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Leben
„Hausorgan“ der Sheriffs
Aus ff 48 vom Donnerstag, den 01. Dezember 2022
Mario Bertoldi ist der Mann, der für den Alto Adige aus dem Gerichtspalast berichtet – und das seit 40 Jahren. Das Journalisten-Urgestein im ff-Porträt.
Fragt man ihn, warum er Journalist geworden ist und warum ausgerechnet Gerichtsreporter, zuckt Mario Bertoldi leicht mit den Schultern und sagt: „Keine Ahnung. So wie ich nicht weiß, wie ich als kleines Kind auf die Idee kam, aus meinen Schulheften die Mittelseiten herauszutrennen, um daraus eine Zeitung zu machen, die ich dann meinem Vater verkaufte.“
Wurde ihm der Beruf in die Wiege gelegt? Es folgt wieder ein Schulterzucken. Diesmal wischt er sich die Haare von der Stirn. Sie sind grau, aber immer noch lang – und immer ungekämmt. Bertoldi, der „Big Old Man“ unter den hiesigen Gerichtsreportern, hat sich letzthin ein auffällig vernachlässigtes, ja fast schon lotterhaftes Äußeres zugelegt. Junge Kollegen, die ihn nicht kennen, dürften sich fragen, warum um Himmels willen dieser Kerl beim Sicherheitscheck nicht gestoppt wird, ja warum das diensthabende Personal fast zu einem kleinen Knick ansetzt, wenn er – tiefsitzende Hose, zerknittertes Hemd, zersauste Mähne – meist kurz vor Mittag den Gerichtspalast betritt.
Nun ja, erzählt er, da habe es einen Onkel gegeben, Unternehmer in Mailand. Der habe ihm, gerade mal 15 Jahre alt, ein Abo der Tageszeitung Il Giornale geschenkt. Und dort sei er auf einen Journalisten gestoßen, der dem jungen Mario Bertoldi wie ein Gott vorgekommen sein muss: Indro Montanelli. Der Gründer des Giornale und spätere Star-Kolumnist des Corriere della Sera war all das, was Bertoldi einmal sein wollte: „Er schwamm nicht mit dem Strom, was damals bedeutete, nicht links zu sein. Und er war ein Freigeist.“
Als Freigeist bezeichnet sich auch Bertoldi, der von seinen Journalistenkollegen allerdings eher als „rechter Haudegen“ bezeichnet wird: „Sicher war ich immer eher rechts, in meiner Jugend sogar ziemlich rechts. Aber wer damals in den Siebzigerjahren nicht den linken Rädelsführern zujubelte, wurde automatisch als rechts abgestempelt, auch wenn er es gar nicht war.“
Im Visier hatte Bertoldi eine Karriere als Anwalt, aber das dritte Jahr an der Universität war dann auch sein letztes. Der Grund: Beim Alto Adige war eine Stelle freigeworden, und Direktor Mino Durand und Chefredakteur Ugo Bertolini waren auf den jungen Mario Bertoldi aufmerksam geworden, der damals – Ende der Siebzigerjahre – beim Privat-sender Tele Bolzano erste journalistische Erfahrungen sammelte.
Bertoldi zögerte: nicht deshalb, weil das Angebot ihn nicht gereizt hätte, sondern wegen der nicht minder interessanten Alternative. Rosanna Nannarone, seine Frau, hatte einen Radiosender gegründet: NBC. Bertoldi: „Man muss sich in jene Zeit zurückversetzen. Es waren die Pionierzeiten der Privatsender. Wie andere auch, war ich begeistert von den Möglichkeiten, die sich da boten.“
Wenn er über diese Jahre spricht, in denen er jeden Tag um halb sieben in der Früh auf NBC die „rassegna stampa“ machte, nimmt er ein Wort in den Mund, das man einem Mario Bertoldi nicht zutrauen möchte: „romanticismo professionale“ sei das gewesen, sagt er – und man hat den Eindruck, er trauere jener Aufbruchstimmung immer noch ein wenig nach.
Trotzdem, er brauchte einen Brotberuf. Also heuerte er am 1. Juli 1980 beim Alto Adige an – und wurde von Giovanni Perez sofort „an die Front“ geschickt. Perez sei sein „Lehrmeister“ gewesen: „Er war Jurist, er war für mich der Türöffner, er lehrte mich, worauf es ankommt in der Gerichtsberichterstattung.“
Bertoldi brauchte nicht lange, um sich in den Fußstapfen seines Lehrmeisters zurechtzufinden. Als der Autor dieser Zeilen Ende der Achtzigerjahre in diesen Beruf einstieg, war Bertoldi längst der Leitwolf jener Journalisten, die jeden Tag im Gerichtspalast herumlungerten – auf der Suche nach Nachrichten, bestenfalls eines Scoops für Seite eins.
Die Staatsanwälte hielten Hof, aber in der Weitergabe der Nachrichten schien es eine ungeschriebene Hackordnung zu geben: Allerweltsneuheiten – etwa dass ein Drogendieb gefasst oder ein Wohnungseinbruch aufgeklärt werden konnte – wurden an alle weitergegeben, die Exklusivmeldung hatte auffallend oft meist nur einer: Bertoldi.
In der Rückblende räumt er ein, „tatsächlich gute Quellen“ gehabt zu haben, „Quellen“, die man sehr gut pflegen habe müssen, dermaßen gut, um ein Freundschafts- und Vertrauensverhältnis aufbauen zu können. Wer diese Quellen waren, darüber schweigt Bertoldi sich aus. In Journalistenkreisen war allerdings bekannt, dass er mit den Staatsanwälten Guido Rispoli („für mich eine Vaterfigur“) und Cuno Tarfusser („ich nannte ihn Sheriffo“) besonders gut konnte.
