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Leitartikel
Reißt die Türen auf!
Aus ff 36 vom Donnerstag, den 05. September 2019
Schule ist eine Angelegenheit der ganzen Gesellschaft. Über sie muss offen geredet werden, sie darf sich nicht verschließen. Worüber zu reden wäre.
Über eines wird in Südtirol nicht geredet. Über die Schule. Und wenn, dann nur in Randzirkeln. Manchmal maulen die Gewerkschaften, dann wieder meckern die Eltern kurz.
Aber sonst rührt sich wenig. Ist uns die Schule nicht wichtig genug? Oder ist sie so gut und so gut ausgestattet, dass sich jede Diskussion erübrigt?
Gut ausgestattet ist sie gewiss. Nirgends gibt es so schöne Schulgebäude wie bei uns. Aber man weiß auch: In der Maturaklasse wünschen die Schülerinnen und Schüler sich sehnlichst, dass es endlich zu Ende sein möge. Schule ist manchmal wenig sexy.
Gut ist die Südtiroler Schule auch, so besagen es jedenfalls die Pisa-Studien, auch wenn Südtirol dabei letzthin schwächer abgeschnitten hat. Die Pisa-Studien sagen freilich wenig darüber aus, ob die Schülerinnen und Schüler zu selbstständigen Menschen erzogen werden, sozial denken, politisch eigenständig sind, Fake News erkennen, mit sozialen Medien umgehen können.
Selbstständig denken lernen: Das ist die eigentliche Aufgabe der Schule. Auch mit einem Fach wie politische Bildung. Dazu braucht es freilich Lehrpersonen, die eine Beziehung zu den Schülerinnen und Schülern aufbauen, klar sind und sich angreifbar machen.
Das ist eine mühsame Gratwanderung. Aber wenn Beziehung nicht gelingt, gelingt auch Schule nicht.
Es wäre gut, wenn Lehrpersonen sich mehr hinterfragen würden. Sie tun sich oft schwer damit, haben das Gefühl, sich verteidigen zu müssen – in einer Gesellschaft, die ihre Arbeit manchmal wenig schätzt. Lehrerinnen und Lehrer verharren oft in einer Splendid isolation. Klassenzimmer zu, und niemand wirft mehr einen Blick darauf, was dahinter passiert. Dort gibt es oft genug noch Frontalunterricht, etwa in Italienisch oder Deutsch als Zweitsprache. Die Schülerinnen und Schüler kommen kaum zu Wort – es wird ihnen die hohe Literatur eingeflößt, obwohl das Sprachencurriculum ausdrücklich etwas anderes vorsieht.
Die Schule ist ein vielfältiger Planet. Es verbietet sich, alle, die dort arbeiten, über einen Kamm zu scheren. Es gibt viel engagierte Lehrpersonen, Menschen, die ihre Schülerinnen und Schüler mögen, die die Zusammenarbeit mit den Kolleginnen und Kollegen suchen, die nicht im fortgeschrittenen Dienstalter in der Früh muffelnd das Tor zur Schule durchschreiten.
Trotzdem braucht die Schule, um zu wachsen, mehr Offenheit, mehr Bereitschaft, sich infrage zu stellen, mehr Öffnung hin zur Gesellschaft. Manche Dinge lernt man erst in der Auseinandersetzung mit anderen, nicht in einem sterilen Schutzraum.
Reißt die Klassenzimmer auf, lasst die Leute herein, die etwas zu erzählen haben, lasst die Schülerinnen und Schüler hinaus! – nicht nur zu Zwangspraktika, die oft lustlos abgedient werden.
Ein paar Dinge würden helfen, Unterricht zu verbessern und zu erleichtern. Konstanz in der Ausbildung. Offene Klassenzimmer – vor allem in der Oberschule. Ehrliche Auseinandersetzung unter Kollegen. Mehr Personal – das Land hat jahrelang geschlafen, sodass jetzt in Kindergarten und Grundschule ein dramatischer Personalmangel herrscht. Ein gleitender Übergang in die Pension für Lehrpersonen, die stuff sind. Auswahlmöglichkeit für die Direktorinnen und Direktoren. Eine Universität, die sich in die Belange der Schule einbringt, auch mit öffentlichen Debattenbeiträgen. Eine mehrsprachige Schule, die neue Horizonte eröffnet. Höhere Gehälter würden bestimmt auch helfen.
Und noch etwas, wenn Sie ein Kind in der Schule haben: Sagen Sie es der Lehrerin oder dem Lehrer, wenn Sie finden, dass er seinen Job gut macht.
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