Die Freiheitlichen sind die Verlierer dieser Wahl. Jeder gibt jetzt dem anderen die Schuld, statt die Verantwortung bei sich selber zu suchen.
Leitartikel
Kompatschers harter Job
Aus ff 43 vom Donnerstag, den 25. Oktober 2018
Der Landeshauptmann geht geschwächt in seine zweite Amtszeit. Es erwarten ihn delikate politische Entscheidungen – und gleich der nächste Wahlkampf. Jetzt muss er zeigen, aus welchem Holz er geschnitzt ist. Ob ihm seine Partei dabei eine Hilfe ist?
Vor fünf Jahren war er „der Erneuerer“: Arno Kompatscher trat an, um für Südtirol eine neue Ära einzuläuten: weltoffen, liberal, trotzdem bodenständig – und Schluss mit der zwar lange Zeit erfolgreichen, schließlich aber aus der Zeit gefallenen Kumpel-Politik seines Vorgängers. Der Übergang vom hemdsärmeligen Volkstribunen Luis Durnwalder zum nüchternen Managertypen Kompatscher wurde 2013 von den Wählern goutiert. Wenn es jemanden gibt, der den Niedergang der SVP stoppen könne, hieß es, dann einer von seinem Schlage.
An diesem 21. Oktober wurde Kompatscher wenn nicht entzaubert, so doch ziemlich zerrupft. Man kann sich noch so bemühen, Positives an diesem SVP-Ergebnis sehen zu wollen, es will nicht gelingen. Klar, verglichen mit anderen Volksparteien ist die SVP mit einem blauen Auge davongekommen. Klar, Kompatscher hat weitaus die meisten Vorzugsstimmen aller Kandidaten erhalten. Niemand stellt in Frage, dass der alte auch der neue Landeshauptmann sein wird. Aber die Bürde, die er jetzt in die zweite Amtszeit schleppt, liegt schwer auf seinen schmale Schultern und auf sein ohnedies empfindliches Gemüt. Man muss ihm nur in die Augen blicken, um zu verstehen: stark und selbstbewusst geht anders.
Kompatscher steht für unspektakuläre Sachpolitik. Er wurde nicht müde, uns daran zu erinnern, „um was es wirklich geht“. Seit drei Tagen weiß er, dass seine Botschaft an die Vernunft viele, sehr viele Südtiroler nicht mehr erreicht. Jene, die vor fünf Jahren „aus Protest“ die Freiheitlichen gewählt haben, kehrten jetzt, nach dem Harakiri der Blauen, nicht etwa in den Schoß der vermeintlichen Mutterpartei zurück.
Die Abtrünnigen haben Köllensperger gewählt. So schnell kann es gehen: Das Etikett des Erneuerers ist schwuppdiwupp von Kompatscher zu Köllensperger gewechselt, dem neuen Volkshelden.
Der Landeshauptmann geht also geschwächt in seine zweite Legislatur. Und was seinen Job noch schwieriger und delikater macht: In sieben Monaten stehen die nächsten Wahlen an, jene zum EU-Parlament. Die EU-Wahl war bislang für die SVP die sprichwörtliche „g’mahnte Wies’n“. Der Kandidat, den sie ins Rennen schickte, wurde gewählt: dank des Bündnisses mal mit Prodi, mal mit Renzi. Jetzt, wo der befreundete PD sich in arger Not befindet, erscheint eine Neuauflage des Bündnisses fraglich.
Eines der Themen, das gleich nach dieser Landtagswahl von besorgten SVP-Exponenten diskutiert wurde, war nicht von ungefähr die EU-Wahl. Zitat: „Was passiert, wenn es am 23. Mai 2019 die nächste Schlappe setzt – wenn wir es nicht schaffen, Herbert Dorfmann wieder nach Brüssel zu entsenden?“ Das Horrorszenario (aus der Sicht der SVP): Jetzt kommt es bei der Bildung der Landesregierung zu einem Bündnis mit der Lega; diese setzt dann bei der EU-Wahl, wo der auch hierzulande angehimmelte Salvini mit Leuten wie Heinz-Christian Strache und Marie Le Pen Arm in Arm marschiert, ihren Siegeslauf fort. Ja, was würde, was könnte dann passieren?
Zusätzlichen Pfeffer hat Kompatscher selbst gestreut, als er andeutete, dieses Amt nur maximal zehn Jahre ausüben zu wollen. Ein Blick in die Vergangenheit zeigt, dass Politiker, die ihren Abtritt ankündigen (oder auch nur in Aussicht stellen), sich damit selber schwächen – und ein Karussell potentieller Nachfolger in Bewegung setzen, das nur mehr schwer zu kontrollieren ist.
Bis vor kurzem galt Kompatscher als Glücksfall für Südtirol, als Bollwerk gegen den populistischen Zeitgeist. Alles Schnee von gestern?
Jetzt liegt es an ihm zu zeigen, aus welchem Holz er geschnitzt ist. Und an seiner Partei, ihm dabei eine echte Hilfe zu sein – sofern es sie
noch gibt.
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