„Es war eine völlig andere Zeit als heute“, sagt Bertoldi, hütet sich aber, Details zu nennen. Fakt ist, dass das Ermittlungsgeheimnis damals nur auf dem Papier existierte. In den Jahren von „Tangentopoli“ schien es oft so, als würden Staatsanwälte und Journalisten in ein und derselben Mannschaft spielen. Als im September 1994 Landesrat Remo Ferretti verhaftet wurde, waren Journalisten vor seiner Wohnung positioniert – in vorderster Reihe Mario Bertoldi.
Damals, erzählt Bertoldi mit Schmunzeln, habe es zwischen den Ermittlern und den Journalisten mitunter auch stillschweigende Verabredungen gegeben – etwa zu später Stunde an der Autobahnausfahrt Bozen Süd: ein kurzes Treffen, zwei, drei frische „notizie“, gerade rechtzeitig kurz vor Redaktionsschluss. Die Zusammenarbeit sei dermaßen „perfetta“ gewesen, dass Bertoldi, wie er selber sagt, einen Spitznamen erhielt: Man nannte mich „Hausorgan des Gerichts“.
Mit zunehmendem Alter sei er „milder“ geworden, „ausgeglichener“. Das gelte auch für seine politische Einstellung: „Früher war ich der Ansicht, dass es richtig und gerecht sei, dass die staatlichen Gesetze auch hier im Alto Adige gelten müssen. Heute weiß ich, dass ich falsch gelegen habe.“ Bertoldi hat kein Problem zuzugeben, dass er sich von seinen damaligen politischen Überzeugungen längst getrennt hat. Als Beispiel nennt er Silvius Magnago. Damals habe er von diesem Landeshauptmann nicht viel gehalten, heute müsse er zugeben: „Ohne Magnago, der ein großer Politiker war, stünde Südtirol nicht so gut da, wie es heute dasteht.“ Weil er das mit Überzeugung sagt, fragen wir ihn, ob er, Mario Bertoldi, inzwischen gar die SVP wähle. Seine Antwort: „Nun ja, ich muss zugeben, dass ich daran gedacht habe.“
Genug der Politik, zurück zum Journalismus, jenem Metier, in dem sich Bertoldi am wohlsten fühlt – oder zumindest fühlte. Immer wieder unterscheidet er zwischen früher und jetzt: Früher habe es beim Alto Adige dermaßen viele Redakteure und Grafiker gegeben, dass man beim traditionellen Fußballspiel, das jedes Jahr am 1. Mai auf dem Ritten stattfand, die Spieler auswechseln musste, um jedem die Möglichkeit auf einen Einsatz zu geben. „Heute“, sagt Bertoldi, „kriegen wir nicht mal mehr zwei Mannschaften zusammen.“
„Früher“ habe „die Seele einer Zeitung“ aus den Journalisten, Schriftsetzern und Grafikern bestanden, „heute“ hingegen habe längst „la pubblicità“ diese Rolle übernommen, die Werbung. Trotzdem – oder gerade deswegen: Würde Bertoldi beim Superenalotto einige Millionen gewinnen, er würde sich weder eine Yacht noch eine Villa am Meer kaufen, sondern ... eine Zeitung gründen. „Und ich meine eine gedruckte Zeitung und nicht dieses anonyme Online-Zeug. Denn ich liebe nichts mehr, als eine frisch gedruckte Zeitung in der Hand zu halten und deren Geruch einzuatmen.“
Dass vierzig Jahre Journalismus auch auf den Magen schlagen können, erfuhr Bertoldi im Sommer des vergangenen Jahres. Er urlaubte gerade am Nonsberg, als er an einem Samstag plötzlich Blut spie – viel Blut. Man brachte ihn zuerst ins Krankenhaus nach Cles, dann in jenes von Trient, wo der Riss einer Vene in der Speiseröhre diagnostiziert wurde. Bertoldi wurde noch in derselben Nacht notoperiert. Der Eingriff war erfolgreich, die anschließenden Behandlungen erfolgten am Krankenhaus Bozen.
Mario Bertoldi hat nahezu dreißig Kilo an Gewicht verloren, darf sich heute aber als genesen bezeichnen. Sein Resümee: „Wir Journalisten sind ja oft sehr kritisch gegenüber der Sanität. Jetzt, wo ich es am eigenen Leib erfahren habe, kann ich sagen: Egal ob in Trient oder in Bozen, in unseren Krankenhäusern sind exzellente Leute am Werk.“
Ob er Kinder habe, wollen wir am Ende des Gesprächs wissen. Mario Bertoldi winkt ab: „Kinder? Nein. Meine Kinder sind das Radio und die Zeitung. Meine Kinder è la notizia, sind die Artikel, die ich schreibe.“
Klar hätten wir von ihm auch gerne gewusst, ob und wie sich der Alto Adige verändert hat, seit Michl Ebner sein Chef ist. Aber dazu gab es keinen Kommentar: „Wir können über alles reden, aber nicht über dieses Thema.“
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Mario Bertoldi, Jahrgang 1958, ist in Bozen geboren. Nach dem Klassischen Lyzeum und einem begonnenen Jus-
Studium begann er am 1. Juli 1980 als Gerichtsreporter beim Alto Adige, wo er auch heute noch arbeitet. Nebenher hilft Bertoldi beim Radiosender NBC in der Bozner Mühlgasse aus, den seine Frau Rosanna Nannarone gegründet hat und leitet.
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