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Leitartikel
Keine Weiter-so-Strategie mehr bitte!
Aus ff 03 vom Donnerstag, den 19. Januar 2017
Der Turbomotor der Globalisierung hat Verteilungsfragen unbeantwortet gelassen. Es ist höchste Zeit für neue Denkansätze – etwa das bedingungslose Grundeinkommen.
Seit Dienstag dieser Woche sitzen in Davos wieder einmal die Großen und Wichtigen aus Politik und Wirtschaft zusammen. Das alljährliche Schweizer Weltwirtschaftsforum (WEF) ist so etwas wie der inoffizielle Weltwirtschaftsgipfel, ein Thermometer für die Befindlichkeit der globalisierten Wirtschaft, ein Blutdruckmesser der Weltlage.
Dass diese empfindlich hohe Blutdruckwerte hat, muss nicht erst behauptet werden. Das zeigen schon die Themen, die auf der Agenda in Davos ganz oben stehen. Umfragen des World Economic Forum (WEF) zeigen, dass die Topmanager mittlerweile im möglichen Einsatz von Atomwaffen die größte Unsicherheit erkennen. Ob das eine direkte oder indirekte Folge des bisherigen Wirtschaftens ist, das dürfen Pedanten unter sich klären.
Nicht unzufällig und (leider) passenderweise hat die Entwicklungshilfeorganisation Oxfam zum Auftakt des Davoser Gipfeltreffens ihren jährlichen Ungleichheitsbericht veröffentlicht. Demnach besäßen die reichsten acht Männer der Welt so viel wie die ärmere Hälfte der Weltbevölkerung. Mag die einstellige Zahl auch höchst umstritten sein, die extreme Ungleichheit der Vermögen ist eine Tatsache, und sie nimmt Jahr für Jahr in erschreckender Weise zu. Sie führt zu Ohnmacht und Verwerfungen. Brexit, Trump und die neue Macht der Populisten lassen grüßen. Eine neue Analyse der Bertelsmann-Stiftung zeigt, „dass es Globalisierungsangst ist, die die europäischen Wähler weg von den Parteien der Mitte hin zu den Rändern treibt“.
Die Strategie des Weiter-wie-bisher ist überholt. Nicht nur die Entwicklungshilfeorganisation Oxfam fordert deshalb ein radikal anderes Wirtschaftssystem: Neuerdings sind es Wirtschaftswissenschaftler und Topmanager selbst, die gänzlich neue Ansätze verlangen. Sie wissen nur zu gut: Wer bei den Ursachen der sich zuspitzenden Polarisierung in unseren (europäischen) Gesellschaften ansetzen will, darf der Frage nach einer gerechteren Verteilung der Kapitaleinkommen nicht aus dem Weg gehen.
Das bedingungslose Grundeinkommen könnte eine mögliche Antwort auf gleich mehrere Krisen sein, die uns in jüngerer Zeit angefallen haben und auf die die Politik bislang keine Antworten wusste.
Das bedingungslose Grundeinkommen sieht vor, dass jeder Bürger unabhängig von seiner Lebenssituation und ohne eine Bedürftigkeitsprüfung es erhält. Dafür fallen derzeitige Sozialleistungen wie das Arbeitslosengeld oder Mietzuschüsse weg – ebenso wie die hierfür nötige Bearbeitungsbürokratie. Finanziert würde das Grundeinkommen über Steuereinnahmen. Auf diese Weise soll jedem Mensch genug Geld für seine Grundbedürfnisse zur Verfügung stehen. So die Theorie.
In Italien sind es die Grillini vom M5S und ein Teil der Grünen, die sich für das Modell begeistern. Ob es funktioniert? Das wissen bislang weder Befürworter noch Gegner des bedingungslosen Grundeinkommens. Der Grund: Das Modell wurde schlicht und einfach nicht (in begrenztem Versuchsrahmen) ausprobiert.
Sicher ist: Das Hantieren an den Schrauben der bisherigen Sozialgesetzgebung hat bislang eine nachhaltige Stabilität vermissen lassen. Es braucht einen neuen Gesellschaftsvertrag, der die sozialpolitische Schieflage austariert, der nicht zuletzt arbeitslosen Jugendlichen (39 Prozent in Italien) und armen und armutsgefährdeten Familien und Senioren ein annähernd würdiges Leben garantiert. Es braucht einen neuen Gesellschaftsvertrag, der den Fliehkräften in unseren Gesellschaften hin zu den äußersten Rändern Einhalt gebietet. Warum nicht zumindest daran denken?
Wer bei den Ursachen der sich zuspitzenden Polarisierung in unseren Gesellschaften ansetzen will, darf der Frage nach
einer gerechten Verteilung der Kapitaleinkommen nicht aus dem Wege gehen.
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