Kultur

Truthahn statt Adler

Aus ff 12 vom Donnerstag, den 19. März 2020

Buch
Übersetzung als Herausforderung: Deutsche Ausgabe von „Divertimenti tristi“
 

Literatur – Enrico De Zordo: (gm) „Es ist nicht richtig zu behaupten, dass ich ein Buch geschrieben habe“, behauptet Enrico De Zordo zu Beginn des Buches, das er geschrieben hat. Er ist ein Autor, der am liebsten hinter den Sätzen verschwinden würde. Seine „radikal unnützen“ Texte (im ita-lienischen Original 2018) sind nun auf Deutsch bei Alphabeta (Meran) und Limbus (Inns-bruck) erschienen (Traurige Vergnügungen, 191 Seiten, 14 Euro).

De Zordo (51, er lebt in Brixen und arbeitet bei den Sozialdiensten der Bezirksgemeinschaft Eisacktal) war einer der ersten Blogger in Südtirol. Er hat ein Leben hinter sich – Fußballer, Student in Bologna, Weinhändler, Lehrer. Er ist ein großer Leser, mit einer Neigung zur mitteleuropäischen Literatur (Musil, Joseph Roth, Kafka) oder zu Italo Calvino und Giorgio Manganelli, den Meistern der komplexen Vereinfachung. In den „Traurigen Vergnügungen“ schwingen immer auch seine Lektüren mit.

Seine „Miniaturen“, „Zettel“ oder „kaputten Erzählungen“ haben meistens einen konkreten Ausgangspunkt, um sich dann zu verflüchtigen. Der Autor trägt ab, bis der Grund durchscheint.

Das zu übersetzen, ist eine Herausforderung, eigentlich gälte es ja, die Texte fort- oder gar neu zu schreiben. Dominikus Andergassen und Walter Kögler haben es zusammen versucht. Es ist ein Ergebnis, das manchmal ein wenig holpert (ein Italienisch, das viele Windungen und Wendungen hat, wird im Deutschen noch kurvenreicher) und meistens gelungen ist. Auch in der Übersetzung ist Sound hörbar, den der Autor geschaffen hat.

Damit wird auch auf Deutsch ein Autor lesbar, der eine eigene Stimme hat. Der sieht, wie viele Adler (Ideologien) sich schon am Himmel über (der Provinz) Bozen getummelt haben – und sich statt dem Adler einen Truthahn am Himmel wünscht, ein Autor, der eingefleischte Verhaltensmuster kennt.

Gute Literatur ist ja immer ein Vergnügen und traurig in einem weiten Sinn, wenn sie uns und die Welt betrifft.

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