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Gesellschaft & Wissen
Covid-19 hat es geschafft
Aus ff 17 vom Donnerstag, den 23. April 2020
150.000 Tote weltweit – diese Zahl zeigt, was das kleine fiese Ding alles kann. Und jetzt macht es mich, die Freiheitsliebende, auch noch zur Denunziantin. Schluss damit!
Eines gleich vorweg. Dieser Artikel soll keine Jammerorgie sein. Meine Familie, meine Freunde und auch ich sind alle wohlauf und gesund. Und ich habe einen Job. Einen fixen noch dazu. Als ich Anfang Februar meine neue Aufgabe bei diesem Verlag angenommen habe, hatte ich natürlich keine Ahnung, dass sich die Situation so zuspitzen könnte.
Damals habe ich mich erst mal innerlich gewehrt, meine Freiheit als freie Journalistin, mein Leben im Homeoffice, aufzugeben. Nie wäre ich auf die Idee gekommen, dass ich – keine drei Wochen später – wenig oder gar keine Aufträge mehr gehabt hätte. Weder als Texterin und schon gar nicht als Moderatorin.
Das Leben hat es in diesen letzten Wochen also gut mit mir gemeint. Ich weiß es zu schätzen und denke oft: Vielleicht hatte ja meine vor Kurzem verstorbene Oma ihre Finger im Spiel. Für viele vielleicht ein abwegiger Gedanke – der mir aber gefällt.
Und doch habe ich es so langsam richtig satt. Ich bin es müde, dass sich alles nur noch um dieses kleine fiese Ding dreht.
Es ist Ostermontag. Der Geburtstag einer Freundin. Ihre Partys sind legendär. Nicht weil es die größten, sondern weil es die unbeschwertesten sind. Wenn sie einlädt, geht es nur ums Feiern. Ernstes, Schwerfälliges, Probleme haben hier nichts verloren. Und auch wenn es oberflächlich klingen mag, es fühlt sich jedes Mal herrlich leicht an. Lachen, singen, tanzen – je lauter und schräger, umso besser. Der Alltag kann uns mal. Zumindest für diesen einen Moment.
Dieser 14. April ist anders. Die Location heißt Zoom, der im Moment wohl angesagteste virtuelle Treffpunkt. Um 14 Uhr geht’s los. Zu acht sitzen wir vor unserem Rechner, jeder mit etwas Selbstgebackenem samt brennenden Kerzen in der Hand. Meine Kerzen sind aus, noch bevor das Geburtstagskind auf dem Schirm zu sehen ist. Wir beginnen zu singen, zeitversetzt und jeder mit einer anderen Happy-Birthday-Version. Egal. Hauptsache, wir sind zusammen, und Hauptsache, wir sprechen nicht über die Pandemie. Doch unser Versprechen, Covid-19 sein zu lassen, brechen wir nach genau fünf Minuten.
Dann geht es los. Das Wort Lockerung genügt, und wir sind mitten drin in der Diskussion. Die eine Freundin macht sich für eine Unterschriftenaktion zur Öffnung der Schulen stark. Die andere, eine Krankenpflegerin, zeigt sich besorgt über eine zu schnelle Öffnung. Wieder eine andere macht ihrer Verzweiflung Luft: Wie Homeoffice und Schulaufgaben unter einen Hut bringen? Dann dreht sich alles um Tests, Masken, fehlende Schutzausrüstung in den Krankenhäusern und in den Altersheimen. Studien werden genannt, das Beispiel Schweden, wo das Leben trotz Covid-19 seinen gewohnten Lauf geht, wird diskutiert.
Was hat das Virus, dieser kleine unsichtbare Feind, nur mit uns gemacht? Wo ist die Unbeschwertheit geblieben? Wo unsere munteren sorglosen Momente? Und ich frage mich, wie so oft in letzter Zeit: Was hat das Virus mit mir gemacht? Mit meiner Mutter rede am Telefon wie mit einem kleinen Kind: Pass ja auf! Trägst du immer die Schutzmaske? Wie, du bist spazieren gegangen? Wohin? Mit wem?
Ich, die Freiheitsliebende, werde zur Denunziantin. Erst am Samstag habe ich mich wie wild aufgeregt, als ich beim Joggen einer jungen Frau mit tiefem Ausschnitt und ohne jeden Schutz um Hals und Mund begegnet bin. Im Anschluss erzählte ich jedem total entrüstet: Wie können die Leute bloß nur so selbstsüchtig und verantwortungslos sein! Wie kann man all die Bemühungen der letzten vier Wochen so leichtsinnig aufs Spiel setzen? Und am Ende denke ich für mich: Wie kann ich mich nur so ärgern? Das bin nicht ich.
Ja, ich will mein altes Leben zurück. Und wenn es auch nur für wenige Stunden ist. Übrigens: Zoom wusste nach genau 30 Minuten unsere Geburtstagsparty zu beenden – und ich bin zurück in meinem Homeoffice. Denn auch das hat dieses kleine Virus geschafft: Es hat Feiertage, Wochenenden und Feierabende abgeschafft.
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