat er nur seine Großeltern und ein paar Verwandte, die er bis zu seiner Abschiebung aus Italien kaum kannte. In Jhelam, erzählt er, gebe es weder Wiesen noch Bäume, weder Bars noch Eisdielen, die öffentlichen Dienste funktionieren nicht, jeden Tag sei es mit Temperaturen zwischen 40 und 50 Grad Celsius unerträglich heiß.
Die Straßen sind löchrig, überall stapeln sich Müll und Dreck, der Strom fällt dauernd stundenlang aus. In dieser Zeit stehen auch die Klimaanlagen und Ventilatoren still. Dazu kommen Gewalt und Korruption, Arbeitslosigkeit und Elend. Usman Khan: „Hier gibt es alles Schlechte, was man sich von einem unterentwickelten Land erwartet.“

Trotzdem muss er in Pakistan bleiben, darf nicht raus. Mittlerweile spricht er zwar die Landessprache Urdu einigermaßen passabel, dennoch hat er keine Arbeit und keine Perspektive. Usman Khan nimmt Antidepressiva, um sein Schicksal ertragen zu können.
Er sagt: „Ich bin kein Terrorist.“ Er habe Terror, im Gegenteil, immer verurteilt. Auch wenn er sich kritisch gegenüber den Besatzungsmächten aus dem Westen in Syrien und im Irak geäußert habe.
Auf Facebook, wo er in den Monaten vor dem Anschlag auf Charlie Hebdo ziemlich aktiv war, kritisierte er sowohl die Terroristen – sagt er – als auch die Satiriker, die den Propheten Mohammed durch den Schmutz ziehen.
Solche Karikaturen seien nichts anderes als eine Provokation, kann man einem Facebook-Eintrag von damals entnehmen. Mehr noch: Viele gläubige Muslime empfänden die Zeichnungen als Blasphemie, dennoch „machen diese Verrückten weiter und beleidigen den Propheten unter dem Vorwand der freien Meinungsäußerung“.
Freilich nahm er auch für sich das Recht auf freie Meinungsäußerung maximal wahr. So zierte sogar einige Tage lang eine IS-Flagge sein Facebook-Profil – das ist ziemlich verwegen.
Usman Khan sagt dazu, er habe damit provozieren wollen, die Flagge sei als Weckruf gedacht gewesen: „Gegen die IS-Terroristen, die in jenen Tagen die ganze Welt terrorisierten.“
Reicht das, um einen Menschen aus einem Land zu werfen? Usman Khans Anwalt Nicola Canestrini sagt, das reiche nie und nimmer aus. Ein Bild, ein Klick oder ein Like auf Facebook sei keine Straftat. Und schon gar nicht ein Grund für eine Ausweisung.
Canestrini: „Wenn jemand hingegen ein Terrorist ist, einen Anschlag plant oder mit Terroristen kooperiert, kann er von einem Gericht verurteilt und ausgewiesen werden. Aber im Fall Khan liegt nichts vor, jedenfalls ist mir nichts bekannt ...“
Seit mehr als drei Jahren bemüht sich Anwalt Canestrini darum, zumindest in die Akten Einsicht nehmen zu dürfen – um zu erfahren, was seinem Mandanten konkret vorgeworfen wird. Er weiß es bis heute nicht. Das Verwaltungsgericht Latium reagierte einfach nicht auf seine Eingaben. Diese Vorgehensweise empfindet Nicola Canestrini bedenklich für einen Rechtsstaat. „Das Grundrecht“, sagt er (siehe Interview), „kennt keine Ausnahme.“
Im Falle von Usman Khan sieht Canestrini genau dieses Grundrecht außer Kraft gesetzt. Denn eines der Grundrechte sei ein fairer Prozess. Mit Akteneinsicht. Mit Beweisen und Gegenbeweisen. Mit einer ordentlichen Gerichtsverhandlung. All das hat es für Usman Khan nicht gegeben.
Usman Khan kam im Alter von sieben Jahren mit seinen Eltern nach Südtirol. Zuerst lebte die Familie in einem kleinen Bergdorf, später zog sie nach Bozen. Der Vater arbeitete im Gastgewerbe, die Mutter kümmerte sich um den Haushalt und die Kinder. Usman ist der Älteste. Er hat einen Bruder und zwei Schwestern.
Alle Kinder gingen oder gehen noch in Südtirol zur Schule, beherrschen Deutsch und Italienisch fast perfekt, mit Altersgenossen unterhalten sie sich im Südtiroler Dialekt.

