Suizid – Statistik: (lp) 55 Menschen haben sich 2015 in Südtirol das Leben genommen, das sind 12 mehr als noch fünf Jahre zuvor. ...
Leitartikel
Fehlende Weitsicht
Aus ff 20 vom Donnerstag, den 18. Mai 2017
Der Alpenverein Südtirol will die Namen seiner Schutzhütten nur mehr auf Deutsch kommunizieren. Eine rückwärts gewandte Politik, die die zweisprachige Realität des Landes ignoriert und nicht nur Mitglieder italienischer Muttersprache vor den Kopf stößt.
Wir begegnen uns mit Respekt und sind tolerant zueinander“. So steht es im Leitbild des Alpenvereins Südtirol aus dem Jahr 2014. Ein schöner und guter Leitgedanke, möchte man meinen. Dass es der Verein mit seinen Vorsätzen aber nicht immer so genau nimmt, lässt sich an seinen jüngsten Anstrengungen erkennen: Er streicht konsequent die italienischen Bezeichnungen seiner insgesamt zwölf Schutzhütten. Das zeugt nicht nur von Intoleranz und Respektlosigkeit gegenüber der italienischen Sprachgruppe – es ist auch (vereins-)politisch bedenklich.
Der AVS ist kein beliebiger kleiner Verein. Er gehört mit knapp 67.000 Mitgliedern zu den größten im Lande und ist mit 35 Sektionen samt 58 Ortsstellen auf ganz Südtirol verteilt. In seinem Leitbild heißt es deshalb auch: „Wir sind kein herkömmlicher Wirtschaftsbetrieb, sondern ein Bergsteigerverein, ein Naturschutzverein, ein Kulturverein und vieles mehr. In unseren Mitgliederreihen stehen Jugendliche neben Senioren, Familien neben Einzelmitgliedern, Ehrenamtliche und Hauptamtliche, und alle sind verschiedenen sozialen Schichten und politischen Schattierungen zuzuordnen.“
Eben weil sich im AVS eine breite gesellschaftliche Realität widerspiegelt und er auch Dienste im öffentlichen Interesse vertritt, ist er mehr als nur ein anerkannter Verein des Privatrechts. Dass nun ein solcher Verein hergeht und vom Pächter einer seiner eigenen Schutzhütten verlangt, die (zweisprachigen) Speisekarten neu zu drucken, nur weil auf dieser neben dem deutschen auch der italienische Hüttenname aufscheint, klingt lächerlich, ist unzeitgemäß und ist politisch alles andere als auf Konsens und Respekt ausgelegt. So geschehen auf der Dreischusterhütte in Innichen. Rifugio Tre Scarperi war einmal, nun gibt es neben der Dreischusterhütte nur mehr ein Rifugio Dreischusterhütte. Die Maßnahme zeigt, dass die jetzige AVS-Führung noch immer in der (gewiss leidvollen) lokalen Geschichte hängen geblieben ist. Sie ist politisch immer noch nicht in jenem modernen Südtirol angekommen, in dem die Zweisprachigkeit nicht als Pflicht, sondern als Chance erkannt wird.
Mag die Vereinssprache Deutsch sein und sich der AVS auch als „Vereinigung der deutsch- und ladinischsprachigen Bergsteigervereine in Südtirol“ verstehen, wie es in seiner Satzung heißt – rechtfertigt das die Streichung eines Namens, den die italienische Sprachgruppe schon lange als den ihren erkennt? Wo will man hin mit dieser Politik? Südtirol seit 1.200 Jahren deutsch?
Die AVS-Maßnahme, so ortsbezogen und kleinlich sie auch sein mag, hat Signalwirkung – auch für AVS-Mitglieder. Mit dieser Woche hat der Chef der Bergrettung Innichen seinen Austritt aus dem AVS erklärt. Fabian Ferrari, so heißt der Mann, dem familiär bedingt, beide Kulturkreise Heimat sind, will ein Zeichen setzen.
Detail am Rande: Der Bergrettungsdienst (BRD) im Alpenverein setzt die Mitgliedschaft im AVS voraus. Es wird also kommen, wie es kommen muss: Der Chef der Bergretter vor Ort wird wohl seines ehrenamtlichen Amtes enthoben werden müssen (falls nicht noch der BRD selbst auf den Plan tritt). Weil man sich im AVS lieber an einmal „gefällte Beschlüsse“ hält als an eine Weitsicht, die man als Bergsteigerverein, der eine Wertegemeinschaft bieten will, haben sollte.
Auch ich bin AVS-Mitglied. Wenn ich konsequent bin, habe auch ich mir die Frage zu stellen, was mich weiterhin in einem Verein hält, der auf eine solche Politik setzt. Zeit für eine Mitglieder-Umfrage.
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