Theater – Nachruf auf den Theaterpionier Rudi Ladurner: (gm) Rudi Ladurner war ein Theatermacher, der es gerne warm und heimelig ...
Leitartikel
Anfangen
Aus ff 01 vom Donnerstag, den 02. Januar 2020
Nachhaltiges Leben kann nur funktionieren, wenn alle – auch die Politik – der unbequemen Realität ins Auge sehen. Im neuen Jahr gibt es genügend Gelegenheiten, den Worten auch Taten folgen zu lassen.
Mit dem guten Leben ist das so eine Sache. Ständig wird man darauf hingewiesen, dass es an der Zeit sei, nachhaltiger zu leben, zu denken und zu handeln. Selbst Landeshauptmann Arno Kompatscher lässt keine Gelegenheit aus, Südtirol als künftiges „nachhaltiges Klimaland“ zu propagieren. Ja, und die Landesregierung debattierte jüngst gar auf einer eigenen Klausurtagung mit einem eigenen Nachhaltigkeitsberater darüber, wie man Südtirol zum „Klima-Vorreiter“ machen könnte.
Nachhaltigkeit ist längst zu einem Schlüsselbegriff des politischen Diskurses geworden. So sehr, dass selbst die Grünen mit dem Kopf schütteln und nicht mehr wissen, wie sie dieses „skurrile Schauspiel“ (Zitat Grüne) einordnen sollen.
Was in der Debatte oft untergeht, ist die entscheidende Frage: Was ist das, Nachhaltigkeit? Der Begriff hat schon einige Jahrhunderte überlebt – der Sachse Carl von Carlowitz (1645–1714) brachte die Idee des nachhaltigen Wirtschaftens in die Köpfe der Menschen. Er forderte eine verantwortungsvolle Forstwirtschaft, eine „nachhaltende Nutzung“ der Wälder.
Mittlerweile ist der Begriff in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Menschen gehen für das Klima auf die Straße, kaufen Bioprodukte, hören auf zu fliegen, achten auf die Energiebilanz des eigenen Zuhauses. Jeder noch so kleine Schritt jedes Einzelnen ist wichtig für das große Ziel.
Echter Klimaschutz geht nur, wenn sich wirklich alle dazu bekennen. Und wenn auch alle Politiker es wagen, die Veränderungen nicht nur wie ein Mantra vor sich herzutragen, sondern konkret anzugehen.
Doch hier liegt auch der Haken: beim Etikettenschwindel. Wo alles nachhaltig ist, ist am Ende nichts mehr nachhaltig. Ein Begriff, der oft nur der Beruhigung des eigenen Gewissens dient.
Das Raumordnungsgesetz etwa spricht in weiten Zügen keine besonders nachhaltige Sprache.
Maßnahmen zur Eindämmung des Verkehrs-aufkommens lassen nach wie vor auf sich warten.
Umstrittenen Skigebietsverbindungen wird trotzdem grünes Licht gegeben.
Die touristische Erschließung des Landes hat die Grenzen des Verträglichen längst erreicht.
Jüngst genehmigte die Landesregierung die Umwidmung des Biotops Ilsterner Au in der Gemeinde Kiens von rund 5.000 Quadratmeter Wald in Landwirtschaftsgebiet – entgegen dem Gutachten der eigenen Ämter. Noch im Sommer beteuerten Regierungsmitglieder auf einer Pressekonferenz, auf die Artenvielfalt zu setzen, „um Lebensräume zu erhalten“ und diese „für die nächsten Generationen in ihrer Vielfalt abzusichern“.
Zwischen Sagen und Tun liegen in der Politik oft noch Welten. Warum nur fällt es so schwer, Wissen und Worte in Handeln zu übersetzen?
„Anfangs scheint einem das Anfangen am schwersten“, schrieb die Dichterin Ingeborg Bachmann. „Hat man aber erst einmal begonnen, so stellt sich das Weitergehen als noch schwieriger heraus.“
Gerade deshalb bietet sich ein Jahreswechsel an, etwas erneut zu versuchen und darüber nachzudenken, was zu tun ist, damit es im neuen Jahr wirklich anders, leichter, wahrer werden könnte. Zum Beispiel nicht mehr nur von Nachhaltigkeit faseln, sondern danach leben. Wer einmal sagt, Verantwortung für das Ganze zu übernehmen, kann sich nicht umdrehen und wieder anderen Dingen zuwenden.
Zur Nachhaltigkeit gehört ein gutes Leben für alle. Und wenn alle mitmachen, muss Klimaschutz nicht anstrengend sein. Und nur dann gelingt es, das Thema nicht so schnell wieder von der politischen Agenda verschwinden zu lassen. Nachhaltigkeit muss sowohl in der Gesellschaft als auch in der Politik die Maxime des Handelns werden. Neue Gesetze und Vorhaben müssen strikt danach ausgerichtet werden. Mutiges Probieren, auch mal ins Unbestimmte hinein, gehört mit dazu.
Um es mit den Worten von Hannah Arendt zu sagen, einer der bedeutendsten politischen Denkerinnen des 20. Jahrhunderts: „Wir können etwas beginnen, weil wir Anfänge und damit Anfänger sind.“
Ein frohes neues Jahr.
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