Lieber Florian Mussner, am Ende Ihrer Amtszeit werden Sie doch noch ein erstes Mal deutlich. Und zwar in zwei handgeschriebenen ...
Gesellschaft & Wissen
Angst nein, Respekt schon
Aus ff 02 vom Donnerstag, den 10. Januar 2019
Dominik Paris über seinen Wandel vom Halodri zum Profi – und warum, wer Rennfahrer werden will, unbedingt mit dem Neuschneefahren beginnen muss. (Das Interview zur Titelgeschichte)
ff: Mit 17 machten Sie das, was die meisten Jugendlichen machen: Sie zogen es vor, mit ihren Kollegen zu feiern, anstatt hart zu trainieren. Aber dann schafften Sie den Wandel vom Halodri zum Profi. Wie ist das gelungen?
Dominik Paris: Es ist ja so: Wenn man jung ist, also 15, 16, 17 Jahre alt, dann hat man das Gefühl, es geht, wenn ich sportle und zugleich mit den Kollegen ein bisschen feiern geh. Tatsächlich kann man einige Bierchen trinken, und trotzdem gute Resultate erzielen. Das geht aber nur auf einem bestimmten Level gut. Steigt das Level und damit die Herausforderung, dann merkt man plötzlich, dass die Resultate nicht mehr passen. Mir gelang es jedenfalls nicht mehr, so Ski zu fahren, wie ich mir das vorstelle.
Die meisten reagieren auf die Situation damit, dass sie den Leistungssport abhaken. Sie hingegen?
Ich habe in dieser Phase begonnen, über einige grundsätzliche Dinge nachzudenken. Wenn du weißt, du kannst es, aber da gibt es etwas, was dich daran hindert, es so zu schaffen, wie du dir das vorstellst, dann tut das weh. Ich wollte nie den anderen hinterherfahren, nur Mittelmaß sein, das hat mich nicht interessiert. Ich wollte immer schon vorne sein. Also sagte ich mir, Domme, du musst etwas tun: entweder oder.
Sie entschieden sich für den Spitzensport.
Jedenfalls habe ich mir gesagt: Geh weg von hier und zieh dich für drei Monate auf eine Alm zurück. Dort war ich schon mal als Kind, und es hatte mir sehr gut gepasst. Ich ging also auf die Alm, um dort zu arbeiten und mich wieder richtig fit zu machen.
Ein mutiger Schritt für einen 17-Jährigen. Gab es da Menschen, die Sie auf diesem Weg unterstützt haben – die Ihnen den sprichwörtlichen Fußtritt verpassten?
Na, die Idee, auf die Alm zu gehen, kam von mir. Diese Entscheidung habe ich getroffen. Aber klar gab es Leute, die mich darin unterstützt haben. Raimund Plancker vor allem: Mein damaliger Trainer hat mir versichert, dass ich wieder in den Landeskader käme – wenn ich den Konditionstest schaffte. Und als ich dann von der Alm zurückkam, habe ich den Test geschafft. Beim Landeskader kam es dann zu einem personellen Wechsel, es gab Probleme wegen meiner Wiederaufnahme, aber schließlich klappte es. Ab jetzt ging es aufwärts.
Das heißt, Sie brauchten auch die richtigen Leute an Ihrer Seite.
Ja logisch. Als ich noch klein war, hat mein Vater mich skifahrerisch gefördert, meine Mutter hat eher dafür gesorgt, dass ich auch etwas lerne. Dann waren die Trainer, der Skiclub, das Tal, alle haben dazu beigetragen, dass ich geworden bin, was ich jetzt bin. Wenn ich heute zurückschaue und das alles zusammenlege, was ich erhalten habe, dann kommt ein schöner
Batzen Hilfe zusammen, für die ich sehr dankbar bin.
Man sagt, Sie hätten immer gewusst, das Zeug zum Skiprofi zu haben.
Mah, was heißt gewusst? Ich sah meine Chance. Raimund Plancker hat immer behauptet, dass ich besser sei als die anderen. Ich bin nicht der Typ, der so etwas von mir sagen würde. Andererseits sagte ich mir, ich will es probieren, ich will versuchen, mindestens gleich gut wie die anderen zu sein – oder vielleicht sogar besser als sie. Und so ergaben sich eben Ziele, an denen ich arbeitete und für die ich trainierte.
Spielten Vorbilder auch eine Rolle?
Ja sicher. Als ich noch klein war, schaute ich immer dem Hermann Maier zu. Wenn man dem beim Skifahren zuschaut, dann sieht man, wie er von oben bis unten volle Kanne Gas gibt und kämpft. Klar waren da auch seine vielen Siege, aber vor allem hat mir imponiert, wie er die Sache angegangen ist, sein absoluter Siegeswille. Ja, wenn ich ein Vorbild hatte, dann den Hermann Maier.
Wie nützlich für Ihre Karriere war der Besuch der Sportschule Mals?
