Terrorismus: (nd) Am Montagabend ist also passiert, was spätestens seit dem Anschlag am 14. Juli in Nizza mit 86 Toten befürchtet ...
Leitartikel
„Fürchtet euch nicht!“
Aus ff 51 vom Donnerstag, den 22. Dezember 2016
Mit diesem Satz fordert der Weihnachtsengel die Hirten zur Unerschrockenheit auf. Aber was bitte soll uns der Ruf heute noch bedeuten?
Die Weihnachtszeit ist eigentlich die Zeit der guten Nachrichten. Da möchte man mal nichts lesen von Krisen und Gefahren für die Welt. Jedoch der Festtagskalender gilt immer nur für Teile dieser Welt. Während für viele Menschen hierzulande der Kauf irgendwelcher sonderbarer Weihnachtsgeschenke die größte Sorge darstellt, herrschen in anderen Regionen der Welt Probleme, die sich nicht durch Nichtstun erledigen.
Das war bislang zumindest so.
In jüngster Zeit ist die Welt klein geworden. Nizza, Paris, Brüssel – und nun Berlin. Nie zuvor, so scheint es, wurde Westeuropa öfter von Attentaten erschüttert. Der jüngste Anschlag in der deutschen Hauptstadt führt einmal mehr auf traurige Weise vor Augen, wie der Terror auch bei uns alltäglich wird.
Wer in dieser sogenannten „stillen Zeit“ diese Ereignisse rekapituliert, wer die Grausamkeiten des IS vor Augen hat, das Elend der Flüchtlinge oder auch die nicht enden wollenden Erdbeben in Mittelitalien, dem wird vielleicht noch einmal mulmig.
Es hat einem oft die Kehle zugeschnürt 2016. Angst, so sagt man gern, sei kein guter Begleiter. Angst zwingt aber auch Fragen auf: Was ist so kostbar, dass man Angst hat, es zu verlieren? Angst ist, wenn man so will, eine positive Unterbrechung, um die richtigen Entscheidungen treffen zu können. Nicht zu verwechseln mit der Panikmache und den Ängsten, die populistische Politiker gerne verbreiten wollen. Diffuse Ängste, die irgendwann in Hass umschlagen können.
Die Menschen müssen lernen, mit ihren Ängsten umzugehen.
Was gegen diffuse Ängste helfen würde, wäre zum Beispiel eine klare Rede. Viele unserer Politiker sind Spezialisten für das Ungefähre, für das eindeutig Uneindeutige.
Und weil man von der Politik ja selten zu Weihnachten etwas geschenkt kriegt, kann man sich aber trotzdem was von ihr wünschen. Das geht zwar nicht in Erfüllung, aber das Leben besteht zum größeren Teil ja sowieso aus Wünschen, die nie Wirklichkeit werden.
Ein Weihnachtswunsch wäre also mehr Eindeutigkeit. Liebe Politiker, sprecht offen über Ungewissheiten. Verweigert man den Menschen klare Antworten, trägt man nur zu noch mehr Verunsicherung bei. Das entsprechende Weihnachtsgeschenk wäre eine Packung „Mutmach-Tee“ aus dem Bioladen. Zu trinken nach dem Aufstehen, nicht nach dem Schlafengehen.
„Fürchtet euch nicht!“, sagt der Weihnachtsengel im Evangelium. Die Szene spielt auf dem Feld, bei Nacht und Nebel, als die Hirten plötzlich diesen Engel sehen, der sie zu Unerschrockenheit aufruft. Der Ruf dreht die Logik der Angst um. Die Hirten sollen sich auf den Weg machen und gegen alles, was Furcht macht, angehen. Man kann es auch philosophischer sagen, so wie Søren Kierkegaard: „Das Leben wird vorwärts gelebt und rückwärts verstanden.“
Wer Katastrophen ins Unermessliche steigert – was nach solchen Anschlägen wie jüngst in Berlin immer gerne passiert – kann gewiss sein, dass niemand mehr etwas dagegen unternimmt. Weihnachtswunsch Nummer zwei deshalb: Hört nicht auf die Weltuntergangspropheten, liebe Südtiroler. Und steckt den Kopf nicht in den Sand!
Der Zustand der Welt mag in vielen Bereichen beklagenswert sein. Mag auch sein, dass die Welt morgen untergeht, wie der Theologe Dietrich Bonhoeffer 1942 schrieb, aber die Arbeit für eine bessere Welt wollen wir erst dann niederlegen, vorher nicht.
Verweigert man den Menschen klare Antworten, trägt man nur zu noch mehr Verunsicherung bei.
Alexandra Aschbacher
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