Leitartikel

Und sie dreht sich doch

Aus ff 05 vom Donnerstag, den 01. Februar 2018

Zitat
© ff-Grafik
 

Wenn mit der Verleihung der Ehrenzeichen des Landes Tirol tatsächlich Zeichen gesetzt werden sollen, dann weht am diesjährigen Andreas-Hofer-Tag viel Frischluft über den Brenner nach Südtirol – zum Entsetzen von Eva Klotz & Co.

Das mit den Ehrenzeichen ist so eine Sache. Lange, zu lange hatten sie einen schalen Beigeschmack.
Das lag nicht an den Personen, die geehrt wurden. Es lag am Auswahlverfahren. Um so einen Klunker umgehängt zu bekommen, musste man erstens deutsch sein und zweitens aus dem richtigen Stall kommen. Außerdem war schwer nachvollziehbar, warum Leute für Tätigkeiten geehrt werden, für die sie jahrzehntelang ordentlich, man könnte auch sagen fürstlich, entlohnt wurden. Was Wunder also, wenn Vox populi meinte, das politische Establishment ehre damit in erster Linie sich selbst und, wenn etwas übrig bleibt, seine Wasserträger und Schulterklopfer.
Im Jahr 2008 hat Südtirol eigene Ehrenzeichen eingeführt. Dies hat „draußen“ für Verstimmung und generell für Verwirrung gesorgt. Noch dazu, wo Tirol Jahr für Jahr nicht nur die Ehrenzeichen, sondern auch noch 48 Verdienstkreuze, 192 Verdienstmedaillen und hin und wieder auch den Ring des Landes Tirol vergibt.
Gewiss, es gibt viele Menschen, die geehrt werden möchten und es sich auch verdienen. ­Allerdings führte die Vervielfältigung der Ehrerei zu einer Inflation – und zu einer peinlichen Hackordnung: Wer „nur“ eine Verdienstmedaille erhält und nicht das Ehrenzeichen, muss sich fragen: Was habe ich falsch gemacht im Leben?
Außer Frage steht: Das Ehrenzeichen des Landes Tirol ist die Nummer eins in der Rangordnung: weil pro Jahr höchstens 12 verliehen werden (davon in der Regel an drei Südtiroler), weil die Verleihung am 20. Februar, also am symbolträchtigen Andreas-Hofer-Tag stattfindet, und weil sich damit die höchste politische Stelle für – ich zitiere – „hervorragendes öffentliches und privates Wirken zum Wohle des Landes Tirol“ bedankt. Die Ehrenzeichen werden von und in Innsbruck verliehen, die Namen der zu ehrenden Südtiroler werden allerdings von der Regierung in Bozen ermittelt.
Die diesjährigen Namen sind eine faustdicke Überraschung: Margit Fliri Sabbatini, die langjährige Richterin, okay, die konnte man auf dem Zettel haben, Josef Stricker und Aldo Mazza hingegen nicht.
Der Arbeiterpriester, so wird Stricker genannt, hat sein Engagement für die Armen und Schwachen und für seine linken Überzeugungen eine Zeit lang mit einer Art Berufsverbot bezahlt. Jetzt wird er für besondere Verdienste um das Land Tirol geehrt.
Aldo Mazza stammt aus Kampanien, er kam als Lehrer nach Südtirol und blieb – weil er sich nicht nur in eine deutschsprachige Südtirolerin verliebte, sondern auch in dieses Land. Mazza, der Vater des Sprachenlabors Alfa&Beta, in beiden Kulturen zu Hause, im Fußball ein „tifoso“ von Napoli und des FC Obermais. Er, der „terrone“, der zum Südtiroler geworden ist, der keine Chance hätte auf den Unfug namens doppelte Staatsbürgerschaft, wird jetzt für besondere Verdienste um das Land Tirol geehrt.
Noch in den Neunzigerjahren galten Leute wie Stricker und Mazza beim politischen Establishment nicht als richtige Südtiroler. Eher sah man sie als Nestbeschmutzer und Verräter, die es nach Möglichkeit auszugrenzen galt.
Dass solche Menschen jetzt geehrt werden, noch dazu am 20. Februar, dürfte Eva Klotz & Co. Bauchschmerzen verursachen. Mich freut es närrisch – für die Geehrten, für Südtirol. Diese Verleihung reißt Mauern nieder, bringt Frischluft über den Brenner, erinnert an zwei Stärken unseres Landes, die immer wieder unter den Teppich gekehrt werden: Mehrsprachigkeit und ­soziale Verantwortung.
Wenn das Spielchen mit der doppelten Staatsbürgerschaft der vielleicht letzte Versuch ist, das Rad der Geschichte zurückzudrehen, liefert ­diese Ehrung die richtige Antwort. Südtirol, Land der drei Sprachgruppen und Kulturen, hat keine Angst vor kritischen Köpfen, ja braucht diese Vielfalt, um nach vorne zu kommen.
Der Andreas-Hofer-Tag sagte mir bislang ­wenig bis nichts. Den kommenden 20. Februar ­werde ich mir dick anstreichen.

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