Wo Konsens vorgeschrieben, wo er unerwünscht ist: Gastkommentar von Thomas Benedikter in ff 21/17
Leitartikel
Wenn alles beim Alten bleibt
Aus ff 22 vom Donnerstag, den 01. Juni 2017
Der Autonomiekonvent endet wie das Hornberger Schießen: viel Blabla, null Ergebnisse. Das ist schlecht für unser Land – und gefährlich zugleich. Ausgerechnet die SVP, also die Autonomiepartei, hat es so gewollt.
Wie es aussieht, sind wir drauf und dran, eine Chance zu vermasseln. Zum Glück schaut niemand zu: Ansonsten würde die Welt merken, dass wir Südtiroler zu faul, zu träge, zu eingebildet, zu zerstritten, vor allem aber zu deppert sind, das Fundament unserer Gesellschaft, die Autonomie, zu erneuern.
Es wäre höchst an der Zeit: Das Autonomiestatut stammt aus dem Jahr 1972. Damals gab es noch eine Mauer, die den freien Westen vom kommunistischen Osten trennte. In Südtirol gab es ebenfalls eine Mauer, wenn auch eine unsichtbare: hier die Deutschen, dort die Italiener. Dass man es auch gemeinsam versuchen könnte, galt damals als Utopie, ja als gefährliche Schnapsidee der Assimilierer.
Das Autonomiestatut stammt aus einer Welt, die es nicht mehr gibt. Es zu erneuern, wäre höchste Eisenbahn. Es nicht zu erneuern, birgt die Gefahr, dass andere Kräfte – in Rom oder in Brüssel – es irgendwann aushebeln, es für nicht mehr zeitgemäß erachten und auf die Müllkippe der Geschichte werfen. Die Gefahr ist groß, wenn wir nicht vorsorgen.
Die Aufgabe, das Statut neu zu schreiben, hat man dem „Konvent“ aufgetragen. Dort sitzen mehr oder weniger kluge Köpfe – viele Schützen, wenige Italiener, viel Opposition –, die eigentlichen Autonomieprofis sind im Konvent aber ebenso wenig vertreten wie Führungsexponenten der SVP. Es sieht ganz so aus, als habe man den Konvent bewusst so zusammengeschustert: damit ja nichts Gescheites rauskommt, damit ein Scheitern vorprogrammiert ist.
Ich hatte gehofft, dass die „Renovierung“ des Autonomiestatutes unsere Gesellschaft auf eine neue Ebene heben würde. Dass die Autonomie, die ursprünglich und zu Recht vor allem den Minderheitenschutz zum Ziel hatte, jetzt generell als einzigartiges Verwaltungsmodell für unser Land konzipiert würde. Ich hatte gehofft, dass das neue Statut jene Ära überwinden würde, die vom Wortungetüm Sprachgruppenzugehörigkeitserklärung dominiert war. Dass wir uns jetzt auf die eigentlichen Stärken unseres Landes konzentrieren könnten: Was unterscheidet uns von anderen Regionen? Wo können wir Exzellenz bieten? Was muss passieren, dass drei Sprachgruppen sich nicht gegenseitig im Wege stehen, sondern ihre Kräfte bündeln, ihr Potenzial entfachen?
Und nicht zuletzt: Wie muss das Autonomiestatut aussehen, damit andere es nicht als Privilegienstadel für eine verwöhnte Minderheit betrachten, sondern als nachahmenswertes Modell, das als Vorbild für andere Regionen taugt?
Wie es aussieht, endet der Konvent wie das sprichwörtliche Hornberger Schießen: viel Blabla, keine konkreten Ergebnisse.
Das liegt nicht daran, dass bizarrerweise die Schützen den Konvent dominiert haben. Das liegt auch nicht am Versuch der Grünen, am Artikel 19 zu rütteln, in der Hoffnung, die gemischtsprachige Schule einzuführen.
Wenn der Konvent zur Blamage wird, dann sind die Schuldigen in der SVP zu suchen. Diese Partei war letzthin vor allem mit sich selbst beschäftigt. Für Zukunftsfragen blieb und bleibt weder Zeit noch Lust. Nur keine schlafenden Hunde wecken, scheint die Devise zu sein.
Vor wem fürchtet sich die SVP? Vor der Handvoll Schützen? Vor einem Sven Knoll? Vor den zerstrittenen Blauen? Ich denke: Sie fürchtet sich vor sich selbst.
Wer nicht weiß, wohin die Reise gehen soll, versauert in der Lassen-wir-alles-beim-Alten-Politik. Ein gefährliches Spiel. So riskiert die SVP, das Heft der Autonomie, ihr Steckenpferd, Südtirols höchstes Gut, aus der Hand zu geben.
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