Leitartikel

Immer wieder sonntags

Aus ff 37 vom Donnerstag, den 13. September 2018

Leitartikel
Leitartikel © ff-Media
 

Läden am Sonntag zu? Die 5 Sterne wollen ihn wieder frei halten. Doch lässt sich die Zeit zurückdrehen? Es wäre eine kleine Revolution. Wenigstens an diesem einen Tag würde Ruhe herrschen.

Will man am Sonntag durch die Bozner Gewerbezone in die Stadt hinein, trifft man in der Galileistraße oft auf einen Stau. Hier verlangsamt sich der Verkehr, weil die Autos in die Garage des Einkaufszentrums ­Twenty einfahren wollen. Durch das Twenty zu spazieren, ist das Sonntagsvergnügen vieler (italienischer) Bozner, das Haus ist voll. Jetzt spaziert man am Sonntag nicht mehr durch die Lauben, sondern durch das Twenty.

Länger offen als das Twenty, rund um die Uhr, haben nur die Einkaufszentren im Internet wie Amazon. Die Einkaufszentren im Internet sind die Konkurrenten der Einkaufszentren, durch die man auch am Sonntag laufen kann, und die Einkaufszentren, durch die man auch am Sonntag laufen kann, sind die Konkurrenten der kleinen Läden, die es sich nicht leisten können, immer offen zu halten, und deshalb langsam verschwinden.

In Italien dürfen die Läden auch am Sonntag offen halten. Wenn sie können. Das können die großen Ketten, sie haben das Personal dafür. In den Arbeitsverträgen steht, dass das Personal auch am Sonntag arbeiten muss, der freie Tag wird dann einfach auf einen anderen Tag in der Woche geschoben. Was hat er für einen Wert, wenn sich nichts unternehmen lässt, weil Freunde und Familie dann bei der Arbeit sind?

Die 5 Sterne, die (noch) größte Partei in der Regierung, will das nun ändern. Sie will die Zeit zurückdrehen. Kann das funktionieren, lässt sich das Leben wieder so einfach entschleunigen? Die 5 Sterne sind jetzt die Verteidiger der Werktätigen: Sie schaffen ab, was Sozialdemokraten (Partito democratico) in vorauseilendem Gehorsam der Wirtschaft gegenüber eingeführt haben.

Die Ladenöffnungszeiten in Italien wurden liberalisiert, als der Furor des Neoliberalismus 2011 die italienische Regierung (mit Mario Monti als Ministerpräsident) erfasste. Nur die totale Öffnung, so die trügerische Hoffnung damals, könne Italien retten. Geholfen hat es nicht viel. Die Wirtschaft ist, wenn überhaupt, nur langsam gewachsen. Die Einkaufsgewohnheiten verschoben sich, es entstanden ein paar Arbeitsplätze. Aber: In der Putzbranche werden die Leute schlechter bezahlt als im Handel. Was ihnen am Ende auf dem Konto fehlt, muss die öffentliche Hand durch Sozialleistungen ergänzen.

„Salva Italia“ hieß damals das Dekret von ­Mario Monti. Tatsächlich „gerettet“ wurden nur wenige. Vielen, rund fünf Millionen Menschen, die von der Liberalisierung betroffen waren, ­wurde ein Stück Freiheit genommen, und wenigen, den Bossen, gegeben. Würden die Öffnungszeiten wieder eingeschränkt, wäre es ein Signal an eine Wirtschaft, die keine Grenzen kennt, die ihre soziale Verantwortung oft nur behauptet. Es wäre ein Signal für eine menschengemäßere Wirtschaftsweise und gegen eine ­Wirtschaftsweise, die Gesellschaft und soziale Beziehungen ver­öden lässt. Das Signal wäre noch glaubwürdiger, würde die Politik auch die großen Konzerne stärker besteuern, Amazon, Google & Co. zur Kasse bitten. Im Moment dürfen sie ihre Steuern dort abführen, wo es für sie am günstigsten ist.

Die Südtiroler Volkspartei hat zum Vorschlag, die Liberalisierung der Öffnungszeiten einzuschränken, zustimmend genickt, und natürlich Ausnahmen reklamiert. Sie hat auch flugs die Gelegenheit ergriffen, die Kompetenzen für den Handel von der Regierung in Rom einzufordern – die Partei muss eben immer wieder den Spagat üben. Konsumentenschützer hingegen se­hen in der Forderung eine Beschränkung der Freiheit des Konsumenten: Warum bloß schwimmen Konsumentenschützer immer auf der Geiz-ist- geil-Welle? Und die großen Ketten drohen natürlich mit einem Verlust der Arbeitsplätze. Nun, vielleicht wirft man einen Blick nach Bayern oder Tirol. Dort stößt man sich am Sonntag die Nase, wenn man einen Einkaufstempel betreten will.

Enden wird es vermutlich wie viele Vorhaben dieser Regierung. Nicht mit nichts, aber auch nicht mit viel mehr als nichts. Am Sonntag wird weiter verkauft werden. Nein, der Sonntag wird weiter verkauft werden.

Es wird, fürchte ich, keine Ruhe geben.

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