ff 28/19 über das Jahrhundertprojekt Bahnhofsareal in Bozen und den Investor, der nun gesucht wird
Leitartikel
Im Sanitäts-Dschungel
Aus ff 31 vom Donnerstag, den 01. August 2019
Zwei altbewährte Gesichter sollen nun die Probleme im Gesundheitswesen lösen. Bislang aber zeichnet sich nicht wirklich ab, wohin die Reise des Duos Widmann-Zerzer gehen soll.
Wer sich mit Gesundheitspolitik beschäftigt, ist einerseits glücklich und andererseits ein armes Schwein. Glücklich ist er, weil es in Südtirols Sanität nie langweilig wird, und sie immer für eine Schlagzeile gut ist. Keine Woche, nein, kein Tag vergeht ohne zumindest eine kleine oder mittelgroße Störung. Das Dilemma mit der Facharztausbildung, eine zerstrittene Ärzteschaft, das Problem mit der zweiten Sprache, die langen Wartezeiten, der Mangel an Pflegern, Fach- und Basisärzten und und und.
Die Kirsche auf der Torte: Wegen der starken Regenfälle mussten im Bozner Krankenhaus Operationen verschoben werden. Das Wasser war durch das Spitalsdach gedrungen – bis in die Gänge einiger Operationssäle. In Kübeln musste es aufgefangen werden.
Also ehrlich, man weiß jetzt nicht, ob man darüber lachen oder sich erschrecken soll.
Irgendwann, wenn man als Laie lange den Fachleuten zugehört und die ganze Szenerie über Jahre beobachtet hat, da wünscht man sich, einmal Alexander der Große zu spielen: sich ein Schwert zu angeln und das kunstvoll verknotete System kurzerhand zu zerschlagen. Freilich, das geht nicht. Aber besser fühlen würde man sich danach bestimmt.
Jetzt ist Neogesundheitslandesrat Thomas Widmann dran, es zu richten. Gemeinsam mit dem Nicht-mehr-ganz-Neogeneraldirektor Florian Zerzer darf er sich durch das wilde Sanitätsgeflecht schlagen. Beide Herren sind bekannt im politischen Betrieb: Widmann als Mobilitätslandesrat und zuletzt als Landtagspräsident. Zerzer als jahrelanger Ressortchef unter Landesrat Theiner – zehn Jahre davon im Gesundheitswesen. Er war ein Verfechter der Medical School und sagte bereits damals (und das ist immerhin rund sieben Jahre her), dass es eine „bessere Verzahnung zwischen Territorium und Krankenhaus“ brauche.
Nach der Ära Stocker-Schael setzt man nun auf altbewährte männliche Gesichter. Was die beiden als Duo draufhaben werden, vermag man jedoch nicht einzuschätzen. Noch wirken sie nicht aufeinander eingespielt, sie suchen ihre Rollen. Das aber werden sie bald müssen, denn wenn politische Führung und verwalterische Operative nicht gut zusammenspielen, wird das Ergebnis zwangsläufig desaströs ausfallen.
Das Projekt Widmann-Zerzer dürfte spannend werden. Bei einem Thommy Widmann ist grundsätzlich alles möglich, egal, auf welchen Amtsstuhl man ihn setzt. Bauernbunddirektor war er, SVP-Landessekretär, Landesrat, Landtagspräsident, SVP-Wahlkampfmanager. Gegenüber diesem Magazin sagte er vor einiger Zeit: „Wenn ich eine Aufgabe bekomme, setze ich sie mit vollem Engagement um. Wenn ich ein Ziel habe, komme ich da hin – auch wenn sich Hürden ergeben.“
Fast möchte man sagen: Da ist er nun in der Sanität genau richtig.
Gesundheitslandesrat zu sein, ist kein Zuckerschlecken. Man kann sich viele Feinde machen auf diesem Posten, man kann leicht im Nirwana zwischen Ärzten, Gewerkschaften, Rom und Digitalisierung verschwinden.
Wenn Widmann eines nicht mag, dann ist es Stillstand. Er denkt schnell, redet schnell, selten geht ihm die Energie aus. Man darf gespannt sein, wie lange seine Duracell-Batterie anhalten wird in der Behäbigkeit des Gesundheitssystems, den quälend langen Verfahrensabläufen und dem gegenseitigen Ausbremsen der Akteure.
Bislang lässt sich der Landesrat allerdings Zeit. „Es wird Monate dauern, bis man wirklich weiß, worum es geht“, sagte er im Januar dieses Jahres gegenüber dem Tagblatt. Acht Monate später ist noch kein Konzept, kein Plan des neuen Sanitäts-Duos ersichtlich.
Beide Herren wissen und sagen: „Ich brauche ihn, er braucht mich.“ Und: „Es funktioniert nur im Team.“ Das ist keine schlechte Ausgangslage. Jetzt brauchen sie nur noch die Schwachstellen des Systems richtig zu erkennen, zu wissen, welche davon prioritär zu behandeln sind. Gute Nerven und einen übergeordneten, großen, gemeinsamen Plan. Und sich nicht mit Klein-Klein zufriedengeben.
Es gibt übrigens eine zweite Überlieferung zu Alexander dem Großen und dem Gordischen Knoten. Laut dieser soll Alexander das Problem mit Schläue gelöst haben: er zog einfach nur den Pflock zwischen den Seilen heraus.
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