Besuch bei Familie Khan in ihrer Wohnung im Süden von Bozen. Es ist ein wechselhafter Tag Ende Mai, mal scheint die Sonne, mal regnet es wieder. Vor dem Mehrfamilienhaus liegt ein großer Innenhof, zwei Buben tollen auf einer Rutsche herum, zwei Frauen unterhalten sich auf einer Parkbank.
Der Vater von Usman Khan macht die Tür auf, er trägt ein Polohemd und eine Baseballmütze. Er ist ein zurückhaltender Mann um die 60, der vom Leben schon ein wenig gezeichnet wirkt. Er führt den Autor dieser Zeilen in die Küche, wo Usmans Mutter und seine Schwester warten.
Die beiden tragen Kopftücher, die eine mit Blümchenmuster, die andere schwarz, dazu lange Kleider. Die Küche ist hell und praktisch eingerichtet, man merkt, dass hier gekocht, gegessen und gelebt wird. Wir setzen uns an den Küchentisch, der mit einer bunten Plastikdecke geschont wird.
Usman, sagt der Vater, der gebrochen Italienisch spricht, fehle ihnen sehr. Der Bub sei immer für die Familie da gewesen, habe geholfen, wo er konnte. Das Leben in Südtirol sei ja anfangs, im Jahr 1998, nicht leicht gewesen. Die Eltern beherrschten die Sprachen nicht, schon gar nicht den seltsamen Dialekt der Einheimischen.
Doch die Familie biss sich durch. Sie war nach Südtirol gekommen auf der Suche nach einem besseren Leben. Das schien tatsächlich zu klappen. Es gab hier Arbeit, genug zu essen, eine Wohnung, eine gute Schulbildung für die Kinder.
Usman hat einen Abschluss an der Berufsschule, ging danach verschiedenen Jobs nach. „Er ist für mich der große Bruder, der uns immer zur Seite stand, der Verantwortung übernahm“, sagt die Schwester.
Als er bei der landeseigenen Südtiroler Informatik AG (Siag) eine Anstellung fand, sei er glücklich gewesen. Das bestätigt auch Kurt Pöhl, Direktor der Landesabteilung für Informations­technik, der damals auch die Siag geleitet hat: „Er war ein ruhiger, unauffälliger, nach außen freundlicher Mitarbeiter, der seinen Job immer zu unserer Zufriedenheit erledigt hat.“
Dann kam der 16. Januar 2015. Dieser Freitag „war ein Schock für uns“ – sagt die Schwester. Der jüngere Bruder von Usman Khan, der heute in Wien studiert, erinnert sich: „Es war zu Mittag. Mein Bruder ist normalerweise um diese Zeit von der Arbeit nach Hause gekommen, um zu essen. Es hat geläutet. Ich habe die Tür ein bisschen geöffnet, damit er hereinkommen kann. Und bin gleich wieder zu Tisch gegangen. Es hat dann noch einmal geläutet. Das war schon ein wenig merkwürdig. Was ist jetzt los?, dachte ich mir. Da bin ich nochmal zurück. Da standen diese vier, fünf Männer in Polizeiuniformen.“
Da fing der jüngere Bruder an zu zittern. Es muss etwas Schlimmes passiert sein – dachte er. Dann sind die Uniformierten in die Küche und haben Usmans Mutter gebeten, sich niederzusetzen. Einer der Männer zog das Dekret des damaligen Innenministers Angelino Alfano heraus und erklärte, dass Usman ausgewiesen wird. Sie könnten leider gar nichts dagegen machen.
Es folgte die Durchsuchung des Zimmers der beiden Buben, das sie miteinander teilten. Die Polizisten sahen unter dem Bett nach und in der Stereoanlage. Auf den Regalen und im Nachtkästchen. 40 Minuten lang. Auf dem Protokoll der Durchsuchung ist vermerkt, dass sie nach „Waffen, Munition und Sprengstoff“ gesucht haben. Und natürlich nach anderen Beweisen, die die Vorhaltungen gegenüber Usman Khan belegen würden.
Doch da war nichts. Keine Bombe. Keine Munition. Nicht einmal eine Anleitung dafür. Obwohl letztlich auf Wunsch der Mutter alle Zimmer durchsucht worden waren, fanden die Polizisten keinen Hinweis auf irgendein Vergehen. Die Durchsuchung endete „negativo“.
Dennoch forderten die Polizisten die Familie auf, ein paar Sachen für den Sohn zu packen. Er war zu diesem Zeitpunkt bereits im Polizeipräsidium in Bozen. Tags zuvor war er von dort aus angerufen und aufgefordert worden, sich morgen hier einzufinden. Man wolle noch ein paar Details wegen der Staatsbürgerschaft klären, um die die ganze Familie Monate vorher angesucht hatte.
Im Präsidium wartete aber nicht die Staatsbürgerschaft, sondern die Ausweisung aus Italien.

