Leitartikel

Bevor wir es vermasseln

Aus ff 13 vom Donnerstag, den 30. März 2017

Leitartikel
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Unsere Sanität war ein Juwel, auf das wir Südtiroler stolz sein konnten. Jetzt droht alles den Bach runterzugehen. Höchste Zeit, dieses Dauerproblem zur Chefsache zu erklären.

Gibt es einen Bereich in der Südtiroler Sanität, in dem nicht Feuer am Dach ist? Nein, gibt es nicht. Die Sanität ist ­Südtirols Sorgenkind Nummer eins.
Organisation, Verwaltung, Koordination: trotz großspurig angekündigter Reformen ein Flickwerk. Stimmung und Motivation der Mitarbeiter und Ärzte: unter jeder Kanone. Frustrationsfaktor: extrem hoch. Qualität der Dienste: siehe Erste Hilfe im Krankenhaus Bozen.
Das Problem ist nicht neu. Seit Jahren beherrscht die Sanität die Schlagzeilen, seit Jahren schmieden Politik und Management an Konzepten, Reformen und Plänen, die dieses eine Ziel haben: Alles soll besser, effizienter werden.
Wird es aber nicht. Im Gegenteil: Der Eindruck ist jener, dass die Südtiroler Sanität den sprichwörtlichen Bach runtergeht. Wenn ausgezeichnete Ärzte, junge und nicht mehr ganz junge, in diesem System keine berufliche Zukunft für sich erblicken, wenn sie nur deshalb hier arbeiten, weil sie anderswo nichts Besseres finden – oder bestenfalls wegen der schönen Berge und der vielen Sonnentage, dann stellen sie damit der öffentlichen Sanität Marke Südtirol ein schlechtes Zeugnis aus.
Ich persönlich finde, dass die Südtiroler Sanität weit besser ist als ihr Ruf, den sie sich letzthin erarbeitet hat. Wer schon mal sich mit gebrochenem Fuß in ein öffentliches Krankenhaus in Mailand, Sassari oder Bologna schleppen musste, kann das Lamento hierzulande vielleicht gar nicht verstehen.
Aber wir Südtiroler stellen eben in allen Bereichen höchste Ansprüche – und glauben, diesen Ansprüchen dank unserer autonomen Selbstverwaltung und Tüchtigkeit auch gerecht werden zu können. Von außen betrachtet war die Südtiroler Sanität über Jahrzehnte hinweg ein Juwel, um das uns ganz Italien beneidete – und auf das ich Südtiroler stolz sein konnte.
Wie es aussieht, sind wir drauf und dran, es zu vermasseln.
Die Sanität ist eines der Fundamente unserer Gesellschaft. Wir alle haben lange dafür gekämpft (und zahlen viel Geld dafür), dass alle Bürger, egal, ob reich oder arm, eine möglichst umfassende und effiziente öffentliche Betreuung bekommen. Die Zweiklassenmedizin, die in anderen Ländern längst gang und gäbe ist, haben wir Südtiroler immer abgelehnt.

Wie es aussieht, müssen wir uns wohl von der Gewissheit verabschieden, dass unsere Gesundheit in der öffentlichen Sanität in guten Händen liegt. „Ich geh nicht ins Krankenhaus, ich geh ins Brixsana“, wird zum geflügelten Wort.
Die gute Nachricht: Kommende Woche wird der Landtag die Sanitätsreform behandeln. Die schlechte: Quer durch die Parteien überwiegt die Einsicht, dass diese Reform zu halbherzig, zu schwach, also im Grunde ungeeignet ist, das Problem bei der Wurzel zu packen.
Diese Reform ist wie ein Pflaster. Ob damit die pathologischen Krankheiten, an denen die Südtiroler Sanität leidet, geheilt werden können, muss bezweifelt werden.
Wie weit muss das Fieber ansteigen, um die Frage nach der politischen Verantwortung zu stellen? Wie akut müssen die Konflikte werden, um der Landesregierung einen Ruck zu geben?
Nichts für ungut, Martha Stocker. Ich anerkenne Ihr Bemühen, Ihren Fleiß, finde aber, der Brocken ist zu groß für Sie, Ihr Rücken zu schmal, um dem vielen Gegenwind zu trotzen. Es ist ja kein Zufall, dass die Sanität niemand ­haben wollte.
Welcher Bereich hat das Zeug, zur Chefsache erhoben zu werden, wenn nicht die Sanität? Deshalb: Landeshauptmann Arno Kompatscher, krempeln Sie die Ärmel hoch, übernehmen Sie! Bevor es zu spät ist.

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