Leitartikel

Alles nur gefälscht

Aus ff 50 vom Donnerstag, den 15. Dezember 2016

Leitartikel
Leitartikel © ff-Media
 

Wer sich wie 58 Prozent der Italiener vorwiegend über Facebook & Co. informiert, sollte sich vorsehen. Denn so toll soziale Medien auch sind – viele der Meldungen stimmen nicht. Also: Hirn einschalten, Smartphone ausschalten.

Die Meldung kommt seriös verpackt mit einem Bild von Donald Trump in jungen Jahren daher: „Wenn ich antreten würde, dann als Republikaner. Sie sind die dümmste Wählergruppe im Land. Sie glauben alles, was Fox News berichtet. Ich könnte lügen, und sie würden mir immer noch aus der Hand fressen. Ich wette, mein Ergebnis wäre sagenhaft.“
Das soll Donald Trump 1998 der Zeitschrift People Magazine gesagt haben. Steht jedenfalls auf Facebook zu lesen.
Achtzehn Jahre später kandidiert Trump tatsächlich für die Republikaner – und wird prompt zum US-Präsidenten gewählt.
Was wäre das für eine schöne Geschichte. Wenn sie denn wahr wäre. Denn sie ist nicht wahr. Im People Magazine sind diese Sätze von Trump weder 1998 noch in einem anderen Jahr abgedruckt worden.
Jemand hat sie einfach erfunden und ihnen in den sozialen Netzwerken freien Lauf gelassen. Sie passen ja auch so gut zusammen mit dem echten Donald Trump.
Dabei ist es eher die Ausnahme, dass es Trump mit einer gefälschten Nachricht erwischt. Normalerweise ist er es, der gezielt Unwahrheiten verbreitet. So setzte er zum Beispiel in die Welt, dass Barack Obamas Geburtsurkunde gefälscht sei. Oder dass 58 Prozent der afroamerikanischen Jugendlichen arbeitslos seien.

Alles erfunden, aufgebauscht und verzerrt. Dennoch gehen solcherlei „Nachrichten“ in Rekordzeit um die Welt.
Fake News, gefälschte Nachrichten, sind das Thema dieser Tage in Amerika, in Deutschland, in Italien. Politiker, Wissenschaftler und Medienleute zerbrechen sich den Kopf darüber, was man gegen die Lügen im Netz tun könnte. Sie einfach ignorieren? Juristisch dagegen vorgehen? Strengere Gesetze einführen?
Erhebungen zeigen, dass sich inzwischen 58 Prozent der Italiener vorwiegend über Facebook & Co. informieren. 47 Prozent tun es über Fernsehnachrichten. Der Trend stimmt sogar den Landeshauptmann nachdenklich.
„Das Internet“, sagte Arno Kompatscher bereits vergangenen Sommer, „ist die größte Gefahr für die liberale Demokratie seit Jahrzehnten.“ Es gebe keine Filterfunktion mehr. Die Worte am globalen Stammtisch hätten damit den gleichen Wert wie die Worte eines weisen Mannes.
Und der globale Stammtisch hat eine unglaubliche Macht. Das belegt der Siegeszug der Populisten eindrucksvoll. Sie haben den Wert der sozialen Netzwerke längst erkannt und nutzen Fake News, um die eigene Position zu festigen und ihre Gegner zu diskreditieren.
Von der falschen Nachricht zur Tat ist es dann nur noch ein kleiner Schritt. Das belegt der sogenannte Pizzagate, der kurz vor den US-Wah­len seinen Höhepunkt erreichte. Hillary Clinton, so die Falschmeldung, betreibe vom Keller eines Washingtoner Pizzaladens aus einen Pädophilenring. Nichts an der Meldung stimmt.
Trotzdem rannte ein bewaffneter Mann Anfang Dezember in den Pizzaladen und feuerte einen Schuss ab. Bei seiner Verhaftung rechtfertigte er sich damit, er habe die Kindersexsklaven befreien wollen.
Nun mag man darüber den Kopf schütteln: Die Falschmeldung wäre leicht zu durchschauen gewesen. Trotzdem werden wir nicht umhinkommen, unseren Umgang mit den sozialen Medien kritisch zu beleuchten. Atemberaubenden Meldungen von dubioser Herkunft ist im Zweifel zu misstrauen.
Wichtig wird in Zukunft vor allem eines werden: wieder mehr das eigene Hirn anstrengen – und weniger dem „vorgefertigten Datenmaterial“, das uns auf Schritt und Tritt begleitet, Glauben schenken.

"Wichtig wird in Zukunft vor allem eines werden: wieder mehr das eigene Hirn anstrengen – und weniger dem „vorgefertigten Datenmaterial“ trauen."

Karl Hinterwaldner

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