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Leitartikel
Der Gehorsam des Glaubens
Aus ff 17 vom Freitag, den 26. April 2019
Der frühere Papst Benedikt XVI. macht die 68er für sexuellen Missbrauch verantwortlich. Er belegt damit, warum die katholische Kirche in einer schweren Krise steckt.
Die 68er sind schuld, dass es in der Kirche sexuellen Missbrauch gibt. Das behauptet jedenfalls der Mann, der sich als Papst Benedikt XVI. nannte, Joseph Ratzinger. Er ist jetzt 92 Jahre alt, 2013 trat er freiwillig zurück. Er ist einer jener Vertreter der Kirche, die die Schuld immer bei den anderen suchen. Er steht für eine harte Kirche, für die Gehorsam wesentlich für den Glauben ist.
So steht es in dem langen, sehr sonderbaren Text, der vor ein paar Wochen in einem Blättchen namens Klerusblatt in Bayern erschien und in Italien etwa vom Corriere della Sera gnädig aufgegriffen wurde.
Es geht darin um Pädophilie, Priestermangel, leere Kirchen, um das Christentum, das die einzige Rettung für einen selber und die Welt sei. Und um den Teufel, der an diesem Glauben nagt. Des Teufels ist, so kann man aus diesem Text herauslesen, wer die katholische Kirche kritisiert. Gottesstaat statt Demokratie?
Die Protestgeneration der Sechziger hat in Ratzingers Gemüt ein verzehrendes Feuer hinterlassen, das bis heute nicht erlöscht ist. Sie ist in seinen Augen verantwortlich für die Umwertung aller Werte, für Sex ohne Reue, für Sexualkunde in der Schule, bei der den Schülern gesagt wird, dass nicht der Storch die Kinder bringt.
Außerdem für Pornokinos und die Entfesselung der Pädophilie – es gab Leute, die Pädophilie verharmlosten, ja, die die Lockerung der Sexualmoral ausnutzten.
Aber so, wie es Papst Benedikt darstellt, denunziert er eine ganze Generation. Die Grünen etwa haben sich gründlich damit auseinandergesetzt, in der katholischen Kirche ist diese Auseinandersetzung beileibe nicht abgeschlossen.
Warum lenkt Joseph Ratzinger die Aufmerksamkeit auf die 68er und nicht etwa auf den Zölibat? Dietmar Pfeifer, ehemaliger Direktor des kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen, erhielt 2011 den Auftrag, den sexuellen Missbrauch in der katholischen Kirche in Deutschland zu untersuchen. Er zerschellte an einer Mauer der Ablehnung.
Nun hat er in der Hamburger Wochenzeitung Die Zeit erstmals darüber gesprochen. Er sagt darin unter anderem: „Das Verbieten von
Sexualität ist ein Grundfehler und hat massiv zum Missbrauch beigetragen. Die ständige Lüge von der Enthaltsamkeit vergiftet die Kirche von innen her.“
Joseph Ratzinger konstruiert aus flüchtigen Beobachtungen eine Theoriegebäude, eine Welt, in der das Böse sich Bahn bricht. In der nur Katholiken gut sind.
Schwarz oder weiß. Doch wäre die Welt noch wie damals, als den Klerikern und Konservativen die Deutungshoheit über die Moral aus den Händen gerissen wurde, würden wir Sexualität immer noch als schambeladen erleben, heimlich Kondome kaufen, Liebe mit schlechtem Gewissen verbinden, von Scheidung und Abtreibung gar nicht zu reden.
In vielem ist dieser Text schäbig, weil er mit Unterstellungen arbeitet. Mit der Unterstellung zum Beispiel, wer nicht an Gott glaube und ihm gehorche, sei verantwortlich dafür, dass diese Welt kein Maß mehr kenne.
Dieser ehemalige Papst, ein Gelehrter mehr als ein Seelsorger, macht es sich einfach. Er ignoriert die Welt, die Aufklärung, die Menschenrechte und die Menschen, die nach ethischen Grundsätzen leben.
Es gibt auch einen Sinn in der Welt, jenseits von Gott – er ist nur vielleicht nicht so einfach zu finden. Um das nicht zu sehen, muss man die ganze Geschichte der Philosophie ausblenden. Und leugnen, dass es gute Menschen gibt, die nicht an Gott und die Kirche glauben.
„Die Macht des Bösen“, schreibt der Papst im Unruhestand, „entsteht durch unsere Verweigerung der Liebe zu Gott.“ Wie gut oder wie böse war die Welt, als alle Menschen an Gott glaubten, bei Strafe glauben mussten?
Was ist das für eine Kirche, die sich im Aufsatz von Joseph Ratzinger zeigt? Eine Kirche des Gehorsams, der Märtyrer, der Lustfeindlichkeit, der einfachen Gewissheiten, autoritär und nicht demokratisch, eine Kirche ohne Zweifel, jenseits der Wirklichkeit.
Eine Kirche, die versucht, Freiheiten einer liberalen Gesellschaft zu beschneiden.
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