Kaltes Wetter, volle Busse und Rush-hour-Staus waren gestern: Wenn der Frühling kommt, steigt die Lust, bereits auf dem Weg zur Arbeit Sonne und frische Luft zu tanken. Eine kleine Typologie der Fortbewegungsmittel.
Leitartikel
Ruhe bewahren
Aus ff 14 vom Donnerstag, den 06. April 2017
Darf man mit einem Neofaschisten reden und sich gar mit ihm fotografieren lassen? Im Zweifelsfall gilt: Solchen Personen recht geben, wo sie recht haben – das Fehlerhafte und Unmenschliche ihrer Überzeugungen aber schonungslos aufzeigen.
In den vergangenen Monaten haben die Freiheitlichen alles Mögliche unternommen, um ihren Ruf zu ruinieren. Die zumindest von einigen als solche empfundene Obstruktionspolitik ihres Parteiobmannes zum Sanitätsgesetz, das zähe Ringen des neuen alten Freiheitlichen Hannes Zingerle um seinen Wiedereintritt in die Partei, unflätige mediale Zwischenrufe einzelner Parteiexponenten – und nun dieses Foto von Ulli Mair mit dem Neofaschisten Andrea Bonazza.
Das Bild zeigt die Fraktionssprecherin der Freiheitlichen und den Frontmann von CasaPound bei einem Bikertreffen in Bozen, die beiden lachen, ein Arm Bonazzas liegt über Mairs Schulter. Die Empörung und Aufregung darüber folgte prompt, in den sozialen Medien – aber auch in der blauen Partei selbst. Obmann Walter Blaas keifte, der Ehrenobmann Pius Leitner solle öffentlich zu dem Foto Stellung nehmen. Dieser konterte, die Ulli wisse schon, was sie tue. Wenn der Obmann meine, dass man zu dem Foto etwas sagen müsse, solle er das tun.
Es kommen hier zwei Aspekte zum Vorschein, und es lohnt sich, noch einmal genauer darauf zu schauen. Erstens: Wie geht man mit Rechtsextremisten und Faschisten um? Soll man sie ausgrenzen oder mit ihnen reden? Zweitens: Was ist bloß los in Südtirols größter Oppositionspartei?
„Als gewählte Volksvertreterin rede ich mit allen, die das Gespräch mit mir suchen“, erklärt Ulli Mair auf ihrer Facebook-Seite. „In einer Demokratie darf es keine Ausgrenzung geben. Ganz im Sinne von Voltaire.“ Nun wäre die Verweigerung zwischenmenschlicher Höflichkeitsformen wahrlich nicht praktische Politik. Die Rechtsextremen verschwinden nicht, nur weil man ihnen den Gutentaggruß verweigert. Im Gegenteil. Sie könnten noch stärker werden.
Etwas anderes ist es, wenn man sich in ihren Diskurs verstricken lässt. Wenn jemand ein so geschlossenes Weltbild hat wie Neofaschisten, ist jede Diskussion nutzlos. Weil sie jede Gelegenheit nutzen, um ihre Propaganda zu verbreiten. Jeder Demokrat hat die Pflicht, gegen Rechtsextremisten und Neofaschisten vorzugehen und ihr lügnerisches Verhalten jedes Mal zum Thema zu machen. Man muss sich klar sein, mit wem man es zu tun hat: Wenige Tage zuvor hatten Freunde von Bonazza diesem zu seinem Geburtstag den „saluto romano“ gezeigt – in Italien eigentlich per Gesetz verboten.
Natürlich soll man allen Menschen mit Respekt begegnen, das gebietet die Menschenwürde. Das heißt aber nicht, dass man auch ihre Überzeugungen respektieren muss. Es ist also gut, wenn wir uns über solche Vorfälle wie das Foto aufregen. Aber manchmal ist auch Mäßigung angebracht: Einen Tag aufregen ist in Ordnung. Aber die dritte und vierte Meldung darüber ist nervig – und unterstützt solche Antisystemparteien nur noch mehr bei der Eskalation.
Das Zweite freilich ist das Spektakel, das die Blauen selbst aufführen rund um diese vermeintliche Foto-Affäre. Sie tragen ihren Machtkampf in aller Öffentlichkeit aus, ein bisschen wirkt das Ganze wie der Beginn eines politischen Selbstmordversuches. Das Erfolgsprinzip der Freiheitlichen war seit jeher die Geschlossenheit. Ihr Mantra lautete: Mit einer Stimme sprechen, zusammenstehen, auch wenn die Zeiten noch so schwierig sind. Jetzt, nach dem Ausscheiden des Freiheitlichen-Frontmannes Pius Leitner aus dem Landtag, scheint die Fraktion in zwei Lager gespalten: hier die neue Fraktionssprecherin Ulli Mair, dort Noch-Obmann Blaas.
Für den Umgang mit Rechtsextremisten oder das irrationale Verhalten der Blauen untereinander lehrt das Foto-Beispiel: Im Zweifelsfall die Ruhe bewahren, tief durchatmen. Weil, wer brüllt, hat selten recht.
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