Film: (gm) Joanne K. Rowling, die Erfinderin von Harry Potter, bleibt Direktorin im Zoo für magische Wesen. Die Wesen kommen nicht ...
Leitartikel
Die Politik der Reflexe
Aus ff 48 vom Mittwoch, den 30. November 2016
Der Meraner Bürgermeister fordert: keine Siliziumproduktion mehr in Sinich. Er hat recht. Doch Politik und Gewerkschaften reagieren empört. Warum bloß verteidigen sie etwas, was nicht zu halten ist?
Der Meraner Bürgermeister Paul Rösch hat etwas Richtiges gesagt und dabei dummerweise vergessen, den Satz zu vervollständigen. Rösch sagte: Die Solland Silicon in Sinich gehört geschlossen. Was er nicht sagte: Wenn dort die Siliziumproduktion aufgelassen wird, werden wir uns darum bemühen, andere Betriebe auf dem Gelände anzusiedeln und Arbeitsplätze zu schaffen.
Das Unternehmen Solland Silicon ist in Konkurs. Ein Ende mit Schrecken, nachdem der Schrecken zwei Jahre lang angedauert hatte: Lohnausgleichskasse, endlose Verhandlungen mit dem Besitzer Massimo Pugliese, große Sorgen um die Sicherheit des Betriebes, der polykristallines Silizium für Fotovoltaik-Anlagen und Mikrochips herstellte.
Das ist ein hochkomplexes Verfahren, bei dem Stoffe zum Einsatz kommen wie das hochgiftige Trichlorsilan, wie Wasserstoff, wie Tetrachlorid (es entwich 1998 aus defekten Ventilen und bildete eine giftige Wolke über Meran, die glücklicherweise schnell von einem gnädigen Wind vertrieben wurde).
Paul Rösch hat recht: Die Produktion von Silizium in Sinich gehört eingestellt. Sie ist wirtschaftlich zu unsicher, zu gefährlich; das Werk liegt neben einem Wohngebiet und neben einer Stadt mit 40.000 Einwohnern.
Rösch hätte freilich auch sagen müssen, was jetzt mit den übrig gebliebenen 110 Beschäftigten und ihren Familien passiert. Und was mit dem Gelände zu tun ist.
Denn Solland Silicon hinterlässt nicht nur Schulden von 30 Millionen Euro (plus 2 Millionen, die das Land Südtirol für Sicherheitsmaßnahmen aufgebracht hat), sondern auch einen Grund und Boden, der verseucht ist. Er muss vermutlich mit großem Aufwand saniert werden, bevor sich andere Betriebe ansiedeln können. Kosten: kaum absehbar.
Und doch muss es sein. In der Industriezone in Bozen musste es ja auch sein – und dort hat das Land gezahlt, um neue Betriebe ansiedeln zu können. Warum geht das in Sinich nicht?
Stellt die Siliziumproduktion ein! Das zu fordern, provoziert natürlich Widerstand. Widerstand von der Politik, die vor zwei Jahren den windigen Unternehmer Massimo Pugliese hofierte, als er das Werk kaufte. Politik und Gewerkschaften lieferten sich damals leichtfertig einem Unternehmer aus, dessen Biographie deutliche Hinweise auf seine fehlende Seriosität gibt, wenn man es nur hätte wissen wollen (ff berichtete).
Das provoziert den Widerstand der Gewerkschaften, die reflexartig Arbeitsplätze verteidigen. Warum bloß verteidigen sie Arbeitsplätze, die aus wirtschaftlichen und ökologischen Gründen nicht zu halten sind? Einen Betrieb, der ganz offiziell als die Produktionsstätte mit dem größten Gefährdungspotenzial in Südtirol eingestuft ist?
Die Landespolitik, allen voran Wirtschaftslandesrat Arno Kompatscher, der PD und die Gewerkschaften müssten eigentlich den Meraner Bürgermeister stützen. Anstatt entweder ausweichend zu reagieren oder, ohne einen Moment nachzudenken, die Siliziumproduktion mit Zähnen und Klauen zu verteidigen. Manchmal ist es besser (und billiger), einen Betrieb aufzugeben. Und dafür etwas zu schaffen, das nachhaltig ist, umweltfreundlich und kein Risiko für die Gesundheit von vielen Menschen darstellt.
Es sind diese schnellen Nein, diese Verteidigungshaltung, der Versuch zu halten, was nicht zu halten ist, die Südtirol so schwerfällig machen, die uns nicht so weit springen lassen, wie wir eigentlich könnten.
"Es sind diese schnellen Nein, die unsere Gesellschaft so schwerfällig machen."
Georg Mair
Weitere Artikel
-
Der Flug der Engel
Kunst: (gm) Der erste Stock der Sparkasse am Waltherplatz in Bozen ist mit einer goldenen Wärmhalte-Folie ausgeschlagen. Man sieht ...
-
Architekt der Klarheit
Werner Tscholl wurde zum „Architetto italiano 2016“ gekürt. Was das bedeutet? „Keine Ahnung“, sagt er. Was er mit seiner Architektur will, das weiß der Latscher aber sehr genau.
Leserkommentare
Kommentieren
Sie müssen sich anmelden um zu kommentieren.