ff 30/2018 schrieb an den Ex-5-Sterne-Landtagsabgeordneten
Leitartikel
Es ist ein Kreuz
Aus ff 31 vom Donnerstag, den 02. August 2018
Es scheint, als sei mit den jüngsten Parlamentswahlen jeglicher Anstand verloren gegangen. Hass und Hetze, wohin man blickt. Auslöser ist stets der Frontmann Minister Salvini.
Dies caniculares nannten die Römer die heißesten Tage des Jahres. Als Datum dafür legten sie die Zeit zwischen 23. Juli und 23. August fest. Jedoch irrten sie in der Annahme, dass die Hitze etwas mit tollwütigen Hunden zu tun habe. Die Bezeichnung soll angeblich vom „Hundsstern“ Sirius kommen, der in dieser Jahreszeit am Morgenhimmel aufgeht.
Nun, der römische Innenminister Matteo Salvini wird das nicht wissen und wahrscheinlich wird es ihm auch egal sein. Trotzdem scheint ihm das heiße Wetter in diesen Tagen regelrecht zu Kopf gestiegen zu sein. Er und seine rechtspopulistische Lega wollen einen Gesetzesentwurf vorlegen, laut welchem ein Kruzifix „an erhöhter und gut sichtbarer Stelle“ in den Räumen aller öffentlicher Einrichtungen zu hängen habe. Wer das christliche Symbol „aus Hass“ entfernt oder verunehrt, soll mit einer Geldstrafe zwischen 500 und 1.000 Euro belegt werden.
Ein bisschen mutet es ja fast absurd an, das Ganze. Denn in Italien herrscht wahrlich kein Mangel an Kreuzen, Madonnen und anderen christlichen Symbolen. Da müsste man schon blind durch das Land gehen, um ihnen zu entgehen. Mit der Wiederkehr der Religion beziehungsweise mit praktizierter Religiosität hat Salvinis Vorstoß freilich wenig zu tun. Es ist die Politisierung von Religion. Der Minister missbraucht sie für seine eigene politische Messe. Das ist politisch unverantwortlich. Weil das Kreuz so zum Wahlkampfsymbol gemacht wird.
Die Bindung der Menschen an die Kirche sowie ihr Kirchenbesuch werden immer schwächer und weniger – selbst im tief katholischen Italien. Daran wird die Anordnung des Ministers nichts ändern. Die Gesellschaft in diesem Land braucht keinen Kampf, sondern Dialog und Integration.
Es scheint, als sei mit den jüngsten Parlamentswahlen im März dieses Jahres jeglicher Anstand verloren gegangen. Rassismus, Hass und verbale Entgleisungen, wohin man blickt. Und vorne dran stets: Innenminister Matteo Salvini. Privaten Seenotrettern hat er die Einfahrt in italienische Häfen versperrt. Zeitgleich hat sich die Zahl der Todesopfer im Mittelmeer verdoppelt. Er hatte angeordnet, dass Asylbewerber künftig weniger Geld und kaum Zugang zu Integrationsmaßnahmen erhalten. Er will im Land lebende Sinti und Roma zählen lassen und spricht von Flüchtlingen als „Menschenfleisch“.
Mallorca hat den Minister indes zur persona non grata erklärt, also zu einer unerwünschten Person – wegen seiner Beleidigungen von Flüchtlingen und Rettern.
Der Kreuz-Vorstoß Salvinis erinnert an den Beschluss des bayerischen Kabinetts von Ministerpräsident Markus Söder: Seit dem 1. Juni dieses Jahres muss ein Kruzifix im Eingangsbereich aller staatlichen Behörden des deutschen Bundeslandes angebracht werden. Selbst die Vertreter der beiden großen Kirchen hatten sich zu dieser Initiative kritisch geäußert.
Ähnlich in Italien. Der Leiter der Jesuiten-Zeitschrift Civiltà Cattolica, Pater Antonio Spadaro, bezeichnete eine solche Nutzung des Kreuzes gar als „blasphemisch“. Und die italienische Bischofskonferenz sprach im Umgang mit Geflüchteten und Migranten von „Obszönität und wachsender Barbarei“. Aber irgendwie scheint niemand wirklich hinzuhören. Salvini und seine Lega sollen und müssen es lassen, das Kreuz als Dominanz-Symbol ihrer Politik einzusetzen. Dazu empfiehlt sich die Lektüre der italienischen Verfassung, in der es unter anderem heißt: Staat und katholische Kirche sind, jeder in seinem Bereich, unabhängig und souverän.
Auch die Südtiroler Politiker und Landtagskandidaten täten gut daran, dieses Thema im Wahlkampf außen vor zu lassen. Kruzifix-Debatten hatten wir im heiligen Land Tirol in dieser Legislaturperiode genügend – sie sind vor allem eines: sehr mühevoll.
Und was die Hundstage betrifft: Die Natur hat ja viele Formen entwickelt, mit denen wir Menschen die extreme Hitze überstehen. Politiker zum Beispiel fallen in dieser Zeit gerne in eine Art Sommerstarre. Sie ziehen sich zurück und vermeiden überflüssige Bewegungen, die zur Dehydrierung führen könnten. Nach dem Motto: Weniger ist mehr. Auch der römische Innenminister täte gut daran, danach zu handeln, will er nicht vor die Hunde gehen.
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