(ml) Es war ein rot-weiß-rotes Flaggenmeer, das die Besucher der Landesversammlung der Südtiroler Freiheit am vergangenen Samstag auf Schloss ...
Leitartikel
Eine neue Zeit bricht an
Aus ff 40 vom Donnerstag, den 04. Oktober 2018
Auch ein Land wie Südtirol hat ein Problem mit Rechtsextremismus. Wer das ausblendet, trägt zum Erstarken der Rechten bei.
Schon in Vergangenheit tobte in Wahlkämpfen die Bosheit. Anstand und Argumenten gehörten auch früher nicht immer zum Standardrepertoire eines Politikers. Der deutsche Politiker Ludwig Erhard zum Beispiel beschimpfte seine Gegner als „Schmeißfliegen“, John Adams wiederum lästerte über seinen Gegner Thomas Jefferson: Wenn dieser gewinne, würden „Vergewaltigung und Inzest grassieren“.
Die Bosheit allerdings, die man in diesem Wahlkampf erleben kann, hat ein Niveau erreicht, das kaum auszuhalten ist. Nicht nur, dass im Zeitalter der Fake News nicht mehr mit offenem Visier gekämpft wird, nein, längst schon sind menschenfeindliche und rechtsextreme Einstellungen in der Mitte der Gesellschaft verankert. Auch in Südtirol herrschen Unzufriedenheit Angst und Wut.
Es ist ein guter Nährboden für Rechtspopulisten. Mit ihren einfachen Antworten für alles, was im Land nicht so gut läuft, finden sie schnell einen Sündenbock. Es ist eine fatale Mischung aus Ignoranz und Inkompetenz, mit der die Rechten die Gesellschaft nur noch mehr verunsichern und Ressentiments noch mehr verstärken.
Es geht in diesem Wahlkampf deshalb nicht nur um die Bilanz, Beleidigungen und Parteiprogramme. Es geht auch um die Frage, welche langfristige politische Ausrichtung dieses Land und seine Menschen wollen. Und darum, ob die Veränderungen moderat oder radikal herbeigeführt werden sollen. Dazu muss man sich zunächst einmal der Tatsache stellen, dass auch ein Land wie Südtirol ein Problem mit Rechtsextremismus hat. Wer das ausblendet, trägt zum Erstarken der Rechten bei.
Nur einige aktuelle Beispiele. Erstens. Der römische Innenminister und Lega-Chef Matteo Salvini hat angekündigt, in diesen Tagen nach Trient und auch nach Bozen zu kommen. Unter anderem weil er nach dem Rechten sehen wolle, und auch um „die Sicherheit der Bürger zu garantieren“. Er habe davon gehört, dass ein Bozner von Mitgliedern der Roma tätlich angegriffen worden sei, nachdem der Mann sich über eine illegal aufgebaute Siedlung beschwert habe.
Zweitens. In jüngster Zeit, so berichtet das Nachrichtenportal Salto.bz, findet man auf vielen Postkästen Aufkleber mit dem Slogan: „Lieber Kernkraft als Flüchtlingsstrom“. In der Mitte strahlt ein grinsender Totenkopf. Sucht man im Internet nach Erklärungen, findet man unter anderem folgende Beschreibung des Aufklebers: „Nichts ist umweltschädlicher als Flüchtlingsstrom … Lieber Hunderte Kernkraftwerke. Die sind auf jeden Fall weniger tödlich …“
Drittens. Erstmals tritt bei diesen Landtagswahlen auch die neofaschistische Casa Pound an. Im Bozner Gemeinderat sitzt sie schon. Nun hat sie mit einem hetzerischen Plakat für Aufregung gesorgt: Auf der oberen Hälfte die Landesregierung, auf der unteren Männer mit dunkler Hautfarbe. Darüber und darunter steht in fetten Großbuchstaben: „Ripulire l’Alto Adige – Südtirol reinigen“.
Landeshauptmann Arno Kompatscher hat eine Eingabe bei der Staatsanwaltschaft gemacht. „Säubern und ausmerzen“, sagt er, „war auch die Sprache der Nationalsozialisten. So etwas darf in Südtirol keinen Platz haben.“
Insgesamt gilt es, sich noch sehr viel intensiver als bisher sowohl politisch als auch wissenschaftlich mit den Gründen für den Erfolg von rechtem Gedankengut und Rassismus auseinanderzusetzen. Und mit der Frage, was sich gegen diese Phänomene unternehmen lässt. Denn die Etablierung von rechtspopulistischen und rechtsextremen Parteien vergiftet den politischen Diskurs. Tabubrüche, Hetze und Propaganda würden dann zum Alltag gehören.
Die politisch Verantwortlichen in Mehrheit und Opposition, denen eine liberale und demokratische Gesellschaft am Herzen liegt, müssen den verunsicherten Menschen wieder Halt geben. Mit einer klugen, demokratischen und sozialen Politik. Und mit einer Politik, bei der die Menschen das Gefühl haben, etwas zu sagen zu haben und ernst genommen zu werden.
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