Die Struktur ist ja top, aber im Rückblick würde ich sagen, dass es am System haperte, an der Arbeitsweise dort. Kurzum, ich könnte nicht behaupten, dass in Mals optimal und effektiv gearbeitet wurde. Das gilt wohlgemerkt für die Zeit, als ich dort die Schulbank drückte – mit nicht allzu großem Erfolg.
Liegt es an den Südtiroler Sportschulen, dass letzthin wenige Talente nachkommen?
Schwierige Frage. Zum einen wird es so sein, dass es an den Sportschulen nicht so viele Talente wie Schüler gibt. Trotzdem glaube ich, dass einzelne Talente weiter kommen könnten, als dies bisher der Fall ist. Klar ist Südtirol ein kleines Land, wir können uns nicht mit Österreich vergleichen, wo jedes Jahr viele Talente nachrücken. Aber trotzdem: Mit guter Arbeit könnten wir mehr herausholen, als dies bisher der Fall ist. Wenn wir uns andere italienische Regionen ansehen, dann müssen wir zugeben, in der Nachwuchsarbeit ins Hintertreffen geraten zu sein, ja, ich würde sagen, wir haben ziemlich abgebaut.
Wo sehen Sie Fehler in der Jugendförderung?
Ich habe festgestellt, dass bei uns vor allem und fast ausschließlich Stangen gefahren wird. Stangenfahren wird mit Skifahren gleichgesetzt. Dabei sollte es meiner Meinung nach zunächst darum gehen, das freie Skifahren zu erlernen. Skifahren ist in erster Linie Tiefschneefahren im freien Gelände.
Warum das?
Dort lernt man, mit allen Verhältnissen fertigzuwerden, allen Hindernissen und Unebenheiten auszustellen. Das ist wie bei einem Baby, dem das Gehen beigebracht wird: Zunächst fällt es über die banalsten Hindernisse, aber dann lernt es rasch, das Füßchen zu heben und nicht mehr hinzufallen. Kurzum, wenn ich das freie Skifahren beherrsche, kann ich Ski fahren. Gleichzeitig habe ich dann einen Riesenvorteil, wenn ich auf die Piste gehe und Stangen fahre.
Halten wir fest: Zuerst der Wald, dann erst die Torstangen.
Weil ich im Wald das Wichtigste lerne: Entweder es gelingt mir, die Bäume zu umfahren, oder es kracht. Dasselbe gilt bei Unebenheiten und Wellen. Wenn ich nicht bereits als Kind lerne, mich im freien Gelände zurechtzufinden, wenn ich immer präparierte, gleichförmige Pisten gewöhnt bin, dann tu ich mich schwer, wenn mir dann plötzlich ein kleiner Schneehaufen im Wege steht. Ski fahren lernen ist eben nicht so leicht wie schreiben lernen. Ski fahren ist eine ziemlich komplexe Angelegenheit.
Für Nichtexperten schwer zu verstehen: Wie kann es sein, dass ein Paris, der Kitzbühel und Bormio gewinnt, also auf den schwierigsten Strecken der Welt der Beste ist, es auf einer relativ leichten Strecke Gröden nicht unter die besten zehn schafft?
Gröden ist ganz anders als Bormio. In Bormio – und auch in Kitzbühel – ist man als Athlet volle gefordert, es braucht Überwindung, technische Voraussetzungen, aber auch das Gefühl, den Ski freizugeben. In Gröden, was soll ich sagen, braucht es weniger Überwindung, aber jeder noch so kleine Fehler rächt sich. Ich tu mich in Gröden immer schwer, vor allem, wenn es nicht eisig ist. Fahre ich dort zu aggressiv, bin ich langsam, fahre ich zu wenig aggressiv, bin ich langsam. In Gröden braucht es das goldene Mittelmaß, da muss man von oben bis unten sozusagen dahinschleichen, und das gelingt mir offenbar nicht. In Bormio hingegen geht es dermaßen zur Sache, dass man sich – vor allem wenn es knallhart und eisig ist – sogar den einen oder anderen Fehler erlauben kann. In Bormio und in Kitzbühel kann ich meine Kraft und mein Gewicht voll ausspielen.
Machen elf Weltcupsiege satt – oder noch hungriger?
Der Wille, der Beste zu sein, ist nach wie vor da. Und solange ich eine Gaudi habe ...
Dass Sie Gaudi haben, sieht man Ihnen an ...
Ja, vor allem, wenn es gut läuft wie derzeit (lacht). Skifahren macht mir Freude. Wenn ich gut drauf bin und in Form wie jetzt, dann ist es richtig bärig. Da macht es dann Spaß, da gelingt es, den Ski laufen zu lassen, das Gelände zu bespielen.
Angst haben Sie nie?
Angst nein, aber Respekt schon. Wenn man keinen Respekt hat, kann es böse enden.
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