Matteo Renzi hat sich am Sonntag selbst abgewählt und Italien in die wahrscheinlich längste Regierungskrise seiner Geschichte gestürzt. Über einen Politiker, der über den eigenen Schatten stolperte.
Leitartikel
Der Kampf nach der Schlacht
Aus ff 49 vom Mittwoch, den 07. Dezember 2016
Italien wird nach diesem Verfassungsreferendum zwar nicht zentralistischer, dafür aber kehrt wieder das alte, verkrustete Italien zurück. Einen politischen Plan hat nämlich keiner der sogenannten Wahlsieger.
Noch so ein Sieg, und wir sind verloren“, soll der hellenistische König Pyrrhus nach der Schlacht bei Asculum in der heutigen italienischen Provinz Apulien gesagt haben. Seine Armee und er hatten dort zwar die Römer besiegt, seine Verluste aber waren enorm.
Das war im Jahr 279 vor Christus und der Pyrrhussieg ist seitdem einer, der den Sieger so geschwächt zurücklässt wie den Besiegten. Ein Sieg also, der eigentlich keiner ist.
Einerseits beschreibt das gut die Lage der Nein-Front nach dem Verfassungsreferendum. Andererseits gilt es auch für die Südtiroler Volkspartei-Mannen. 64 Prozent der Südtiroler stimmten am Sonntag auf die Seite von Premier Matteo Renzi und damit für die zentralistische Verfassungsreform und die von der SVP viel gepriesene „Schutzklausel“. Die SVP hat eine breite Mehrheit für ihre autonomiepolitische Linie erhalten – politisch mag sie einen Sieg errungen haben. Langfristig gesehen könnte sich dieser Sieg auf dem römischen Verhandlungsparkett aber als schwere Hypothek erweisen. Deshalb, so die Kritiker, sei das ein Pyrrhussieg für die große Partei und den Landeshauptmann.
Die SVP präsentierte sich am Tag nach der Wahl überaus selbstbewusst, das gefiel nicht jedem. Die Partei wird dieses Selbstbewusstsein in nächster Zeit aber wohl brauchen. Schließlich warte, wie Senator Karl Zeller sagte, „eine schwierige und konfuse Phase auf uns“.
Insofern ist auch der Sieg des Nein nur ein Pyrrhussieg. Die überraschenden 59 Prozent gegen Matteo Renzi sind nicht so schlimm wie in Asculum. Aber Opfer gekostet hat der Wahlsieg der NEIN-Befürworter auch: der Reformprozess in Italien ist auf der Strecke geblieben. Fakt ist, Wahlsieg und Abwendung des Zentralismus hin oder her: Italien hat einen erheblichen Rückschlag erlitten. Der mühsam begonnene Reformprozess kommt nun unter die Räder.
Einen Plan hat nämlich keiner der Wahlsieger – von der oppositionellen Minderheit im Partito Democratico bis hin zu den Protestparteien, die sich jetzt als Sieger geben. Den meisten von ihnen geht es nicht um die Sache, sondern um die Macht. Die inhaltliche Leere, die sich durch den gesamten Wahlkampf zog, wird sich nicht so schnell in sachpolitische Fülle verwandeln. Leider. Es wird nicht um die Substanz der nötigen Reformen gehen, sondern um die Frage, wer mehr politisches Kapital daraus schlagen kann, wenn sofort oder später gewählt wird, oder wenn das Wahlgesetz nun geändert wird oder unverändert bleibt.
Matteo Renzi war einst mit dem Versprechen angetreten, die alte Politik zu „verschrotten“. Mit der Wahl am Sonntag hat er sich nun selbst verschrottet. Das alte, verkrustete und barocke Italien aber ist seit Sonntag wieder putzmunter. Gefangen in der Spirale von populistischen Parolen, inhaltsleerer Politik und dem leeren Versprechen, diesmal werde alles anders.
An guten Sprüchen fehlt es den politischen Protagonisten in diesem Land nicht. Mit guten Sprüchen aber ist es nicht mehr getan. Sonst riskiert man ein ähnliches Ende wie einst Pyrrhus.
Pyrrhus Karriere als Feldherr war nach der Schlacht bei Asculum noch nicht vorbei. Er eroberte in den darauffolgenden Jahren noch große Teile von Sizilien und kurzzeitig auch Mazedoniens. Im italienischen Benevent aber wurde er von den Römern geschlagen, im Jahr 272 vor Christus starb er im Straßenkampf in Argos. Er soll von einem Ziegelstein, den jemand von einem Dach warf, erschlagen worden sein.
"An guten Sprüchen fehlt es den politischen Protagonisten in diesem Land nicht. Mit guten Sprüchen aber ist es nicht mehr getan."
Alexandra Aschbacher
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