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Leitartikel
Wandel durch Annäherung
Aus ff 44 vom Mittwoch, den 31. Oktober 2018
Wenn es die SVP geschickt anstellt, könnte sie nach dem schlechtesten Wahlergebnis ihrer Geschichte doch noch die Kurve kriegen. Mit einer Prise Fantasie und einem Schuss Mut.
Ein Blick auf die Wählerbefragungsstudie des Wiener „Demox research“-Instituts – in Auftrag gegeben von der SVP – sollte den Landeshauptmann vergangene Woche doch noch zuversichtlich stimmen. Insgesamt 75 Prozent der befragten Südtiroler sind der Meinung, dass er, Arno Kompatscher, Landeshauptmann bleiben solle. Von den SVP-Wählern sagten dies 93 Prozent. Und selbst 80 Prozent der Grünen- und gar 90 Prozent der PD-Wähler finden, Kompatscher sei der richtige Landeschef.
Da lassen sich die verlorenen 12.900 Vorzugsstimmen doch gleich viel besser verdauen. Der Landeshauptmann kann halbwegs sicher in die Sondierungsgespräche gehen. Viel Arbeit für den ersten Mann im Land. Ein Kraftakt.
Bei diesen Gesprächen wird es nicht nur darum gehen, mit welchem Partner die SVP für die nächsten fünf Jahre ein Regierungsbündnis schmieden wird. Es wird auch darum gehen, festzustellen, ob die SVP begriffen hat, worum es wirklich geht.
Es geht in den nächsten Tagen und Wochen nicht darum, mit Rechenspielen, Tricks und Wortklaubereien das alte Macht- und Mehrheitsgefüge der SVP irgendwie wieder zusammen zu kleben und zu festigen.
Diese Landtagswahlen haben gezeigt, dass die Bürger zunehmend widerwillig auf eine Politik regieren, die krampfhaft an den traditionellen Partei- und Politikritualen festhält. Der Landeshauptmann und die SVP könnten bei der Wahl des Regierungspartners zeigen, dass sie die Watsche der 41,9 Prozent zu deuten verstehen. Indem sie sich zum Beispiel für den gesellschaftlichen Ausgleich entscheiden, anstatt für dominantes Machtgehabe, für eine zukunftsfähige, moderne Politik, anstatt für rückwärtsgewandte Phrasen-Drescherei und Angstmacherei.
Will die SVP nach dieser historischen Zäsur nicht noch weiter absteigen, muss sie sich radikal erneuern. Eine Koalition mit der Lega ist gewiss der bequemere Weg für die SVP. Die Beziehungen zu Rom und Trient wären unkomplizierter, man könnte eine pragmatische und hemdsärmelige Politik im herkömmlichen Stil betreiben. Aber was wäre das gemeinsame Motiv für dieses Bündnis? Was das Motiv, das über das rein Rechnerische hinausweist und das mehr ist als die Machtoption durch die Addition der Stimmen beider Parteien?
Zur Lega gibt es eine konkrete Machtoption: ein Bündnis mit den Grünen und dem PD. Das ist keine politische Spinnerei, sonderen eine echte Alternative. Es liegen auch nicht mehr Welten zwischen der SVP und den Grünen. Weil die SVP nicht mehr so schwarz ist, und die Grünen nicht mehr so grün wie früher sind. Was noch zwischen ihnen liegt, sind vielleicht einige Traditionalisten und Lobbyisten unterm Edelweiß. In Bozen regiert ein Bündnis aus SVP, Grünen und italienischen Zentrums- und Mitte-links-Kräften. Ähnlich in Meran. In Tirol regiert die ÖVP von Günther Platter mit den Grünen. Wieso sollte es in Südtirol nicht funktionieren?
Gewiss, da gibt es noch den Wählerwillen der Italiener, den es zu berücksichtigen gilt. Die Mehrheit von ihnen hat Lega gewählt, 11 Prozent. Es steht jedoch nirgends geschrieben, dass man diesen Willen rein mit politischen Posten in der Regierung berücksichtigen muss. Man kann dafür auch repräsentative Posten hernehmen, zum Beispiel im Landtagspräsidium. Auch in der Region oder in den Gesetzgebungskommissionen gibt es Posten zu verteilen.
Die Beziehung zwischen Grünen und SVP ist freilich eine unkonventionelle – viele SVPler stempeln die Grünen als Fortschrittsverweigerer ab. Kompatscher aber könnte die Gunst der Stunde dieser neuen Liaison nutzen – und dadurch kreative Kräfte freisetzen. Eine Zusammenarbeit solch unterschiedlicher Partner – mit Einbeziehung der Gewinner wie Lega und auch Team Köllensperger – könnte für eine neue Beweglichkeit in der Politik sorgen. Da ist Fantasie gefragt und Mut.
Natürlich gibt es in beiden Parteien unterschiedliche thematische Prioritäten. Für eine mögliche Koalition kann das aber auch ganz gesund sein – und für den Landeshauptmann und seine SVP eine Art Vitalisierungsprogramm.
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