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Leitartikel
Die Stadt, die keinen Plan hat
Aus ff 13 vom Donnerstag, den 28. März 2019
Die Idee, den Ötzi auf den Virgl zu verlegen, trifft Bozen unvorbereitet. Die Gemeinde hat der Macht des Investors nichts entgegenzusetzen. Höchste Zeit, kurz innezuhalten und aus den gewohnten Bahnen auszubrechen.
Der Bürgermeister der Stadt Bozen hat sich an der Hüfte operieren lassen. Über diesen Umstand hat die italienische Lokalpresse in den vergangenen Tagen breit berichtet. So, als sei, oh Schreck, die Stadt kopflos ohne Renzo Caramaschi. Nun ja, bei diesem Vize!
Caramaschi ist ja nun ein Bürgermeister, der in der Stadt herrscht wie einst als City-Manager über den Beamtenapparat der Gemeinde. Er tut es manchmal sehr burschikos, um nicht zu sagen herrisch. Er mag lange Sitzungen und Diskussionen nicht. Und seine Koalitionäre haben sich diesem Führungsstil gefügt.
Dabei gäbe es im Moment genug Dinge in Bozen, über die es sich lohnte, länger zu reden. Über die Verlegung des Ötzi auf den Virgl, das Bibliothekenzentrum (dessen Bau hat noch nicht begonnen, wohin also mit der Stadtbücherei, wo doch ein anderer Großkopfeter, Pietro Tosolini, den Mietvertrag aufgekündigt hat), den Verkehr, die Sicherheit, von der der Bürgermeister offensichtlich nicht genug kriegen kann, die Unterbringung der Obdachlosen, oder wie Stadt und Politik zuschauen, wie die Neofaschisten von Casa Pound sich ausbreiten.
Warum eigentlich, das nur so nebenbei, ergeben sich Grüne und PD so schnell, wenn der Bürgermeister in der Stadt mit der Installation von vielen Kameras einen Überwachungsstaat schafft? Warum gibt es nicht mehr Widerstand gegen die Faschisten, die als Kümmerer ganze Stadtviertel unterwandern und Plakate kleben, in denen Menschen verunglimpft oder die Anfänge des Faschismus verherrlicht werden?
Und noch etwas. Demokratie ist Diskussion. Demokratie hat längere Zeiten als ein Unternehmen. Demokraten dürfen es nicht eilig haben.
Schon die Diskussion über das Einkaufszentrum von René Benko hat die Gemeinde unvorbereitet getroffen. Einen Plan hatte nur der Investor. Und er konnte ihn – mit gnädiger Unterstützung der Politik und mit viel Geld – durchsetzen. Bald beginnen die Abrissarbeiten am Gelände des alten Busbahnhofs. Ein allzu demokratischer Prozess war das nicht, die Volksabstimmung darüber wurde mit viel Geld in die richtige Richtung gelenkt.
Die Geschichte wiederholt sich jetzt mit dem Virgl. Einen Plan hat nur der Investor. Noch hat er ihn nicht durchgesetzt. Es gibt Widerstand in der Stadt, Landeshauptmann Kompatscher zögert noch, auf welche Seite er sich schlagen soll. Doch René Benko und Heinzpeter Hager können ihre Pläne nur vorantreiben, weil die Stadt keinen Plan hat. Sie hat seit Jahren keinen Plan, wenn es um den Virgl, das Stadtmuseum oder den Ötzi geht. Wollen wir das eigentlich, einem Investor so viel Macht an die Hand geben, ihm die Filetstücke der Stadt übereignen?
Der Investor ist so stark, weil die Stadt so schwach ist. Jetzt bewegt sich die Diskussion um die Verlegung des Ötzi wieder in einem engen Korridor. Da die Befürworter, dort die Gegner, dazwischen nichts. Genauso wie beim Einkaufszentrum, das jetzt mitten in die Stadt gepflanzt wird. Es gäbe eigentlich kein besseres Areal für den Ötzi, das Naturmuseum, das Stadtmuseum und auch die neue Bibliothek. Doch jetzt ist das Gelände für die Stadt unwiederbringlich verloren.
Deshalb täte es gut, bei der Verbauung des Virgl auf die Bremse zu treten und nach einer sanften Lösung zu suchen, unter Einbindung der Bürger. Anstatt schnell vor einem Investor niederzusinken, der einen Klon der Oper von Oslo (auch sie hat das norwegische Architekturbüro Snohetta gebaut) über dem Virgl abwerfen will und es sehr eilig hat, jegliche Diskussion zu unterbinden.
Die Stadt muss einen Plan haben, sonst wird sie (wieder) überrumpelt.
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