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Leitartikel
Besuch beim Konzern
Aus ff 47 vom Donnerstag, den 22. November 2018
Staatspräsident Sergio Mattarella war Gast beim Jubiläum der Athesia. Und verteidigte dabei die Pressefreiheit. Doch wer von Pressefreiheit redet, darf zur wirtschaftlichen und politischen Übermacht des Konzerns nicht schweigen.
Am Montag hat die Athesia sich selbst gefeiert: 130 Jahre Bestehen des Verlagshauses – ein merkwürdiges Jubiläum. Die Kulisse: das plüschig kleine Stadttheater in Meran und das Thermenhotel, das zum Athesia-Konzern gehört. Der Ehrengast: Staatspräsident Sergio Mattarella. Das dominierende Verlagshaus in der Region demonstrierte seine Macht.
Mattarella hat kürzlich die Pressefreiheit gegenüber der Regierung verteidigen müssen, die er selber angelobt hat. Vertreter der Regierung halten Journalisten nämlich für „Lohnschreiber“ und „Schakale“.
Dagegen muss man sich wehren, auch wenn die Rhetorik manchmal selbstgefällig ist. Was aber ist das größere Problem: Ein Verlagshaus, das in Südtirol und im Trentino 80 Prozent des Zeitungs- und des Werbemarktes beherrscht? Oder ein paar Schreier, die Journalisten anpöbeln? – damit müsste man in Italien eigentlich zu leben gelernt haben.
Vergangene Woche demonstrierten die Kollegen auf dem Kornplatz für die Pressefreiheit. Di Maio & Co, meinten sie, seien zu weit gegangen. Wir von der ff wären, hätten wir nicht gerade Redaktionsschluss gehabt, auch hingegangen. Wir verteidigen die Pressefreiheit jede Woche mit unseren Geschichten.
Doch die Frage sei erlaubt: Wäre es nicht auch angebracht, gegen einen Konzern zu demonstrieren, dem die Dolomiten, die Sonntagszeitung Zett, Stol.it, Suedtirolnews.it, Alto Adige, Trentino und jetzt auch der Adige gehören, Bezirksblätter und Radiosender noch gar nicht eingerechnet? Was sagen Gewerkschaft, Journalistenkammer und Pressevereinigung zu dieser Medienkonzentration, einem Zeitungskonzern, der eine erdrückende Marktstellung einnimmt?
Es ist paradox: Die Gruppe Espresso-Repubblica hat den Alto Adige verkauft, weil sie sonst eine zu starke Stellung im Markt der italienischen Regionalzeitungen eingenommen hätte. Und hat so indirekt der Athesia lokal zu einer noch stärkeren Position verholfen. Denn was national gilt, die Regeln gegen eine zu starke Markstellung, spielt lokal keine Rolle. Lokal gelten für den Medienmarkt keine Beschränkungen.
Es ist nicht so, dass Michl Ebner als Boss der Athesia (und der Südtiroler Handelskammer) und sein Bruder Toni als Chefredakteur Zensur üben würden, aber sie verfügen natürlich über eine große politische und wirtschaftliche Macht. Sie können über jemanden mehr oder weniger berichten. Oder gleich gar nicht. Sie können jemanden ins Bild setzen. Oder nicht. Und sie können ihre Größe nutzen, um Werbung abzuschöpfen. Im Paket: Werbung auf allen Kanälen, redaktionelle Zuckerlen, Auslastung der hauseigenen Druckerei.
Wirtschaftlich sind die Brüder sehr tüchtig: Wir ziehen den Hut. Aber was bedeutet das für die Medienlandschaft? Es bedeutet Macht. Macht, politische und wirtschaftliche Interessen durchzusetzen. Denn die Brüder sind nicht nur tüchtig, sondern auch machtbewusst. Sie streben nach Hegemonie, nach Monotonie, auch wenn es nicht immer gelingt, die Menschen auf Linie zu bringen (Beispiel Flughafen, Beispiel Benko-Einkaufszentrum).
In kleiner Runde beklagt sich Landeshauptmann Arno Kompatscher gerne über den Umgang der Athesia mit seiner Person. Jetzt hat er im Interview mit ff zum Flughafen (Seite 28) seinen Unmut über die Dolomiten zum Ausdruck gebracht. Aber warum schweigt die Politik generell (bis auf ein Häufchen Mutiger), wenn es um die Macht der Athesia geht, warum hat kaum jemand die Courage, offen gegen diese Übermacht aufzutreten?
Als die Athesia ihre Macht vergrößerte, war die Reaktion von Politik und Gesellschaft sehr verhalten, ein hilfloses Händeringen. Ja, hieß es, man müsse ihr sogar dankbar sein, schließlich rette sie Arbeitsplätze. Arbeitsplätze gegen Vielfalt? Minister Riccardo Fraccaro hat im Wahlkampf eine regionale Antitrust-Bestimmung gefordert, eine gesetzliche Beschränkung der Medienmacht. Die, die Pressefreiheit für ein hohes Gut halten, sollten ihn dabei unterstützen.
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