Der Vater am Küchentisch bekommt wässrige Augen, als dieser Tag von seiner Frau und seiner Tochter wieder einmal geschildert wird. Auch die Stimme der Mutter bricht. Sie sagt, nach diesem 16. Januar habe sie ein halbes Jahr lang nicht mehr schlafen können. Bekannte hätten plötzlich die Straßenseite gewechselt. Im Internet musste sich die Familie viele Beleidigungen anhören, auch einige Zeitungen hätten die abenteuerlichsten Spekulationen aufgestellt.
Zum Beispiel, dass Usman Khan bereits einmal in Pakistan war – vermutlich, um sich zum Terroristen ausbilden zu lassen. „Was für ein Blödsinn“, sagt die Mutter. Die Familie sei vor über zehn Jahren auf Besuch in der alten Heimat gewesen, damals waren die Buben noch klein. Mit Terror und Gewalt möchten die Khans nichts zu tun haben.
Seit der Ausweisung hat die Familie Usman einmal besucht, das war vor rund zwei Jahren. Dort hat die Familie gesehen, dass es dem Buben nicht gut geht. Er hat keine Arbeit, obwohl er sich darum bemüht habe. Ohne Erfolg.
Das Lohnniveau in Pakistan ist ein anderes als in Südtirol. Dort belaufe sich das durchschnittliche Einkommen auf 300 Euro, das ist weniger als ein Viertel in Südtirol. Ohne Arbeit komme Usman in Jhelam gerade so über die Runden, er könne bei den Großeltern wohnen und essen – und sonst brauche er nicht viel.
Am meisten schmerzt Usman Khan, dass er seine Frau und die gemeinsame Tochter nicht sehen kann. Die beiden leben im Trentino, er 7.000 Kilometer von ihnen entfernt. „Das bricht mir jeden Tag wieder das Herz“, sagt Usman Khan. Er telefoniere zwar täglich mit seiner Frau, dies ersetze aber nicht das Zusammensein, das In-den-Arm-Nehmen.
Die beiden hatten sich etwa zwei Jahre vor der Ausweisung Usman Khans kennengelernt. Sie ist 30 und eine waschechte Trentinerin – ohne Migrationshintergrund. Sie möchte sich und ihre Tochter aber schützen, anonym bleiben. ff konnte mit ihr immerhin über eine für sie sichere Leitung telefonieren.­
„Dass mein Mann so weit weg von mir und unserer Tochter leben muss, macht mich total traurig“, sagt sie. „Ich hätte nie gedacht, dass uns so etwas passieren könnte. Ich muss dauernd heulen, weil er nicht da ist. Ich kann gar nicht beschreiben, wie schlimm das alles für uns ist.“
Was halten Sie von den Terrorvorwürfen gegenüber Ihrem Mann?
– Das ist eine politische Intrige. Nach dem Terroranschlag auf Charlie Hebdo wollte die italienische Regierung ein Zeichen setzen und hat ein paar angeblich Verdächtige abgeschoben. Ohne Beweise. Ohne Gerichtsverfahren. –
Vielleicht hat Ihr Mann in den sozialen Medien Sachen geschrieben, von denen Sie nichts wissen?
– Usman ist unschuldig. Ich habe ihn kennengelernt als wunderbaren Menschen, er hat ein Herz aus Gold. Die Vorwürfe gegen ihn waren nur vorgeschoben, um den Anschein zu erwecken, dass die Regierung etwas tut. Dass sie durchgreift. –
Sie haben in Pakistan geheiratet?
– Ja. Seit der Ausweisung war ich zweimal für jeweils drei Monate dort. Im September 2015 haben wir geheiratet. Im Haus der Großeltern haben wir eine kleine Feier gemacht. –
Sind Sie Muslima?
– Nachdem ich Usman kennengelernt hatte, habe ich den Koran vollständig gelesen. Ich fand ihn überzeugend und bin zum Islam konvertiert. Ohne dass mich jemand dazu gedrängt hätte, aus freien Stücken. –
Zehn Monate nach der Hochzeit kam die gemeinsame Tochter zur Welt. Im Trentino. Sie sei nun zwei Jahre alt, erzählt die Mutter, und könne schon ein wenig sprechen. Sobald ein Hubschrauber oder ein Flugzeug vorüberfliegt, sage die Kleine „Papa“. Das mache sie sehr traurig.
Auch Usman Khan ist traurig. Er sitzt seit dreieinhalb Jahren in Jhelam und weiß kaum, was er mit sich anfangen soll. Die Tage verbringt er vor dem Fernseher – sofern es Strom gibt – oder mit Spielen auf dem Handy.
Er vergleicht sich selbst mit einem Süßwasserfisch, der ins salzige Meerwasser geworfen wird. Sein Leben sei ruiniert, er schaffe es nicht, sich zu integrieren oder auch nur sich zu orientieren. „Nichts verbindet mich mit diesem Land“, sagt er, „das Einzige ist, dass ich pakistanischer Staatsbürger bin.“
Eigentlich wollte er italienischer Staatsbürger werden. Er und die Familie hatten den Antrag dafür gestellt. Dann kam die Ausweisung dazwischen. Eine Staatsbürgerschaft für Usman Khan ist damit in weite Ferne gerückt. Aber auch für seine Eltern und Geschwister scheint eine solche schwierig.
Auf Nachfrage bei den Behörden erhielten die Khans die Antwort, das gehe nun nicht mehr – wegen der Verwandtschaft mit Usman. „Und ich dachte immer, die Sippenhaftung sei in Italien abgeschafft worden“, sagt Bruder Safwan Khan.
Anfang August ist er aus Wien zurückgekehrt, dort studiert er seit zwei Jahren Informatik. Safwan Khan spricht, genauso wie der Bruder, Südtiroler Dialekt. Er sagt: „Ich bin ein Südtiroler.“
Auch Usman Khan findet nur lobende Worte über das Land: „Südtirol ist für mich der schönste Ort der Welt.“ Hier habe er alles gehabt: Familie, Freunde, Arbeit, soziales Leben, intakte Natur, herrliche Landschaft. „In Südtirol habe ich meine Kindheit und Jugend verbracht. Nun bin ich hier in Pakistan und fühle mich wie im Gefängnis. Ich will endlich wieder nach ­Hause!“ 

