Auf der grünen Wiese dürfen keine Anlagen für erneuerbare Energie errichtet werden. Große Gewerbehallen allerdings schon. Wie nachhaltig Südtirol tatsächlich ist – aufgezeigt an einem Beispiel in Olang.
Gesellschaft & Wissen
Der große Kommunikator
Aus ff 49 vom Donnerstag, den 09. Dezember 2021
Karl „Schaly“ Pichler, Holzunternehmer aus Algund, ist das, was man gemeinhin einen bunten Hund nennt. Seit Kurzem ist der 81-Jährige Präsident der Stiftung Sparkasse. Eine große Befriedigung, sagt er.
Ist das ein Casino! Aber wir werden ihn schon überstehen.“ An und für sich müsste Karl Pichler gestresst sein: Die Zufahrt zu „seinem“ Golfplatz ist entgegen den Absprachen so gut wie abgeriegelt, sein Heimatdorf St. Martin in Passeier ist seit der Ankunft der bundesdeutschen Nationalmannschaft völlig aus dem Häuschen, und nun auch noch die Extrawurst-Wünsche von Mercedes, dem Hauptsponsor der deutschen Nationalelf. „Sie wollten, dass ich die Hälfte des Elektrowagenfuhrparks des Golfplatzes mit ihrem Firmenlogo versehe – für Werbeaufnahmen mit F1-Star Nico Rosberg“, erzählt Pichler.
Es ist Donnerstag, der 22. Mai. Am Unternehmenssitz der Karl Pichler AG in Algund bittet der Seniorchef in die Lounge
seiner modernen Firmenzentrale. Er ist soeben aus dem Passeiertal zurück, das seit dem Vortag – dem Tag der Ankunft der DFB-Mannschaft – hyperventiliert.
– Und, ist auch die eigene Lungenbelüftung über den Bedarf gesteigert? – Ach was. Natürlich habe ich den Wünschen von Mercedes entsprochen. Das alles ist ja eine Superwerbung für das Tal. Nein, nein, wir kriegen das alles hin –
Das Tal, das Passeiertal, ist das Tal des Karl Pichler. Nicht nur weil er dort, in St. Martin, vor 81 Jahren geboren wurde. Das Tal ist sein Reich und er sein ungekrönter Kaiser.
Pichler oder besser: „Schaly“ Pichler, wie er mit Übernamen genannt wird („Schaly“ steht für Charly – ja, die englische Aussprache hat in Südtirol früher seltsame Früchte getragen) ist freilich weit darüber hinaus bekannt. Der Vertreter, der in den Fünfzigerjahren Südtirols Männer mit Rasierapparaten und Südtirols Frauen mit Intimwäsche zu versorgen versuchte und es zum großen überregionalen Zampano im Holzhandel schaffte, ist das, was man gemeinhin einen bunten Hund nennt. Man kennt ihn – zumindest vom Namen her – im ganzen Land, er selbst kennt Gott und die Welt, seine politischen und wirtschaftlichen Kontakte sollen legendär sein.
Seit vergangenem April ist Pichler selbst ein VIP, da nämlich wurde er zum Präsidenten der Stiftung Südtiroler Sparkasse ernannt und ist seitdem – wenn man so will – Chef des neuen Bankpräsidenten Gerhard „Brandy“ Brandstätter. In der neuen Rolle kann Pichler noch mehr der sein, als der er sich seit seinen ersten wirtschaftlichen Erfolgen versteht – ein Mäzen und Kommunikator.
In der Lounge mit dem schönen Ausblick lässt Pichler seinen Gästen und sich Kaffee kredenzen. Die mitservierte Schokolade schubst er seinen Gästen zu. „Ich versuche, etwas in Schuss zu bleiben“, sagt er.
– Sie machen das gute und schlechte Wetter im Passeiertal? – Nein, nein, so ist es auch wieder nicht. Ich bin zwar Ehrenbürger von St. Martin und von St. Leonhard, aber entscheiden tun schon andere. Man honoriert eben, dass ich etwas für das Tal getan habe.
Getan hat Pichler in der Tat einiges für sein Heimattal. So hat der passionierte Sportler im St. Martin des Jahres 1968 das erste beheizte öffentliche Schwimmbad des Tales gebaut. Damals galt der Schwimmsport im Tal noch als obszön, sodass der Dorfpfarrer in seiner Predigt der seligen Teufelsaustreibung gedachte. Pichler ließ die Glocken verklingen und wurde 1. Passeirer Schwimmmeister. Fünf Jahre später baute er die ersten drei Tennisplätze im Tal. Anfänglich führte er die Sportstätten selbst, überließ sie jedoch in den Achtzigerjahren der Gemeinde St. Martin „um einen symbolischen Preis“, wie er es nennt. Mitte der Neunzigerjahre sorgte er mit einer weiteren Sportstätte für Furore: Einer 9-Loch-Golfanlage, zu der sich ein Jahrzehnt später eine 18-Loch-Anlage gesellte.
