Die Sportwelt hat lange gezögert, das Coronavirus ernst zu nehmen. Bis es nicht mehr anders ging. Chronik einer Reaktion in Zeitlupe.
Leben
Die Nudel im Gesicht
Aus ff 12 vom Donnerstag, den 19. März 2020
Kochen mit Vernunft und kleinerem Warenkorb – was eignet sich dafür besser als ein Topf Spaghetti?
N
udeln waren das Erste, was in Italien in den letzten Wochen gehortet wurde. Gefolgt von Dosen: Pelati, natürlich. Dann auch noch Thunfisch und Erbsen. Womit wir schon – ergänzt um Olivenöl, Zwiebel, Knoblauch, Salz, Peperoncino … – beim klassischen kulturellen Importgut der Südtiroler Studenten im deutschsprachigen Ausland angelangt wären.
Genau: Spaghetti al tonno coi piselli! Besonders deutsche, österreichische, sowie Schweizer Studienkollegen staunten darüber, dass man Spaghetti nicht so weich kochen muss, um sie wie einen „coffee to go“ bei geschlossenen Zahnreihen trinken zu können. Volkskomiker Karl Valentin hat in seinem Münchner „Musäum“ eine per seitlicher Drehkurbel zu bedienende Gabel erfunden, um seinen Landsleuten das problemlose Aufgabeln von Spaghetti zu ermöglichen.
Bekanntlich hat sich dieses Patent nicht durchgesetzt. Folglich werden in Österreich, Deutschland und der Schweiz zum Spaghetti-Essen neben der Gabel noch Löffel und, man weiß ja nie, auch gleich ein Messer aufgedeckt. Ungefähr 1.956- mal werden Spaghetti in deutschsprachigen Filmen (rechnet man TV-Produktionen noch hinzu, dann kommt man auf die Zahl 8.752) als uneinnehmbares, unaufrollbares Essknäuel erwähnt. Dann erfolgt in der Regel ein Schnitt und in der nächsten Einstellung darf schließlich der gequälte Schauspieler, um sich dennoch satt essen zu können, die Spaghetti mittels Gabel+Löffel+Messer massakrieren.
Irgendwann hat man als halbmediterraner Mensch deutscher Zunge das Gesetz dieser Spaghetti-Serie begriffen. Und man nimmt das hin. Und man wartet nicht mehr darauf, dass da irgendjemand noch ein bisschen Humor in die Szene hinein reiben kann. Mit einer einzigen, allerdings grandiosen Ausnahme: Loriot! Der setzt quasi nach dem Spaghetti-Massaker an, eine letzte Nudel klebt in Loriots Gesicht, während er mit der Dame seiner Begierde redet. Er redet und redet und redet auf sie ein, weil ihm schon lange keine so attraktive Frau so intensiv zugehört hat. Sie kommt faktisch nie richtig zu Wort, dabei möchte sie ihn ja nur darauf hinweisen, dass da eine Nudel, eine einzige Nudel ...
In Italien ist der große Totó der Inbegriff des Spaghetti-Gesichts – wenn er als padre di famiglia zu seinen morti di fame ohne eine einzige Nudel nach Hause kommt (weil vielleicht das falsche Pferd gewonnen hat), dann entsteht neapolitanischer Humor. Seine Frau: „Allora, posso buttare la pasta?“ – „E buttala! Non dovevate aspettare me …“ – „Come no! Se tu hai portato gli spaghetti!“ – „Eh no, stavolta no … butta gli spaghetti che ti ho portato ieri“ – „Quelli li abbiamo mangiati ieri!“
Und irgendwann gewinnt wieder das richtige Pferd. Und eine noble Wohnung wird bezogen, die Familie neu eingekleidet, und der Tisch biegt sich unter den frischen Spaghetti. Und Totó, ganz miseria und nobiltá im neuen Glück, gabelt mit der einen Hand und schaufelt mit der anderen Spaghetti in sich hinein.
Humor hat auch eine liebe Nachbarin der Extrawurst: Sie geht täglich kurz ins Dorf für die notwendigen Einkäufe. Nein, nicht zum Supermarkt. Da rennen jetzt alle hin. Lieber zum Geschäft des Bürgermeisters, das ist immer eher leer.
Zu Hause angelangt folgt sie rigoros den allgemeinen Empfehlungen und wäscht sich gründlich die Hände. Aber zur Sicherheit, andere Desinfektionsmittel sind ja rar geworden, gurgelt sie noch zusätzlich eventuelle Erreger aus Rachen und Gaumen – mit einem ordentlichen Schluck Schnaps. Den sie hinterher ausspuckt. Eine Empfehlung, der die Extrawurst (ausgenommen den letzten Punkt: das Ausspucken) am liebsten folgt mit Quittenbrand von Plonhof (Hansjörg Weis, Tramin), Vogelbeerenbrand von Pojer & Sandri oder Marillenbrand vom Außerloretzhof, Laas.
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