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Von Südtirol nach Pakistan

1998
Usman Khan kommt mit seinen Eltern aus Pakistan nach Südtirol. Der Vater arbeitet im Gastgewerbe, die Mutter kümmert sich um die Kinder. Die ­Kinder (zwei Buben, zwei Mädchen) lernen alle Italienisch, Deutsch und Südtiroler Dialekt. Usman geht nach Abschluss der Berufsschule verschiedenen Jobs nach, zuletzt arbeitet er bei der Südtiroler Informatik AG.

7. Januar 2015
Bei einem Terroranschlag gegen die französische Satirezeitschrift Charlie Hebdo in Paris werden zwölf Menschen ermordet.

9. Januar 2015
Die beiden Täter, die sich zur Terrororganisation Al-Quaida bekennen, ­werden bei einem Schusswechsel mit der Polizei ­getötet.

15. Januar 2015
Der italienische Innenminister Angelino Alfano verfügt die ­Ausweisung von neun „Extremisten“ aus Italien. Unter ihnen ist auch Usman „Rayen“ Khan aus Bozen. Er war als 7-Jähriger mit seinen Eltern nach Südtirol gekommen.

16. Januar 2015
Usman Khan sitzt in Begleitung von Polizisten im Flugzeug nach Islamabad. In der pakistanischen Hauptstadt wird er den dortigen Behörden übergeben. Der Vorwurf Alfanos: Khan pflege auf Facebook Kontakte mit Terroristen und ­mache Propaganda für den ­Islamischen Staat (IS). Usman Khan bestreitet das vehement. Er sei ein kritischer Geist, das ja. Aber auf Facebook habe er Kritik ­geäußert sowohl gegenüber den Besatzungsmächten im Nahen ­Osten als auch gegenüber Gewalt und Terror.

17. Januar 2015
Nach einem ersten Verhör werden Usman Khan die Augen verbunden, in einem Geländewagen wird er zu einem Gebäude gefahren, wo er eine Woche lang oder länger geschlagen, gefoltert und mit Fragen bombardiert wird.

Ende Januar 2015
Usman Khan wird freigelassen. Er kommt zu seinen Großeltern nach Jhelam, wo er seither wohnt.

14. Februar 2015
Khans Anwalt Nicola Canestrini beantragt Akteneinsicht und ein ordentliches Gerichtsverfahren für seinen Mandanten. In den folgenden Monaten und Jahren tut er das ­immer wieder, bis heute hat er nicht einmal eine Antwort des Gerichts (Verwaltungsgericht Latium) erhalten.

September 2015
Usman Khans Freundin, eine junge Frau aus dem Trentino, reist nach Jhelam. Die beiden heiraten.

14. August 2018
Usman Khan wird heute 27 Jahre alt. Er sagt, sein Leben sei durch eine politische Intrige zerstört worden: „Mein Leben hier in Pakistan ist ein ­Albtraum.“ Er vermisst ­besonders seine Frau und ­seine mittlerweile zweijährige Tochter, die im Trentino leben. Aber er vermisst auch ­Südtirol, seine Familie, seine Freunde – seine Heimat.

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