Der SVP-Bürgermeister Franz Kompatscher sagt, was er denkt, und kritisiert auch schon mal die eigene Partei. Jetzt will er in den Landtag. Aber über dem Wipptaler liegt ein Fluch.
Leitartikel
Planlose Opposition
Aus ff 17 vom Donnerstag, den 26. April 2018
Noch nie war die politische Minderheit im Landtag so stark wie in dieser Legislatur. So viel Potential sie auch hat, viel macht sie nicht daraus.
Im Südtiroler Landtag in der Opposition zu sitzen, ist ein Traumjob. Eigentlich. Raumordnung, Landwirtschaft, Gesundheits- und Sozialpolitik – die Regierung böte thematisch und inhaltlich ausreichend Angriffsflächen.
Ein Teil der Opposition aber scheint bis auf weiteres vor allem mit sich selbst beschäftigt und kaum mit traditioneller Oppositionsarbeit. Wenn es sein muss, stimmt sie gar mit der Mehrheit, damit diese auch ja ihre Gesetzentwürfe durchbringt. Traumbedingungen also für die SVP. Eigentlich.
Tatsächlich bieten sowohl Opposition als auch Mehrheit ein trostloses Bild. Das aktuellste Beispiel liefert die Sitzung des Regionalrates vergangene Woche. Auf dem Programm stand die Abstimmung über den Gesetzentwurf mit dem sperrigen Namen „Kodex der örtlichen Körperschaften“. Klingt, zugegebenermaßen, nicht gerade verlockend. Ist aber, laut SVP, ein „wichtiger Schritt“ hin zu einem „transparenteren und sorgfältigeren“ Arbeiten für die Gemeindeverwalter.
Es geht unter anderem um Themen wie die Wahl der Gemeindeorgane oder die Voraussetzungen für die Wählbarkeit. Bislang, von 1950 bis 2017, gab es diesbezüglich 29 Gesetzestexte – das neue Gesetz koordiniert und vereinheitlicht das Ganze. Federführend für das Gesetz ist der SVP-Regionalassessor Josef „Sepp“ Noggler.
Der Gesetzentwurf wurde mehrheitlich für gut befunden. Aber nicht weil die Mehrheit kompakt mit Ja gestimmt hatte, sondern weil die Opposition (Freiheitliche und Team Autonomie) auf Konsens umschwenkte und der SVP unter die Arme griff. So viel Harmonie zwischen Opposition und Mehrheit ist besorgniserregend.
Dafür, dass es sich doch um ein angeblich wichtiges Gesetz gehandelt hatte, waren die Vertreter der politischen Mehrheit bei besagter Sitzung nur sehr spärlich bei der Abstimmung anwesend. Der Landeshauptmann war entschuldigt, er hatte einen Termin in Rom, so auch der Agrarlandesrat, er hatte einen noch wichtigeren Termin beim Landwirtschaftsministerium und im Fraunhofer-Institut in Berlin, der Bildungslandesrat und Parteiobmann war entschuldigt abwesend, ebenso der Abgeordnete Otto von Dellemann (er war auf Urlaub, den er schon lange geplant hatte, da wusste er noch nicht, dass er Abgeordneter werden würde), Albert Wurzer fehlte krankheitsbedingt, die Gesundheitslandesrätin und eine weitere SVP-Abgeordnete weilten zum Zeitpunkt der Abstimmung im Foyer, die Familienlandesrätin und der Mobilitätslandesrat hatten technische Probleme bei der Abstimmung. Von den 17 SVP-Abgeordneten stimmten also 9 nicht ab.
Statt Kapital aus der Misere der SVP zu schlagen und offensiv zu agieren, reagieren viele Oppositionelle nur, und das zaghaft und chaotisch. Die Grünen immerhin enthielten sich der Stimme – obwohl sie das Gesetz in seinem Ansatz lobten.
Sepp Noggler wird später seine Parteikollegen zurecht fragen: Wie bitte, will man unter diesen Umständen künftig noch große Gesetze weiterbringen? Er hätte auch fragen können, warum die neuen Fraktionssprecher nicht ihrer Pflicht als Stimmeneintreiber nachgekommen sind.
Opposition ist im politischen Geschäft ja meist negativ besetzt. Wenn wirklich mal jemand opponiert, dann wird er gerne als Neinsager dargestellt, als Quertreiber oder auch mal als ahnungsloser Träumer. Dabei sollte die Opposition doch viel mehr jener Ort sein, der Gegenmöglichkeiten aufzeigt, das Potential der vielen, unterschiedlichen Realitäten. Überspitzt gesagt: Eine Opposition ist ein bisschen wie eine Regierung im Wartestand.
Wenn es aber keine wirkliche, eigensinnige Opposition gibt, verliert der Parlamentarismus an Schwung und an Lebendigkeit. Die Rede ist nicht von aufgeregten Gesten und populistischen Parolen, sondern von Oppositionsarbeit, die zur Aufklärung der Machenschaften der SVP beiträgt und ihre inhaltlichen Schwächen aufzeigt. Dass die Opposition so planlos wurschtelt, ist auch deshalb umso ärgerlicher, weil es, wie gesagt, durchaus Grund für Kritik gibt.
Man kann an dieser Stelle auch ein Zitat des ehemaligen französischen Premiers Jacques Chirac bemüßigen, der einmal sagte: „Politik ist wie Theater. Und Aufgabe der Opposition ist es, die Regierung abzuschminken, während die Vorstellung noch läuft.“
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