Doch „Santo-subito!“-Rufe, wie sie dem Investor und Unternehmerfreund Franz Senfter ob seiner Investitionen in touristische Infrastrukturen jenseits des Sextner Kreuzbergpasses ironisch wie anerkennend entgegenschallen, kamen Pichler keine zu Ohren. Im Gegenteil: Mit seinen Plänen für die exklusive Sportanlage entfesselte er in seinem Tal zunächst einen regelrechten Golfkrieg. Er dauerte sechs Jahre.
„Es war mein schwierigstes Projekt, so lange habe ich nirgends gebraucht, um etwas zu realisieren“, sagt Pichler. Selbst der persönliche Einsatz seines guten Freundes, des damaligen Landeshauptmannes Luis Durnwalder, der die zögernden Grundbesitzer und Bauern für das Projekt begeistern sollte, half nicht wirklich weiter. Es war der Gemeinderat, der die ambitionierten Pläne erst einmal torpedierte. „Ich war bereit, alles hinzuschmeißen, doch dann kamen die Wirtschaftstreibenden und haben mich gebeten, weiterzumachen“, erzählt Pichler. Er machte weiter und brachte es so weit, dass sich sogar der damalige Bürgermeister von St. Leonhard und heutige Wobi-Präsident Konrad Pfitscher bei ihm offiziell entschuldigte: Die Gemeinde habe die Wichtigkeit eines Golfplatzes für das Tal nicht verstanden, meinte dieser – und animierte Pichler zum Bau einer 18-Loch-Anlage. Die Ehrenbürgerschaft der Gemeinde folgte auf den Fuß – „für mein Durchhaltevermögen und meinen Einsatz“, so Pichler.
Es verwundert nicht, dass Pichler, der viel Geld und Nerven in die Anlage gesteckt hat, den Golfclub heute wie einen Bauernhof führt: Er ist es, der sagt, wo es langzugehen hat.
– Wie stemmt man so ein Projekt? – Mit Engagement und finanziellen Opfern. Es geht aber nicht um Gewinn – Sondern? – Um eine sportliche Infrastruktur für das Tal, die einen wirtschaftlichen Mehrwert für die Allgemeinheit bringt – Sind Sie ein guter Mensch? – Ich versuche es zu sein und helfe gerne, wo ich es kann. Jedenfalls war ich immer ehrlich –
Das nötige Kleingeld um Projekte dieser Art zu stemmen – allein der Golfplatz dürfte Pichler mehrere Millionen Euro gekostet haben – hat sich der rührige Unternehmer mit dem Holzhandel erarbeitet. Nach einem missglückten Abenteuer als Importeur von Rasierapparaten und Intimwäsche besann er sich jener Erfahrungen, die er bei seiner ersten hauptberuflichen Tätigkeit gesammelt hatte, als Vertreter im Holzsektor. So eröffnete er 1958 seine eigene Firma: die Karl Pichler Edelhölzer AG in Algund. „Ich konnte es mit den Frauen der Tischler gut, sodass die große Mehrheit bei mir gekauft hat“, erinnert sich Pich-ler an seine Anfänge und lacht. Heute ist der Betrieb mit rund 100 Beschäftigten und Niederlassungen in Brixen, Bozen und in Kematen bei Innsbruck ein regionaler Platzhirsch im Holzhandel, dessen Kennzahlen Pichler nicht erwähnt, „um nicht Neider auf den Plan zu rufen“. Warum aber eine Erfolgsbilanz unerwähnt lassen? Der Umsatz betrug 2013 gut 25 Millionen Euro, das Eigenkapital 14,5 Millionen Euro. Erstaunlich genug: Die Krisenjahre, die vor allem die Bauwirtschaft in heftige Turbulenzen gebracht haben, hat das Unternehmen bis dato sogar mit moderaten Gewinnen überstanden (2013: gut 0,7 Millionen Euro). Dass es das Unternehmen so weit brachte, ist auch einer Frau zu verdanken, Pirchers Ehefrau, Herta Siebenförcher. Aus der tüchtigen Meraner Kaufmannsfamilie stammend, war sie Pichlers Finanzministerin und bremste dort, wo dem notorisch begeisterungsfähigen Gatten der Gaul durchging. Dass die 2009 verstorbene Ehefrau dabei alle Mühe hatte, lässt sich am Schnalser Abenteuer Pichlers ermessen, wo dieser im Zuge des Leo-Gurschler-Crashs nach eigenem Bekunden rund 2,5 Millionen Euro „verbrannt“ hat.
