Leitartikel

Politische Blindverkostung

Aus ff 28 vom Donnerstag, den 13. Juli 2017

Leitartikel
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Geht es in der Politik wirklich um die Menschen? Warum der Stil der aktuellen Landesregierung daran oft zweifeln lässt.

Landeshauptmann Arno Kompatscher und sein Regierungsteam haben zu ihrem Antritt vor über drei Jahren Transparenz versprochen. Das ließ viele hoffen. Das Versprechen war aber auch anfällig für Missverständnisse. Weil die Bürger, aber auch viele Politiker im Land diese Transparenz anders, wörtlich verstanden haben dürften. Sie wollten Durchblick. Sie wollten hinter dem Filz aus Verdrängung und Vertuschung endlich erkennen, wie die Dinge in diesem Land zustande kommen.
Der Landeshauptmann hat seit seinem Antritt mit viel Ausdauer und Geschick dieses Land geführt. Das ist ein Verdienst, das leicht unterschätzt wird, weil politische Stabilität selbstverständlich geworden ist. Jedoch steht der Beweis noch aus, dass das Transparenzversprechen ernst gemeint war. Und viele Menschen sind sich plötzlich nicht mehr so sicher, ob es in der Politik noch um sie geht oder am Ende vielleicht doch nur um Machtgehabe.
Die Regierung ist ziemlich oft mit Blaulicht unterwegs. Sie trifft viele wichtige Entscheidungen außerhalb der Tagesordnung einer Regierung. Sie erstellt nach wie vor in alter Tradition Omnibusgesetze, obwohl man doch auf dieses Paragraphensammelsurium verzichten wollte. Sie legt den Gesetzgebungskommissionen im Landtag neue Gesetze oder Abänderungsanträge im allerletzten Moment vor.
Die Landesräte rennen und machen und tun, sie scheinen ständig mit Rettung und Noteinsätzen beschäftigt. ­Beschlüsse mit Vorlaufzeit zu behandeln, mit Zeit für Recherche, Studium und Debatte, scheint ein No-Go. Warum eigentlich?

Die Grüne Landtagsfraktion stellte vor rund zwei Monaten eine interessante ­Landtagsanfrage. Sie wollte wissen, wie viele Entscheidungen die Landesregierung mit Beschlüssen „fuori sacco“ seit Beginn dieser Legislatur getroffen hat. Also mit Beschlüssen zu Themen, die von den Landesräten erst im letzten Moment, und damit außerhalb der Tagesordnung, vorgelegt wurden. Die Antwort lässt aufhorchen. Sie offenbart, dass die Landesregierung verdächtig häufig auf diese Beschlüsse „fuori sacco“ zurückgreift – und zwar ausgerechnet bei heiklen Themen.
Mit Last-minute-Beschlüssen wurde unter anderem die Geburtenstation Innichen geschlossen, wurden teils Bezirks- und Sanitätsdirektoren ernannt, wurden die Finanzen geregelt, die zum „Sicherungspakt“ von 2014 geführt haben, wurde die Reorganisation des Energiesektors nach dem Sel-Skandal beschlossen, auch die Affäre Brennercom oder die Ernennung von Marco Pappalardo zum Direktor der Presse- und Kommunikationsagentur der Landesregierung gründen auf solchen angeblich dringlichen Beschlüssen.
Zeit, sich näher mit deren Inhalt zu beschäftigen, sich also vorzubereiten, bleibt den anderen Landesräten so freilich nicht. Dagegen aufgemuckt hat bislang niemand. Eigenartig, denn transparent oder partizipativ ist diese Art von Entscheidungsfindung nicht.

Oder, anderes Beispiel. Diese Woche wird Landesrat Philipp Achammer sein Konzept zur Reorganisation des Deutschen Bildungsressorts der Öffentlichkeit vorstellen. Verpackt hat er es als Zusatzartikel im Finanzgesetz zum Nachtragshaushalt, der Ende Juli im Landtag behandelt werden wird. Eingebracht hat er diesen Abänderungsantrag vergangene Woche in der zuständigen Gesetzgebungskommission – wie kann es anders sein – im letzten Moment.
Trotz des Sinns dieser Reform, die im Übrigen alle begrüßen, bleibt ein schaler Geschmack. Die Möglichkeit für die Kommissionsmitglieder, sich noch einmal eingehender mit der Bedeutung dieser Neuerung auseinanderzusetzen, fällt so durch den Rost. Es ist eine Art politische Blindverkostung. Wirklichen Durchblick kann es damit nicht geben.

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