Gesellschaft & Wissen

Genehmigte Zerstörung

Aus ff 47 vom Donnerstag, den 21. November 2019

Quellmoor in Mitterolang
Planierungsarbeiten, Sommer 2019: Ende eines gesetzlich geschützten Quellmoors in Mitterolang. Es gibt große Zweifel, ob das Projekt überhaupt hätte genehmigt werden dürfen. © Archivfoto
 

Die Auslöschung eines Moors in Olang zeigt: Bagatelleingriffe, die Natur und Landschaft ­angeblich nur ­geringfügig ­beschneiden, gehören dringend reformiert.

Es war der vergangene 26. Juni, als ein Bagger im sogenannten Seenland in Olang auffuhr. Die Gegend westlich des Weilers Mühlbach in Mitterolang ist unter dem Flurnamen Schwarzes Moos sowie Kranebitter-Moos bekannt. Der Bagger fuhr ebendort in ein Hangmoor ein, um auf den Grundparzellen Nr. 270 und Nr. 271 sogenannte Meliorierungsarbeiten durchzuführen, wie das im Landwirtschaftssprech heißt. Doch statt allfällige Verbesserungsarbeiten durchzuführen, wie es die Bezeichnung nahelegt, machte der Bagger dem Moor kurzerhand den Garaus. Der Grund: Es brachte dem Grundbesitzer – einem -Bauern – bis dato keinen Ertrag ein.

Dass es sich bei der Nass- und Feuchtfläche in leichter Hanglage um ein schützenswertes, ökologisch wertvolles Quellmoor handelte (von einer Quelle gespeist), schien dabei niemanden zu interessieren. Auch nicht, dass der Eingriff in krassem Widerspruch zum Landesnaturschutzgesetz (Nr. 6/2010) und zur EU-Flora-und-Fauna-Habitatrichtlinie (FFH) steht. Sogar die Gemeinde Olang selbst hat in ihrem Landschaftsplan festgeschrieben, dass Feuchtlebensräume nicht entwässert und trockengelegt werden sollen.

Das grüne Licht für die als Bagatell-eingriff deklarierten Baggerarbeiten gab letztlich der Bürgermeister von Olang, Georg Jakob Reden. Rein rechtlich und verwaltungstechnisch ist es sogar die Aufgabe eines Bürgermeisters, Bagatelleingriffe zu autorisieren oder abzulehnen. Grundlage ist ein Dekret des Landeshauptmannes von 1998 (Nr. 33), das bei geringfügigen Eingriffen in Landschaft und Natur ein vereinfachtes Verwaltungsverfahren vorsieht. In diesem übernimmt die Gemeindeverwaltung gewissermaßen die Rolle der zuständigen Landesstellen (zum Beispiel die der Landschaftsschutz- oder Forstbehörden).

Doch was ursprünglich als Erleichterung und Vereinfachung für Bürger gedacht war, um Kleinstprojekte aus den Klauen aufwendiger bürokratischer Genehmigungsprozeduren zu befreien, scheint sich im Lauf der Jahre verselbstständigt zu haben. So wurden während der Landeshauptmann-Ära von Luis Durnwalder immer neue Erhöhungen der Schwellenwerte zugelassen – vorwiegend im Bereich der Landwirtschaft. Viele Bagatelleingriffe sind heute jedoch de facto weit mehr als Bagatellen.

Ging früher der Bau von Forstwegen bis maximal 500 Meter Länge (Geländeneigung weniger als 60 Prozent) ohne Mauern und Kunstbauten als Bagatellgenehmigung durch, so gilt heute der Bau von Wegen bis 1.000 Meter Länge (Geländeneigung bis zu 70 Prozent) mit Stützbauwerken als Bagatelleingriff. Als Stützbauwerke gelten Zyklopenmauern oder Krainerwände bis zu zweieinhalb Metern Höhe. Auch können mittlerweile Drainageleitungen zur Entwässerung von Wiesen verlegt werden, obschon Nass- und Feuchtflächen als stark gefährdete Lebensräume unter Schutz stehen.

Oder: Mittelgroße Hügel (häufig vom Naturschutzgesetz geschützte Trockenstandorte) können eingeebnet oder Tümpel, Trockenmauern und Kleinstgewässer zugeschüttet werden, weil Flächen von 1.000 Quadratmetern um 1 Meter angehoben werden dürfen.

Kurzum: Bagatelleingriffe sorgen immer wieder auch dafür, dass artenreiche Moor-, Nass- und Feuchtwiesen von einem Moment auf den anderen zerstört oder artenreiche Bergwiesen durch Meliorierungen plattgemacht werden – zum kurzfristigen Vorteil für die Grundeigentümer, zum Nachteil der Biodiversität. Dass etliche der Projekte mit öffentlichen Geldern massiv bezuschusst werden können und dadurch überhaupt erst auf den Weg gebracht werden, sei hier nur am Rande erwähnt.

Ist es also an der Zeit, die Kriterien für Bagatelleingriffe neu zu definieren?

Geht es nach Hanspeter Staffler, unbedingt. Der Landtagsabgeordnete der Grünen hat einen Beschlussantrag zur Änderung des Verwaltungsverfahrens hinsichtlich der Genehmigung von geringfügigen Eingriffen im Sinne des Landschaftsschutzgesetzes (Bagatelleingriff) eingebracht. Auslöser war nicht zuletzt der Vorfall in Olang.

Dabei hätte das kleine Quellmoor mit ansehnlichen Wollgrasbeständen als Rest eines ehemals größeren Moors, das vor Jahren ebenso zerstört worden war, durchaus noch gerettet werden können. Denn als am 26. Juni vor Ort der Bagger auffuhr, verschickte die Grüne Fraktion im Landtag noch am selben Tag eine E-Mail an mehrere (Landes-)Ämter wie das Forstinspektorat Welsberg, das Amt für Natur, Landschaft und Raumentwicklung oder an die Gemeinde Olang. Darin forderte man, die Arbeiten unverzüglich einzustellen.

Mit dem Resultat, dass nichts passierte – obschon die Arbeiten mit dem gesetzlichen Schutzstatus des Moors nicht vereinbar waren; auch gab es berechtigte Zweifel, „ob das Projekt in der Planung mit einer derartigen Inkohärenz in der Planung überhaupt hätte genehmigt werden dürfen“ (Staffler). Zufällig wurde zwei Tage vor dem Umweltfrevel eine Fotodokumentation vor Ort gemacht, die sowohl die ökologische Bedeutung als auch den Wert des Lebensraumes belegt, wie eine Expertise des Südtiroler Naturmuseums festgestellt hat.

Dass die von den Grünen per Mail erklärte Sachlage den Ämtern scheinbar egal war, lässt sich wohl wie folgt erklären: Der Grundbesitzer hat angesucht, und das Ansuchen wurde genehmigt, weil es sich um einen Bagatelleingriff handelt. Rechtlich also alles okay?

Nun: Artikel 14 des Landesgesetzes Nr. 6/2000 sieht für den vorliegenden Fall vor, betroffene Lebensräume wiederherzustellen. Wenn die Landesregierung die eigenen Gesetze ernst nimmt und der von ihr stolz verkündete „Nachhaltigkeits-pakt für unser Land“ tatsächlich einen Wert haben soll, dann hätte sie wohl umgehend zu handeln.

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  • Hanspeter Staffler, Landtagsabgeordneter der Grünen

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