„Pichlers Ehefrau kam oft zu mir und bat mich, ihn bei einigen seiner Unternehmungen zu bremsen“, sagt ein langjähriger Weggefährte Pichlers. Und ergänzt: „Er ist ein Leichtfuß“. Als ein „kleiner Sonnengott“ wird Pichler von einem treuen Freund bezeichnet, „aber einer, der sich immer als hilfsbereiter Mensch gezeigt hat“.
Wie es sich neben viel Arbeit aber auch gut leben lässt, hat Pichler ausgerechnet in Schnals und von seinen Gästen gelernt. Um große Schwierigkeiten abzuwenden, hatte Pichler als Präsident der Kurzras AG die Gesellschaft mehrheitlich übernommen und war über Nacht zu Südtirols größtem Hotelier mit über 1.000 Betten geworden. Pichler bedient im Hotel Cristallo seine noble Klientel zuweilen höchstpersönlich mit weißen Handschuhen. Das Schnalser Abenteuer endete für Pichler nur deshalb glimpflich, sprich mit blauem Auge, weil sein Unternehmen dank des damaligen Baubooms förmlich brummte.
Schon damals konnte Pichler sein Talent, ein großer Kommunikator zu sein, bei den Verhandlungen gewinnbringend einbringen. „Der Kreditabteilungsleiter der Sparkasse hat sich gewundert, dass ich während der Verhandlungen trotz ernster Situation den einen oder anderen Spaß gemacht habe“, sagt Pich-ler. Nichtsdestotrotz hatte er sich mit einer Pfändung durch die Sparkasse Algund auseinanderzusetzen. Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass der Selfmademan heute der Stiftung Sparkasse, dem Hauptgesellschafter der Bank, als Präsident vorsteht. „Ich würde lügen, wenn ich leugnen würde, dass das eine Riesenbefriedigung für mich ist“, sagt Pichler und grinst sein bekanntes strahlendes Grinsen.
Als langjähriges Mitglied des Stiftungsvorstandes hat der Unternehmer vor einigen Jahren auch für eine spektakuläre Neujustierung gesorgt – als er die mächtige wie umtriebige Meraner Fraktion innerhalb der Stiftung rund um Siegfried Unterberger entmachten half. „Ich wollte nicht, dass Interessen, die über die Stiftungs-Interessen hinausgehen, bedient werden“, so Pichler. 30-jährige Freundschaften fanden so ein jähes Ende.
Während er in der Stiftung zum Chef aufgestiegen ist und dort den Generationenwechsel für das Jahr 2016 vorbereitet, hat er das Zepter in seiner eigenen Firma bereits 2007 an seine beiden Kinder Renate und Christian abgegeben. Ein Schritt, der ihm nicht leicht gefallen ist und an dem Pichler nach eigenem Bekunden ein ganzes Jahr lang zu kauen hatte. „Ich bin heute noch jeden Tag in der Firma, ich bin ja noch Präsident der AG, kümmere mich aber hauptsächlich um PR“, sagt der Seniorchef. Und ergänzt: „Kommunikation ist wichtig. Außerdem muss man die Leute kennen, bevor man sie braucht.“
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Karl „Schaly“ Pichler: 1933 als siebtes von 16 Kindern beim Unterwirt in St. Martin im Passeiertal geboren, verlor er schon als Fünfjähriger seine Mutter durch Typhus. Weil er schon früh im Dorf als R.delsführer galt und allerhand Schabernack trieb, bekam er nicht selten die Rute des Vaters zu spüren, nie recht lange, weil er schon lauthals schrie, bevor dieser sich ans Werk machte. In den mageren Vierziger- und Fünfzigerjahren versorgte der Wirtssohn seine Freunde heimlich mit Essen. Vom Franziskanergymnasium in Bozen flog er bereits nach zwei Jahren, weil er seiner Absicht, kein Priester werden zu wollen, zu laut Nachdruck verlieh. Auch die Handelsschule in Meran beendete er vor der Zeit, um als Lohnbuchhalter in einer Tischlerei anzufangen – der Beginn einer beeindruckenden Karriere als Holzhändler. „Ich habe viel gearbeitet, aber das Feiern nie verlernt“, sagt der Unternehmer von sich selbst. In seinem Tal baute der erfolgreiche Geschäftsmann diverse Sportstätten, zuletzt eine 18-Loch-Golfanlage.
Pichler ist Präsident des karitativen Vereins „Licht für Senioren“. Er hat zwei Kinder, fünf Enkel und zwei Urenkel, für die er der „Uri“ ist. Seit April 2014 ist der Seniorchef der Karl Pichler AG Präsident der Stiftung Südtiroler Sparkasse.
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