Ein Künstler hat es nicht leicht. Vor allem einer wie Jörg Zemmler. Ein Getriebener und Rastloser, der die ganze Energie in seine Arbeit steckt. Und es doch nicht auf der Erfolgsleiter nach oben schafft.
Leitartikel
Himmel, es ist verspielt
Aus ff 07 vom Donnerstag, den 15. Februar 2018
Felix Baumgartner hält die Gedenkrede bei der diesjährigen Andreas-Hofer-Gedenkfeier. Der Stratosphären-Springer fiel letzhin auf durch sexistische und fremdenfeindliche Äußerungen.
Jede Gesellschaft braucht Vorbilder. Sie geben dem Einzelnen Orientierung und sorgen für den Zusammenhalt einer Gemeinschaft. Entsprechend müssen die Heldinnen und Helden einer eingehenden Prüfung standhalten.
Das ist, zugegebenermaßen, eine sehr banale Weisheit. Aber man muss immer wieder daran erinnern. Menschen vorschnell auf ein Podest zu heben, das kann oft fatale Konsequenzen haben.
In Südtirol werden Helden gerne gehegt und gepflegt. Gedenktage wie jener vom 20. Februar, der Hinrichtung von Andreas Hofer in Mantua im Jahr 1810, gehören zur verordneten Gedächtnispolitik. In den Augen seiner Verehrer ist der Passeirer Sandwirt und Schützenhauptmann heute noch ein Held, alljährlich im Februar gedenkt man seiner und erinnert an sein ach so tapferes Bemühen um die ach so geliebte Heimat.
Zur traditionellen Feier eingeladen wird stets ein Festredner, und mit dabei sind immer auch SVP-Politiker, die bei solchen Anlässen gerne ihre patriotische Seite demonstrieren.
In diesem Jahr dürfte die Gedenkfeier des Südtiroler Schützenbundes in Meran jedenfalls nicht langweilig werden. Wegen des Gastredners. Und weil bereits einige SVPler für sich beschlossen haben, dieses Jahr der Feier fernzubleiben, darunter etwa Senatskandidatin Julia Unterberger, aber wohl auch die Parteispitze mit Philipp Achammer und Karl Zeller.
Die Gedenkansprache wird ein Mann halten, der durch seinen Stratosphärensprung 2012 weltweit zum „Helden“ wurde. Unterstützt von Red Bull und begleitet von viel medialem Getöse, sprang der österreichische Extremsportler Felix Baumgartner damals aus 39 Kilometer Höhe zur Erde.
„Furchtloser Felix“ nennen ihn seine Bewunderer, tollkühner Abenteurer. Seitdem allerdings fiel Baumgartner nicht mehr durch sportliche Leistungen, sondern vor allem durch höchst umstrittene Facebook-Einträge auf. Von fremdenfeindlich bis sexistisch, es ist alles mit dabei.
Bleibt zu fragen: Kann man einen Festredner ernst nehmen, der dafür plädiert, dem ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán für das Abschotten seines Landes gegen Flüchtlinge den Friedensnobelpreis zu verleihen?
Einen Mann, der sagt, man könne in einer Demokratie nichts bewegen, ja, dass wir „eine gemäßigte Diktatur bräuchten, wo es ein paar Leute aus der Privatwirtschaft gibt, die sich wirklich auskennen“? Und einen Mann, der eine österreichische TV-Moderatorin mit sexistischen Äußerungen auf Facebook beleidigte, weil ihm ihr kritischer Kommentar zum Posting einer Unterwäschefirma nicht gefiel?
Die Beispiele ließen sich fortsetzen. Mal outete sich Baumgartner als Unterstützer des FP-Präsidentschaftskandidaten Norbert Hofer und richtete auf Facebook einen verbalen Angriff gegen dessen Gegner Alexander Van der Bellen: „Gib Lügnern keine Chance!! Gib Van der Bellen keine Chance!“ Mal sympathisiert der 48-Jährige mit der rechtsextrem eingestuften Gruppierung der „Identitären“ und bricht eine Lanze für dessen Chef in Österreich.
Freilich, der Schützenbund darf einladen, wen immer er will. Ob Felix Baumgartner ein würdiger Gastredner ist, bleibt indes fraglich. Man erfährt am ehesten etwas über den Geschmack des Bundes.
Wer Fremdenfeindlichkeit und Populismus schürt, trägt selten etwas zur Lösung der Probleme bei, sondern erschwert das Zusammenleben. Und was Baumgartner in den vergangenen Jahren gemacht hat, ist Populismus aus dem Lehrbuch. Er provoziert und schart die Seinen nur noch enger um sich. Soll man so einen Mann ignorieren, ihn totschweigen? Hin und wieder mag das die richtige Taktik sein, doch in derlei Fällen nicht. Die wehrhafte Demokratie wehrt sich ohnehin zu wenig und schläft zu viel.
Der französische Intellektuelle André Malraux sagte seinerzeit: Ohne Jünger, Fans und Bewunderer gibt es keine Helden. Hofer hat sein Publikum. Die Frage ist, ob es auch ein Baumgartner in Südtirol haben wird.
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