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Leitartikel
Seele baumeln lassen
Aus ff 25 vom Donnerstag, den 21. Juni 2018
Die Zeit der großen Ferien hat begonnen, und in den Ferien kann man gar nicht genug Zeit verschwenden. Trotzdem stressen sich viele in der Freizeit.
Die Welt mag sich im Kreis drehen und die Zeit aus den Fugen geraten sein, die Südtiroler aber packen ihre Koffer, sobald die Schulglocke endlich das letzte Mal geläutet hat. Die massive Abschottung Italiens gegen Flüchtlinge seitens des neuen Innenministers Matteo Salvini mögen viele betreten machen, Terrorwarnungen, Erdbeben oder sonstige Naturkatastrophen manche vielleicht bewegen, doch noch umzuplanen. Eigentlich ist es egal, was passiert: Der Koffer wird zugepresst, das Auto getankt, die Katze beim Nachbarn geparkt, das Zeugnis-Geld eingesammelt – und dann wird verreist.
Ferien. Die Zeit, wo die Tage keinen Anfang und kein Ende haben. Der Begriff ist ja auch vom Lateinischen „feriae“ entlehnt, und das heißt so viel wie Feiertag, Festtag. Die Ferienzeit also erweist sich meist als Ansammlung von Tagen uneingeschränkter persönlicher Freiheit. So zumindest ist die Erwartungshaltung – bei Kindern wie bei Erwachsenen. In der Realität aber sieht es immer ein bisschen anders aus.
Der Erholungsurlaub hat den profanen Zweck der Erholung schon lange hinter sich gelassen. Diente er einst als Auszeit zur Wiederherstellung der Arbeitskraft, ist er heute Teil eines ganz bestimmten Lebensgefühls. Der Urlaub unterbricht den Alltag und lässt in andere Wirklichkeiten eintauchen. Familien können so endlich Zeit miteinander leben, Freunde gemeinsam die Welt entdecken. Das kann alles sehr schön sein, weil man weiß: Morgen muss ich nichts, aber auch gar nichts.
Die gesellschaftliche Optimierungspraxis – man könnte auch sagen: der Optimierungswahn – hat schon lange aber auch den Urlaub erreicht. Das macht diese Zeit oft anstrengend. Man fährt ja nicht einfach weg. Mit dem Ziel und der Art der Reise setzt man ein Statement. Die entsprechenden Facebook-Bilder untermauern das Ganze – man will ja gut dastehen. Für einen All-inclusive-Urlaub beispielsweise muss man sich schon eine ziemlich gute Begründung einfallen lassen.
Die Frage – Und, wo fahrt ihr hin? – offenbart schonungslos soziale Unterschiede. Auch in unserer Wohlstandsgesellschaft wird man schnell in Schubladen gepackt. Wer nicht das Maximum rausholt aus seinen freien Tagen, muss mit mitleidigen Blicken rechnen. Wer im Urlaub faulenzt, macht sich verdächtig.
Aber warum eigentlich? Warum sich im Urlaub nicht einfach mal auf eines konzentrieren: die Erholung? Einfach in den Tag hinein leben? Zeitverschwendung ist doch der Inbegriff von Ferien. Erst wenn die Tage ineinanderfließen, wenn Dienstag Mittwoch ist – oder doch schon Donnerstag? Egal. Der Sommer, die Ferien können einen auf neue Gedanken bringen. Man kann nur das machen, was einem Freude macht. Einfach mal in die Wolken schauen. Totale Erholung anstatt Leistungsdruck, Muße anstatt Freizeitstress.
Die Kunst des Urlaubens und des Reisens besteht darin, offen zu werden – für Standpunkte, Meinungen, Fremde, Einheimische, andere Welten. Und sie besteht darin, gelassen zu werden. Es kommt aufs Unterwegssein an, ob in Südtirol, in Kuba oder in Griechenland. Schon der gute alte Goethe wusste: Um zu begreifen, dass der Himmel überall blau ist, braucht man nicht unbedingt um die Welt zu reisen.
Wie gut also, dass auch in der Landeshauptstadt in einigen Wochen die politische Sommerpause beginnt. Bevor es dann in die heiße Phase des Landtagswahlkampfes geht. Spätestens dann wird man sie dringend brauchen, all jene neuen Gedanken und jene entspannte Gelassenheit, die man sich in den Ferien angeeignet hat. Und das Wissen: Irgendwas wird schon schiefgehen. Aber, na und?
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