Leitartikel

Eine Dienerin ihrer Partei

Aus ff 16 vom Donnerstag, den 19. April 2018

Zitat
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Mit dem Rückzug Martha Stockers aus der Politik geht nicht nur bei der SVP eine Ära zu Ende. Ein Grund zur Trauer ist das aber nicht.

Ein Ruck, ein Brief, und weg ist Martha Stocker. Die Landesrätin hat am Sonntagabend noch einmal das ganz große Feuer­werk abgebrannt und in einer Pressemitteilung ihren Abschied angekündigt. Sie wird im Herbst nicht mehr für den Landtag kandidieren. Die Wirkung ihres Rückzugs hat sie in gekonnter Stocker-Manier inszeniert. Mag sein, dass das für viele eine Überraschung ist. Ein Grund zur ­Trauer ist der Rückzug aber nicht.
Im Laufe der Jahre hat sich Martha Stocker zur wohl mächtigsten Frau in der SVP hochgearbeitet. Sie war Gemeinderätin, Abgeordnete, Regionalassessorin, SVP-Frauenchefin, stellvertretende Parteiobfrau – und 2013 mit 21.178 Vorzugsstimmen die meistgewählte Frau unterm Edelweiß. All das hätte man nicht unbedingt erwartet, als sie 1979 SVP-Ortsjugendreferentin in ihrem Heimatdorf Kematen wurde. Dazwischen liegen vier Jahrzehnte – der Antrieb der stockerschen Politikführung war schon immer ihr Ehrgeiz und ihr Fleiß, ihr Gerechtigkeits-, aber durchaus auch ihr Machtwille.
Die 64-Jährige ist längst das, was man ein politisches Viech nennen darf – willensstark, erfahren, abgebrüht. Sie ist eine Persönlichkeit, wie sie selten geworden ist in der SVP, aber auch in der Politik insgesamt. Sie ist durch und durch die politische Ziehtochter von Silvius Magnago, in ihrer Partei ist sie eine der wenigen, die noch die politische Kultur des ehemaligen Landeshauptmannes und Parteiobmanns vertritt.
Mit Martha Stocker wussten die SVP-Granden immer eine loyale Wegbegleiterin an ihrer Seite. Aber auch eine, die im parteipolitischen Nahkampf erprobt ist, sie versteht es wie wenig andere, sich Mehrheiten zu besorgen, um ihre Ideen durchzubringen. Einfach, freilich, war und ist es mit ihr nicht immer.
Ihr Rückzug also ist das Ende einer Ära. Zugleich macht sie aber auch Platz für eine neue Ära – auch wenn noch keiner weiß, was diese neue politische Entwicklung bereithält und wohin sie führen wird.
Nach 20 Jahren ehrenamtlicher Politarbeit und weiteren 20 Jahren als Berufspolitikerin hat sich Martha Stocker nun also zum Entzug von der Droge Politik entschieden. Dazu sollte man ihr gratulieren. Auch ist ihre politische Bilanz insgesamt beachtlich. Sie hat eine moderat progressive Frauen- und Sozialpolitik gemacht – diszipliniert, unprätentiös und mit einem guten Schuss Pragmatismus.

Das war es dann aber auch mit den Meriten. Denn was diese couragierte und zähe Landesrätin hinterlässt, sind kritische Baustellen – siehe Sanität und Flüchtlingsthematik. Freilich, ihr Ressort mit Sanität, Arbeit, Soziales ist wahrlich ein „Monsterressort“. Im Bereich Gesundheit trat Stocker ein schweres Erbe an, ihr Start aber war mutig, wenngleich etwas forsch. Dann passierte, dass von überall her an ihr gezerrt und gezogen wurde, auch hatte sie oftmals eine unglückliche Hand in Kommunikation und Auswahl führender Mitarbeiter. Das Zusammenspiel in der Führungsmannschaft von Politik und Sanitätsbetrieb stimmt nach wie vor nicht – Generaldirektor und Landesrätin sprechen kaum noch miteinander.
Es besteht für die meisten politischen Beobachter kein Zweifel daran, dass eine Kandidatin Martha Stocker bei den Landtagswahlen im Herbst einen massiven Stimmenverlust zu verkraften gehabt hätte. Ein Verlust, der auch zulasten der Partei gegangen wäre. Vielleicht prophezeien ja auch aktuelle parteiinterne Umfragen der Landesrätin keine gute Zukunft. Vielleicht will sie wirklich „den Weg für Erneuerung frei machen“, wie sie selbst sagt. Ihr solle es nicht ergehen wie so manchen Bauern, die sich „schwertun, etwas zu übergeben“.
Wie auch immer. Im Moment ist sie eine, die aufhören kann. Das gelingt in der Politik selten genug. Das Sprichwort weiß, dass Abschiednehmen und Loslassen ein wenig wie Sterben ist. Die Endphase eines Politikers ähnelt oft dem Versuch, diesem Abschied zu entgehen. Meist ein hoffnungsloser Versuch. 

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