Leitartikel

Disagio degli Italiani? Selber schuld!

Aus ff 04 vom Donnerstag, den 26. Januar 2017

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Die Italiener in Südtirol werden schwächer. Sie haben es sich in ihrer Schwäche bequem gemacht. Wer kann aus der selbstverschuldeten Unmündigkeit helfen? Nur sie selber.

Der Italiener in Südtirol lebt im „disagio“, oder er hat einen. Das ist bekannt. Der „disagio“ ging so weit, dass die deutsche Athesia den italienischen Alto Adige übernommen hat und die Redaktion darüber froh war, weil sich unter den Italienern vor lauter „disagio“ niemand fand, der den Alto Adige wollte. Was natürlich das „Unbehagen“ (das bedeutet „disagio“ auf Deutsch) noch vergrößert und im Alto Adige weiterhin beklagt wird.
„Unbehagen“ klingt harmlos im Vergleich mit dem Zustand, den „disagio“ bezeichnet. Nämlich die Bedeutungslosigkeit der italienischen Sprachgruppe in Südtirol. So machtlos war sie noch nie.
Die Italiener können die Schuld für ihre bescheidene Performance nicht mehr bei der deutschen Sprachgruppe im Allgemeinen oder der bösen SVP im Besonderen suchen. Sie sind ganz von alleine ins Abseits gelaufen.
Denn statt sich zu erheben und zu engagieren, entschlossen und geschlossen aufzutreten, pflegen sie beispielsweise bei Wahlen Enthaltung. Oder biedern sich derart bei der Südtiroler Volkspartei an, dass es beim Zuschauen wehtut – wie im Fall der PD-Vertreter im Landtag, die der SVP als Mehrheitsbeschaffer dienen. Indem Christian Tommasini und Roberto Bizzo nur ihren eigenen Garten pflegen, haben sie die Bedeutungslosigkeit der Italiener nur noch vergrößert. Und der Rest? Der Rest betreibt Nabelschau wie Alessandro Urzì oder Elena Artioli.
Was für ein politisches Projekt haben die Italiener in Südtirol? Wie weit wollen sie sich auf das Land einlassen? Was wissen sie von seiner Geschichte? Warum ist ihnen das Siegesdenkmal so wichtig? Wer von ihnen hat am Fernseher auch deutschsprachige Programme eingestellt? Wer von ihnen hat ein Abo für die Spielzeit des Südtiroler Kulturinstituts statt für das Teatro Stabile? Und wessen Stimme wird gehört? Keine, man kann sie alle leicht überhören. Ja, gut, manchmal hört man ganz leise die Stimme von Francesco Palermo, aber das Zeug zum Leader hat auch er nicht.

Die italienische Welt, vor allem in Bozen, ist eine Welt der splendid isolation. Man kümmert sich um sich selber, man hat ja noch seine separaten Finanzierungskanäle. Man gab, man gibt sich damit zufrieden und hat nicht gemerkt, dass die einen daneben groß und stark geworden sind. Man hat es sich bequem gemacht in der eigenen Wehleidigkeit. Man muss ja nur schauen, was in Bozen passiert. Die Stadt beklagt sich, dass sie nicht ernst genommen wird, aber wenn sie ernst genommen wird, geht nichts weiter. Darf man sich beklagen, wenn man beim Rennen freiwillig als Schnecke antritt?
Die italienische politische Klasse hat diesen Prozess der Schwächung ordentlich befördert – man muss heute ja einem wie Remo Ferretti nachtrauern, dem verstorbenen ehemaligen Landeshauptmann-Stellvertreter, der kein Heiliger, aber wenigstens ein Politiker war. Er wusste ein paar Leute um sich zu versammeln, heute ist die italienische Politik in Südtirol fragmentierter, als es die italienische Politik insgesamt je war. Sie hat weder inhaltlich noch personell ein Angebot. Geht es so weiter, werden sich die Italiener in Südtirol politisch radikalisieren. Und sei es nur in einer radikalen Politikverdrossenheit.
Die Italiener in Südtirol haben wenig Bedeutung, weil jeder sein Gärtchen pflegt, man sich mit wenig zufrieden gibt. Manchmal wäre es vielleicht besser, nichts zu nehmen, als Vize zu sein. Oder auch als PD zu sagen, die Trennung der Sphären behagt uns nicht – wir können nur verlieren, wenn weiterhin alles so getrennt ist. Früher, da waren es die Italiener, die sich damit nicht abfinden wollten, heute haben sie sich weitgehend in ihre Wohnbau-Festungen zurückgezogen. Helfen kann ihnen niemand, sie werden sich schon selber helfen müssen. 

Die italienische Sprachgruppe in Südtirol hat es sich in ihrer Wehleidigkeit bequem eingerichtet.

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