seit Jahrzehnten beherrschen zwei ungeschriebene Regeln den öffentlichen Umgang mit der weiblichen Menstruation: verschweigen und verstecken. Frauen ...
Leitartikel
Mehr vom Bär
Aus ff 34 vom Donnerstag, den 24. August 2017
Der Star des Sommerlochs: Einst kamen politische Hinterbänkler zu Ehren, nun macht ein Bär die Schlagzeilen. Und das gleich in doppelter Ausführung.
Es ist ein ganz besonderes Phänomen. Alle Jahre taucht es, freilich vollkommen unerwartet, auf und versetzt die Medienwelt in Aufregung: das Sommerloch. Für die Journaille eine schwere Zeit. Worüber soll man auch schreiben, wenn Politiker und Möchtegernpromis Ferien machen? Jedoch ist so ein Sommerloch auch für den Politikbetrieb immer ein bisschen gefährlich. Denn gerade dann, wenn alle glauben, es passiert nichts, schlagen die Blitze unausgelasteter Zeitgenossen manchmal unbarmherzig ein.
So geschehen auch in diesem Sommer. Während der Wanderpokal für den Sommerloch-Star in Vergangenheit meist an Oppositionspolitiker à la Andreas Pöder ging, kann er dieses Jahr einem besonderen Zeitgenossen gegeben werden: dem Bären. Und das gleich in doppelter Ausführung.
Eine erschossene Bärin im Trentino und ein Herr namens Karl Bär reichen in inhaltsarmen Zeiten aus, damit es in unserem Land ein bisschen Bumm macht. Na ja, vielleicht liegt es tatsächlich an der Jahreszeit und an der Hitze. Die zwei Bären jedenfalls liefern viel Stoff, um das Sommerloch zu stopfen.
Zu Bär Nummer 1: Vor zwei Wochen wurde auf Anordnung des Trentiner Landeshauptmannes Ugo Rossi die Bärin KJ2 erlegt. Aus Sicherheitsgründen. KJ2, Bärin des Projekts Ursus, hatte in den Wochen vorher Mist gebaut. Sie hatte Menschen angegriffen, also musste sie weg. Das kam ganz schlecht an, vor allem bei den vielen Bärenfreunden, die Bären zwar sehr süß finden, sich aber sonst eher weniger gut auskennen.
Nachdem sie erlegt war, brandete eine Wutwelle heran. Am vergangenen Samstag demonstrierten rund 200 Tierschützer in Trient gegen das „mörderische Trentino“. Es gibt die übliche Flut an Leserbriefen und Schlagzeilen. Das Bärenansiedlungsprojekt Life Ursus, sagte schließlich auch Landeshauptmann Arno Kompatscher, sei zu überdenken. Auch der Umgang mit den Wölfen habe die Schmerzgrenze erreicht.
Bleibt zu hoffen, dass von der sommerlichen Bärengeschichte zumindest eine Erkenntnis bleibt: Niemand sollte erwarten, dass sich ein Bär wie ein scheues Reh verhält. Es ist Überzeugungs- und Aufklärungsarbeit nötig, frei von Kuschelromantik und Panikmache. Ein Braunbär ist kein Schmuseteddy, aber auch kein Killer.
Kommen wir zu Bär Nummer 2: Dieser ist kein richtiger Bär, sondern heißt nur so, hat aber in den vergangenen Wochen auch für ziemlichen Wirbel gesorgt. Karl Bär und sein Umweltinstitut München verursachten mit der frechen Plakataktion „Südtirol sucht saubere Luft“ einen ganz schönen Rumpler. Südtirol müsse sich entscheiden, so der Herr Bär, was es sein wolle: Urlaubsland oder Pestizidtirol?
Der Skandal jedenfalls war perfekt. In Südtirol fand man das Ganze freilich gar nicht witzig. Bären haben oft ja auch etwas Schlitzohriges. Vielleicht haben Umweltinstitut und Bär ja mit Absicht gewartet, bis ganz Südtirol im Urlaub entschwunden ist und das Plakat umso deutlicher zu sehen ist. Der politische Reflex darauf war, dass zunächst einmal gleich mit Klage gedroht wurde. Kann man machen, muss aber nicht sein. Ein bisschen weniger Hysterie und etwas mehr Gelassenheit täte unserem Land in dieser Angelegenheit gut. Die Debatte nämlich zeigt, dass die Aktion einen wunden Punkt trifft. Im Grunde weiß man ja selber, dass man längst Antworten finden muss, wie Südtirols Landwirtschaft der Zukunft aussehen könnte beziehungsweise sollte.
Das giftige Hickhack wird wohl noch ein Weilchen andauern. Das Umweltinstitut hat jedenfalls verkündet, bereits neue Plakate mit einem neuen Motiv gedruckt zu haben. Und auch die Opposition hat noch zum traditionellen politischen Sommerloch-Streit gefunden. „Inwiefern spielen hier die Südtiroler Grünen eine organisatorische Rolle und gehören zum Netzwerk von Bär“, fragt der Freiheitlichen-Abgeordnete Sigmar Stocker. Die Grünen beruhigen: Man habe mit der Kampagne nichts zu tun. Und: „Wenn Stocker uns Grüne stets als Verbotsfetischisten etikettiert, so könnte er ruhig einmal darüber nachdenken, wie er mit ungeliebter Gegenmeinung umgeht.“
Auch der schönste Sommer geht einmal zu Ende. Dann landet jeder da, wo er landen muss – auf dem Boden der Tatsachen.
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