Leben

Tiroler Traditionen: Hafermilch der Frühe

Aus ff 50 vom Donnerstag, den 15. Dezember 2022

Nur einmal im Leben möchte ich mich so über ein Getränk empören können wie Tirols Bauern über Hafermilch. „Extrem schockiert“ war der Chef der Tiroler Landwirtschaftskammer über einen Spot der Tirol-Werbung, in dem ein Krampus „Latte Makkiato mit Hafermilch“ bestellt.

Teifl noamol! Wo bleibt der Respekt, wo die Wertschätzung?

„Abartig“ nannte auch unser EU-Bauer Herbert Dorfmann den Spot. Das schändliche Produkt habe mit Tirol schließlich „nichts zu tun“ – die Hafermilch wohlgemerkt, nicht das traditionelle Tiroler Getränk Latte Macchiato.

Ich kann die Herren von der Sittenpolizei gut verstehen, sie haben es sich nicht leichtgemacht. Tradition, der Schutz des Eigenen, ist harte Arbeit, im Nahen Osten wie im Heiligen Land: Katar toleriert nur Heterosexualität, Tirol nur Laktose, so sind die Regeln.

Nur: Wo endet jetzt das Fremde? Wo beginnt das Eigene, was hat mit uns „zu tun“?

Im Südtiroler Speck steckt kein Südtiroler Schwein und doch identifizieren wir uns mit ihm, als hätte man unsere eigene Wade gepökelt. Für die nächste Schlacht im Kampf Hoteliers vs. tote Tiere wünsche ich mir deshalb ein präziseres Regelwerk. Paragraf 1 könnte sein: „Tradition ist, was vermarktbar ist“.

Vor Kurzem habe ich die Stellenanzeigen im Wiku durchgeblättert. Gesucht wurde Personal für ein Fünf-Sterne-„Hideaway“ in der Nähe von Brixen, darunter ein -„Cosmetician (m/w/d)“ und ein „Receptionist“. Der Traditionalist in mir war begeistert: Hideaways, damals trugen sie noch den Traditionsnamen Luftschutzbunker, schätzten schon meine Großeltern.

von Anton Rainer | Redakteur im Ressort
Wirtschaft beim Spiegel in Hamburg

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