Die Toponomastik-Frage bietet zurzeit großes Theater – wenngleich auf politisch niedrigem Niveau. Roberto Bizzo spielt darin viele Rollen – Scharfmacher, Aufklärer, Volkesversteher. Blöd nur, dass er gegen seine eigene Partei und noch dazu gegen die SVP spielt.
Leitartikel
Bitterer Nachgeschmack
Aus ff 11 vom Donnerstag, den 16. März 2017
Pius Leitner gehört zum Freiheitlichen Markenkern. Seine Verurteilung und sein Rücktritt sind für die Blauen das Ende einer Ära. Mit Folgen für die Südtiroler Politik insgesamt.
Es gibt Meldungen, bei denen es einem zunächst einmal den Atem verschlägt. Es empfiehlt sich dann, die Sache halbwegs sachlich zu betrachten und sich dem, was man als schwer nachvollziehbar empfindet, mit Vorsicht zu nähern: Pius Leitner, Freiheitlicher Abgeordneter und Fraktionssprecher, wird in erster Instanz zu zwei Jahren bedingter Haft verurteilt. Wegen Veruntreuung von Fraktionsgeldern in der Höhe von 47.265 Euro von 2008 bis 2013.
Das Geld, so der Vorwurf, sei nicht nur für Institutionelles ausgegeben worden, sondern unter anderem für Geschenkkörbe, Maturabälle, eine Pressekonferenz und das berüchtigte Penis-ring-Geburtstagsgeschenk. Die 234.000 Euro, die Leitner im Laufe dieser fünf Jahre aus seiner Tasche auf das Freiheitlichen-Konto eingezahlt hatte, schien das Gericht nicht zu interessieren.
Pius Leitner hat nicht gestohlen. Er hat die Fraktionsgelder nicht für persönliche Zwecke missbraucht. Er hat seine Partei von Beginn an mit eigenem Geld mitfinanziert – 25 Jahre lang.
Ein Urteil ist zu respektieren. Was aber bleibt, ist ein bitterer Nachgeschmack.
Unabhängig davon, ob und inwieweit man zur Freiheitlichen Partei und ihren Positionen steht: Pius Leitner ist, wie es sich viele Menschen von einem Politiker erwarten: seriös, unaufgeregt, uneitel. Im Fokus das politisch inhaltliche Ziel, nicht die eigene Person. Er ist nach dem Landeshauptmann der am meisten gewählte Mandatar, das macht ihn zu einem der gewichtigsten demokratischen Vertreter im Land. Er hat das Landtagsmandat authentisch ausgefüllt, er ist einer, der die Biegungen und Irrungen kennt, die das Leben und das Leben in der Politik oft gehen.
Man könnte jetzt einen Wirbel machen um den umstrittenen Fall. Man könnte den moralischen Zeigefinger erheben. Aber Leitner bekommt ohnehin die Konsequenz mit voller Wucht zu spüren. Aufgrund des „Lex Severino“ wäre er für 18 Monate vom Amt als Abgeordneter suspendiert gewesen. Er aber hat die Reißleine gezogen und sein Mandat zurückgelegt.
Sein Rücktritt ist kein Akt der Schwäche, sondern der Stärke. Der 62-Jährige hat sich gut entschieden. Aussitzen als Mittel der Krisenbewältigung wäre unangebracht gewesen. Mit seinem Rücktritt schützt er sich selbst, er schützt aber auch seine Partei und die Demokratie. Er macht den Weg dafür frei, dass sein Platz im Landtag nachbesetzt wird und damit die von den Wählern 2013 gewählte Gewichtung von Mehrheit und Opposition im Hohen Haus auch weiterhin so erhalten bleibt.
Ein bisschen scheint es in diesen Tagen so, als hielte nicht nur die Blaue Partei, sondern das politische Bozen insgesamt für einen Moment den Atem an. Die Gespräche gehen quer durch die Parteien vor allem so: Ein hartes Urteil. Ein solches Ende der politischen Karriere habe er sich nicht verdient. Das Ganze werfe ein schlechtes Licht auf die Politik insgesamt.
Die Causa Leitner wirft einmal mehr die Frage auf, was Politiker dürfen und wie verantwortungsvoll Politiker mit Fraktionsgeldern umgehen sollten. In der Bewertung sollten dieselben Maßstäbe gelegt werden. Das Ermittlungsverfahren gegen Alessandro Urzì wurde ad acta gelegt, der Vorwurf gegen Mauro Minniti fallen gelassen. Das Verfahren gegen die SVP ist noch offen. Die Causa Leitner bringt nur Verlierer hervor, niemand geht unbeschadet daraus hervor – nicht Leitner, nicht die Freiheitliche Partei, aber auch nicht die Justiz und die Politik.
Es ist keine Anspannung so groß und keine Krise so schlimm, als dass es nicht noch schlimmer kommen könnte. Diese Erfahrung haben die Freiheitlichen des Öfteren in ihrer 25-jährigen Geschichte machen müssen. In diesem Fall liegen die Dinge noch einmal etwas anders: Die Folgen werden auf das politische Leben Südtirols insgesamt eine negative Wirkung entfalten.
Für die Freiheitlichen ist das freilich keine leichte Zeit. Es ist ein bisschen wie ein großes Ein- und Ausatmen. Was dahintersteckt, hat schon Goethe beschrieben; es gibt zweierlei Gnaden beim Atmen: „Die Luft einziehen, sich ihrer entladen; jenes bedrängt, dieses erfrischt; so wunderbar ist das Leben gemischt. Du danke Gott, wenn er dich preßt, und dank ihm, wenn er dich wieder entläßt!“
Weitere Artikel
-
„Ich bin dann mal weg“
Nach seiner Verurteilung im Penisringprozess tritt Pius Leitner aus dem Landtag zurück. Seine lange politische Karriere geht damit ziemlich unrühmlich ihrem Ende entgegen.
-
Das „Toll-Gefühl“ ist zurück
Auf ihrem Bezirkstag im Pustertal zeigt sich die zuletzt schwer angeschlagene SVP wieder putzmunter. Die neue Strategie, heiße Eisen auszuklammern oder auf die lange Bank zu schieben, scheint zu funktionieren – vorerst.
Leserkommentare
Kommentieren
Sie müssen sich anmelden um zu kommentieren.