Sechs Monate hat Roland Wasserer auf ein Spenderorgan gewartet. Seit mehr als einem Jahr lebt er mit einem neuen Herzen. Die Geschichte einer Transplantation. Von Elisabeth Pörnbacher
Leitartikel
Wahn und Visionen
Aus ff 32 vom Donnerstag, den 10. August 2017
Die Südtiroler Volkspartei schwört sich auf den Kurs der absoluten Mehrheit ein. Das sagt viel über den Zustand der Partei aus. Und ihr Gespür für gute Unterhaltung.
Die SVP ist eine ziemlich große Partei. Und deren Bedeutung, das findet sie vor allem selbst, kann man kaum überschätzen. In Zeiten, in denen es mal ganz gut läuft, stellt sie sich gerne noch ein bisschen größer dar, als sie wirklich ist. Das darf sie natürlich, es ist ihr gutes Recht. Nur sollte sie auch selbstbewusst genug sein, auch zu ihren Fehlern zu stehen und, wenn nötig, auch mal Tacheles zu reden.
Solche Gedanken hat man, wenn man den Bezirksparteitag der SVP Bozen Stadt und Land vom vergangenen Samstag verfolgt hat. Der Bezirk ist kein unbedeutender, ihm entstammen immerhin Landeshauptmann Arno Kompatscher, die stellvertretende SVP-Obfrau Angelika Wiedmer und der Arbeitnehmervorsitzende Helmuth Renzler. „Wir werden die absolute Mehrheit packen“, lautete der Schlachtruf, der von Schloss Prösels ausging. Man müsse an der „Vision Autonomie“ weiterarbeiten, so könne man auch voller Selbstbewusstsein in das Wahljahr gehen.
Die absolute Mehrheit ist das Zauberwort, das die Partei wie ein Mantra vor sich her spricht, seit Parteiobmann Philipp Achammer es in diesem Frühjahr erstmals laut ausgesprochen hat. Es ist schön, die große Partei mit so viel Optimismus und, ja, auch einer Spur Größenwahn zu sehen. Nein, ganz ehrlich. Es wäre langweilig, wenn sie sich in ihr Schneckenhaus zurückziehen und sich selbst bemitleiden würde. Eine kämpferische SVP ist die beste Voraussetzung für einen spannenden Wahlkampf. Sie lässt bereits jetzt klar durchblicken, dass sie keinen Bock mehr hat auf einen italienischen Koalitionspartner, ja, überhaupt auf keinen Partner. Man muss ihr eines lassen: Sie hat einen starken Willen – und ein Gespür für gute Unterhaltung.
Zu den herausragenden Merkmalen der SVP zählt unter anderem auch der Schwund: Die Edelweiß-Partei verliert seit Jahren beständig an Mitgliedern. Bei Wahlen erreicht sie schon lange nicht mehr die Ergebnisse wie in ihren Glanzzeiten. Bei den Landtagswahlen 2008 verlor sie erstmals seit 60 Jahren die absolute Mehrheit der Stimmen, 2013 dann auch die absolute Mehrheit an Mandaten. Zur Rückgewinnung der alten Stärke wird sie sich einiges Erfolgversprechendes einfallen lassen müssen. Der Bozner SVP-Bezirk versucht es mit dem Motto „Südtirol: selbstbewusst und selbstbestimmt“. Man setzt auf das Thema Autonomie – für die SVP der wahre Weg der Selbstbestimmung. „Visionen“ wie Grenzverschiebungen oder -wiederherstellungen wird es mit der SVP jedenfalls nicht geben.
Zugegeben, sie hat sich ein hehres Ziel gesetzt (wobei noch unklar ist, ob sie die absolute Mehrheit an Stimmen oder Mandaten meint). Trotzdem sollte man eine SVP nie unterschätzen. Die Energie für die eigene Selbsterhaltung ist immer noch sehr vital. Und wenn es darauf ankommt, beweist die Partei oft erstaunliche Geschlossenheit. Dazu gesellt sich die Südtiroler Eigenart, dass die Südtiroler Neues nur sehr schwer akzeptieren und auch nur dann, wenn es erkennbar besser ist als das Alte.
Nun, dem Land Südtirol geht es gut. Während die Welt aus den Fugen geraten scheint, ist zwischen Brenner und Salurn noch vieles in Ordnung. Das spüren auch die Oppositionsparteien. Obwohl die SVP genügend Vorlagen bietet und so manchen strategischen Fehler macht, kann die Opposition nicht davon profitieren.
Der Freiheitliche Obmann Andreas Leiter-Reber versucht es in diesen Tagen zumindest. In einer Pressemitteilung amüsiert er sich über die vom Landeshauptmann angemahnten „Visionen“. Das einzig „Visionäre“ von Kompatscher seien die „pompösen Treffen mit einigen Herren und wenigen Damen aus der großen Weltpolitik“ gewesen. „Wer solche Visionen verfolge“, so Leiter-Reber, „solle zum Arzt gehen.“
Das hat dem Blauen-Obmann einige mediale Aufmerksamkeit geschenkt. Der Vollständigkeit halber muss man aber ergänzen, dass diesen Satz der frühere Bundeskanzler Helmut Schmidt geprägt hat. „Wo ist Ihre große Vision?“ Auf die „dusselige Frage“, so erzählte es Schmidt einmal, habe er die „pampige Antwort“ gegeben: „Wer eine Vision hat, der soll zum Arzt gehen.“
Visionen hin oder her, der Wahlkampf in Südtirol ist definitiv eröffnet.
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