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Leitartikel
Machtfaktor Frau
Aus ff 27 vom Donnerstag, den 04. Juli 2019
Für mehr Gleichberechtigung auf die Straße gehen? Warum nicht! Von Lohngleichheit beispielsweise sind wir in Südtirol auch im Jahr 2019 noch weit entfernt.
Um die Sache der Frauen steht es in Südtirol, das lässt sich schwer verheimlichen, nicht sonderlich gut. Die Grünen-Abgeordnete Brigitte Foppa, ihre Erfahrungen diesbezüglich sind reichlich, fasste die Misere vor Kurzem so zusammen: „Alle, die Angst vor dem Genderwahn haben, können beruhigt sein: Die Politik bleibt frauenfrei.“
Die Politikerin spielt auf den Grünen-Gesetzentwurf zur „angemessenen“ Vertretung der Geschlechter in den Gemeinderatskommissionen an. Zunächst wurde im Gesetzgebungsausschuss des Regionalrates das Wörtchen „angemessen“ gestrichen, und am Ende dann der ganze Gesetzentwurf abgelehnt. Damit, so Foppa, sei „nicht einmal ein Minimum an garantierter Vertretung für Frauen möglich. Wir stehen bei null“.
Der Kampf um Gleichberechtigung ist eine Jahrhundertaufgabe. Und er ist noch lange nicht gewonnen, weder in Italien noch in Deutschland, auch nicht in Schweden, und schon gar nicht in Südtirol. Frauen verdienen in unserem Land als Angestellte immer noch rund 17 Prozent weniger als ihre Kollegen. Frauen sind in der Privatwirtschaft häufiger von prekären Arbeitsverhältnissen betroffen. Frauen haben schlechtere Karriereentwicklungen. Frauen haben niedrigere Pensionen. Frauen sind in höherem Ausmaß von Altersarmut betroffen. Im Landtag sind es nur mehr 9 Frauen – bei 26 Männern.
Die Beteuerung von allen Parteien, Verbänden und Organisationen, wie wichtig es sei, dass Frauen gleich den Männern über unser aller Geschicke mitentscheiden können, klingt da ziemlich schal. Die Gleichstellung der Geschlechter ist ein altes Versprechen. Aber wer seine Versprechen zu lange nicht einlöst, wird unglaubwürdig.
Zugegeben: In den vergangenen Jahren hat sich einiges getan in der Frauen- und Familienpolitik, auch gab es allerlei emanzipatorische Anläufe. Trotzdem wird Südtirol aufwachen müssen – und mit ihm seine Frauen. In der Schweiz zum Beispiel legten jüngst Zehntausende von Frauen ihre Arbeit nieder, gingen auf die Straße und demonstrierten für gleiche Bezahlung, günstigere Kitas und gegen sexuelle Belästigung.
Ist doch egal, könnte man sagen, ob man das bei uns hier mitbekommt. Doch die Frage ist, wie feministischer Protest heute aussehen soll, um eine breite Wirkung zu erzielen? Die meisten Forderungen für Frauenanliegen jedenfalls lassen sich nur durchsetzen, wenn irgendwem irgendetwas wehtut: Weil beispielsweise andere Menschen Macht und Geld abgeben müssen.
Südtirol ist so ein Frauenstreik à la Schweiz zu wünschen. Ein Aktionstag, an dem es um die Sichtbarkeit der Frauen und die Anerkennung ihrer Arbeit geht. Südtirol ist eher ein braves Land. Da braucht es viel Frust und Lust, damit jemand auf die Straße geht. Und Frauen drängen sich nun einmal nicht vor. Frauen weben geduldig an ihren Karrieren, während Männer verdienen. Frauen, die etwas an der Situation ändern wollen, müssen die Machtprobe wagen und sich auch mal unbeliebt machen unter Kollegen.
Politik und Gesellschaft müssen ihrerseits bei der Wertigkeit von Arbeit neue Prioritäten setzen: Erziehung, Bildung, Betreuung oder Pflege von Menschen sind wichtige, wertvolle Arbeiten. Nur leider lassen wir uns die noch immer nichts kosten.
Der Aktionstag „In den Medien nur die weibliche Form“ ausgehend vom Frauennetzwerk wnet mag ein Anfang sein. Die unzureichende Sichtbarkeit von Frauen und ihren Leistungen, so die Initatorinnen, werde durch die Verwendung des generischen Maskulinums in Wort und Schrift noch verstärkt. Klar, das Ziel allgemeiner Gleichberechtigung ist noch nicht erreicht, wenn das Binnen-I gesetzt wird. Dennoch sollte das Potenzial von Sprache nicht unterschätzt werden. Sie kann auf ihre Weise Veränderung bewirken.
Allianzen schmieden, einander fördern, Projekte und Aktionen durchziehen – all das kann zu mehr Gleichberechtigung führen. Jedoch muss die Politik endlich auch die Rahmenbedingungen für die wirtschaftliche Gleichberechtigung schaffen.
Der französische Präsident Emmanuel Macron hat die Gleichberechtigung zur Priorität seiner Amtszeit erklärt. Das ehrt ihn, wenngleich er bislang seinen Worten kaum Geld hat folgen lassen.
Landeshauptmann Arno Kompatscher ist in dieser Legislatur auch für den Bereich der Chancengleichheit zuständig. Was er daraus machen wird – man darf gespannt sein.
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