Der Südtiroler Alpenverein wird 150, ab Dienstag wird gefeiert. Blöd nur, dass gerade jetzt die Stimmung an der Spitze nicht die beste ist.
Leitartikel
Ein Lob der Politik
Aus ff 49 vom Donnerstag, den 06. Dezember 2018
Politikerbeschimpfung kommt immer gut. Am Stammtisch, im Landtag oder in den Medien. Aber Achtung: Wer Politik generell schlechtredet, redet die Demokratie schlecht.
Er habe großen Respekt vor Politikern, die sich ordentlich reinhängen, meint der ehemalige grüne Landtagsabgeordnete Hans Heiss im Interview mit dem Onlineportal Salto.bz. Und appelliert an die Bürger, ihre „Politikverachtung ein wenig zu zügeln“.
Es ist leicht, die Kollegen zu loben, wenn man in Politpension gegangen ist. Besser wäre, es zu tun, solange man im Landtag sitzt. Denn zu denen, die die Politikverachtung fördern, gehören auch die Politiker selber. Den Gegner zu loben, gehört nicht zum politischen Tagesgeschäft, ob in der Regierung oder in der Opposition.
Aber es stimmt, Politiker können gar nicht so viel anstellen, um sich die Verachtung zu verdienen, die ihnen entgegenschlägt. In der Bevölkerung, bei der Konkurrenz und in den Medien. Politikerbeschimpfung kommt immer gut.
In der Demokratie, wie sie ist, gibt es zwei Grundprobleme: Die Menschen haben, erstens, das Gefühl, dass es viele Dinge gibt, bei denen sie nicht mitreden können. Tatsächlich haben sich Entscheidungen auf die Ebene von unnahbaren Einheiten wie der EU verlagert und sind für viele Bürger nicht nachvollziehbar. Es ist das Paradox der Globalisierung: Die Welt ist offener geworden, aber für viele Menschen ist sie zu groß, um Entscheidungsprozesse zu durchschauen.
Vieles wird in kleinen Zirkeln verhandelt, die Wirtschaft hat der Politik das Heft aus der Hand genommen.
Zweitens vermitteln Politiker den Menschen das Gefühl, dass man eine Gesellschaft mit einem Fingerschnippen verändern kann. Ich bin das total Neue, behaupten sie. Und müssen dann naturgemäß die Erwartungen enttäuschen wie Landeshauptmann Arno Kompatscher im Kleinen oder der französische Staatspräsident Emmanuel Macron im Großen.
Macron hat versucht, mit friedlichen Mitteln, die Strukturen der alten Republik zu zertrümmern. Er muss sich jetzt mit Wutbürgern auseinandersetzen, die gewaltsam alles kurz und klein schlagen wollen. Politik ist ein mühsames Geschäft. Wer behauptet, dass sich alles von heute auf morgen ändern lässt, ist ein Hasardeur oder ein Blender, wenn nicht ein Lügner. Politik ist immer Aushandlung, Kompromiss.
Wer nicht bereit ist, sich auf die anderen Zeiten der Demokratie einzulassen, gefährdet die Demokratie selber. Denn was wäre die Alternative? Einen Teil der Gesellschaft beiseiteschieben? Ein autoritäres Regime? Eine illiberale Demokratie, die nach dem Führerprinzip funktioniert, wie es in Italien Matteo Salvini vorschwebt?
Ein Parlament ist keine Schwatzbude, Politiker schauen nicht per se auf sich oder auf ihre Brieftasche. Wer sich heute der Politik verschreibt, braucht eine gehörige Portion Idealismus, er muss auf vieles verzichten, viele Politiker arbeiten weit über das Maß hinaus, das ein Kollektivvertrag einem Arbeitnehmer vorschreibt. Viele sind auch kompetent. Doch eine Volksvertretung wie der Landtag muss sich auch selber ernst nehmen, er muss die Lust an der Debatte wieder finden, die Freude am Gesetzemachen, die Bereitschaft, erstarrte Rituale hinter sich zu lassen.
Man hat es bei der ersten Sitzung des Landtags bei der Wahl der Landtagsspitze beobachten können, wie die Rituale gepflegt werden. Sitzungsunterbrechung, simple Lösung, die Mehrheit setzt sich routiniert durch, am Podium sitzen wieder die alten Gesichter, anstatt die politische Breite des Hohen Hause abzubilden. Andere Vorschläge werden abgeschmettert. Es sind diese Spielchen, die die Menschen abstoßen: Das Taktieren, Herumreden, der Opportunismus, der auch die Verhandlungen zwischen SVP und Lega bestimmt. Hatte die SVP Montag vergangener Woche noch darauf bestanden, die Lega müsse vor Beginn der Verhandlungen einen Wertekatalog unterschreiben, geht es jetzt auch ohne Unterschrift.
Um die Politik wieder achten zu können, braucht es Klarheit. Mitreden, mitentscheiden können Menschen nur, wenn es Unterschiede gibt, sich die Politik nicht nach dem Wetter richtet.
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