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Leitartikel
Papier ist geduldig
Aus ff 02 vom Donnerstag, den 10. Januar 2019
Südtiroler Volkspartei und Lega haben ihren Ehevertrag unterzeichnet. Es ist ein Abkommen ohne Glanz, der sich in alle Richtungen lesen lässt.
Was nicht im Koalitionsvertrag zwischen Lega und SVP steht, man aber zwischen den Zeilen lesen kann: Die Lega in Südtirol, die sich hier „Lega Salvini Alto Adige-Südtirol“ nennt, wollte unbedingt regieren und hat die Verhandlungen nur auf taktische Anweisungen aus Rom hinausgezögert.
Die SVP hat einen Partner, der nicht viel verlangt.
Viel anders wäre ein Pakt mit dem PD auch nicht ausgefallen.
Es gibt in der SVP niemanden mehr, der grundsätzlich gegen eine Landesregierung mit der Lega ist – im Gegensatz zu früheren Beteuerungen – 97 Prozent Zustimmung.
Das bedeutet, dass alle Richtungen in der SVP ihre Forderungen durchgebracht haben.
Die SVP hat die Gelegenheit genutzt, um deutsche Rechte und Patrioten abzuholen: Betonung der Familie, der christlichen Werte, der Sicherheit, der Verpflichtung von Migranten auf überkommene Traditionen (Was wäre das: Mülltrennung, Messbesuch, Lederhose, Grabesstille nach 22 Uhr oder der Respekt von freiheitlich-demokratischer Grundordnung?)
„Im Mittelpunkt unserer Politik steht der Mensch“, lautet der erste Satz der Präambel. Ja, wer oder was denn sonst?
Die Landesregierung setzt sich für Europa ein, aber nicht für die EU. Das „Europa der Völker, der Volksgruppen und der Regionen“ ähnelt den Parolen der europäischen Rechtspopulisten, wenn sie über Europa reden. Mal sehen, wie sich die Lage vor den Wahlen zum EU-Parlament gestaltet.
Meran spielt eine größere Rolle als Bozen. Aus Meran kommt einer der wichtigsten Verhandler, der stellvertretende SVP-Parteiobmann Karl Zeller. Er sägt, anderthalb Jahre vor den Gemeindewahlen, am Stuhl von Bürgermeister Paul Rösch.
Die Koalitionäre wollen es allen recht machen, dabei muss man, um etwa den Verkehr zu vermindern, die Natur zu schützen, den Tourismus zu begrenzen, jemandem etwas verweigern. Etwas weggenommen wird nur den Migranten – sie müssen so ordentlich sein, wie man es von keinem Einheimischen verlangt. Die Pflegesicherung wird so oft erwähnt, dass man befürchten muss, sie wird in der derzeitigen Form – für alle, unabhängig vom Einkommen – abgeschafft.
Direkte Demokratie und Bürgerbeteiligung spielen kaum eine Rolle. Es wird mehr von oben entschieden werden.
Migranten müssen mehr können als jeder Südtiroler: nämlich alle drei Sprachen beherrschen. Es gibt viele Südtiroler, die nur die eigene gut beherrschen.
SVP und Lega versprechen die „Umsetzung des Landesgesundheitsplans“ (wie auch anderer Pläne). Das deutet auf ein Versagen der vorhergehenden Landesregierung hin: Warum sind die Pläne nicht schon längst umgesetzt und, wenn nicht, warum sollte es jetzt gelingen?
Wie all die Maßnahmen finanziert werden, wird in keiner Zeile erwähnt. Aber das wird uns hoffentlich die Landesregierung bald mitteilen.
Die Parteien wollen: die Kompetenz für die Schule, am besten eine eigene Landespolizei (einen schönen Gruß an die Freiheitlichen), die Brennerautobahn, das Personal des Fürsorgeinstituts Inps und der Steueragenturen.
Doch wie will man die Autonomie gestalten, dass die Italiener sich nicht als Bürger zweiter Klasse fühlen? Und was bedeutet sie im Umgang mit den bald 50.000 Ausländern, die im Land leben?
Die Koalition lässt offen, ob es Sonderklassen in den Grundschulen geben wird (für Migranten natürlich), aber eine mehrsprachige Schule schmettert sie ausdrücklich mit Verweis auf Artikel 19 des Autonomiestatuts ab. Wenn man es richtig liest, geht es weniger in Richtung Sachfachunterricht in der zweiten Sprache (Clil), sondern mehr in Richtung Stärkung der Fremdsprachendidaktik. Werden Italienisch beziehungsweise Deutsch wieder Fremdsprachen?
Kann man den Verkehr reduzieren, wenn LKW ungehindert durch das Land fahren dürfen wie jetzt, und sich jeder ins Privatauto setzt? Genügen Appelle an die Eigenverantwortung, oder braucht es ordnungspolitische Maßnahmen, das heißt Verbote? Oft ist im Papier nur von „Sensibilisierungsmaßnahmen“ die Rede.
Der Koalitionsvertrag ist ein Wunschkatalog, vage formuliert, ein Papier ohne Glanz, das sich in alle Richtungen lesen lässt.
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