150.000 Tote weltweit – diese Zahl zeigt, was das kleine fiese Ding alles kann. Und jetzt macht es mich, die Freiheitsliebende, auch noch zur Denunziantin. Schluss damit!
Leitartikel
Ein Recht auf Gegenwart
Aus ff 17 vom Donnerstag, den 23. April 2020
In der Coronakrise zeigt sich einmal wieder, welchen Stellenwert Kinder und Familien in der Politik haben. Keinen besonders hohen.
In der Debatte über die Lockerungen der Corona-Maßnahmen hat sich das Land in der vergangenen Woche mit Schutzanzügen und Schutzmasken beschäftigt. Und mit der Öffnung bestimmter Betriebe. Es wurde darüber gestritten, ob das Risiko für fünf Arbeiter auf einer Fläche von 60 Quadratmetern geringer ist als jenes von 50 Mitarbeitern auf einer Fläche von 5.000. Und wann und wie die touristische Sommersaison losgehen könne. Alles wichtig, keine Frage. Aber wie es mit der Betreuung von kleinen und größeren Kindern weitergeht, das war – wenn überhaupt – Nebensache.
Landesrätin Waltraud Deeg sagte kürzlich, man wolle „möglichst viele auffangen und die Eltern entlasten“. Bei der Sommerbetreuung werde es etwa „kleinere Gruppen geben, die unter Einhaltung der Sicherheitsbestimmungen betreut werden“. Das zu planen, sei „ein großer Aufwand“. Man stelle sich mal vor, das hätte der Wirtschaftslandesrat gesagt: Man werde möglichst viele Hoteliers und Gastwirte auffangen. Aber es sei nun einmal ein großer Aufwand, das zu tun. Was für einen Aufschrei hätte es da gegeben.
Die Eltern wissen bislang also nur eines: dass ihre Kita-, Kindergarten- und Schulkinder noch wochen-, ja monatelang zu Hause bleiben müssen, weil die Strukturen geschlossen bleiben. Spielplätze – abgesperrt. Besuch bei den Großeltern – verboten. Mit Freunden spielen – ebenso verboten. All das mag aus epidemiologischer Sicht richtig und wichtig sein. Genauso wichtig wäre es aber auch, jetzt ein überzeugendes Begleitkonzept zu präsentieren.
Die Corona-Pandemie trifft nämlich auch die Jüngsten und Heranwachsenden in unserer Gesellschaft. Im Corona-Alltag ohne Großeltern, Tagesmutter, Kita oder andere Helfer all die vielen Aufgaben und Arbeiten zu jonglieren, das ist alles andere als eine Kleinigkeit.
In dieser Krise zeigt sich einmal mehr, dass die Kleinsten in diesem Land kein Gewicht haben. Eine schlagkräftige Lobby haben Kinder immer noch nicht. Sie werden zwar meistens mitgemeint, aber selten mitgedacht.
Mitgemeint, wenn es darum geht, Betriebe und Geschäfte wieder zu öffnen, damit Eltern arbeiten gehen und damit auch wieder produktiver sein könnten. Alles im Sinne der Wirtschaft und für unser aller Wohlstand.
Mitgedacht wird nicht, dass Kinder andere Kinder und dass sie sehr viel Bewegung brauchen, auch im Freien. Und sie wieder rauskommen müssen aus oft viel zu engen Wohnungen, mal weg von Eltern, die vielleicht auch schon vor Corona mit der Erziehung überfordert waren.
Wenn derzeit über das Ende des Lockdowns diskutiert wird, wird dies ausschließlich von einer Seite her gedacht, nämlich jener der Branchen, in denen die Eltern arbeiten. Nicht aber von der Seite der Kinder. Ein Neustart ist für niemanden leicht. Auch nicht für Kinder. Mitgedacht wird auch nicht, dass je nach Alter des Kindes es zu erwarten ist, dass es sich nach der Krise erst wieder eingewöhnen muss.
Eltern und Kinder brauchen eine Vorstellung davon, wie es weitergehen kann. Die Politik muss auch hier verständlicher, klarer und transparenter kommunizieren. Alles zugesperrt lassen, das reicht nicht. Kreative und innovative Lösungen sind gefragt. Der Mensch ist ein soziales Wesen, Kinder sind soziale Wesen. Kontakte sind wichtig für ein gesundes Immunsystem.
Wir, die Kinder und Jugendlichen, müssen sich wieder begegnen können. Treffen in stabilen Kleingruppen sollten beispielsweise wieder erlaubt werden – der dadurch entstehende Personenkreis sollte dabei begrenzt sein. Wir brauchen eine Notbetreuung für Kinder von Eltern in systemrelevanten Berufen, von erwerbstätigen Alleinerziehenden oder für Kinder, die in der familiären Isolation von Gewalt bedroht sind.
Kinder haben ein Recht auf Gegenwart. Ihnen monatelang ihre Grundbedürfnisse zu verweigern, das wird unsere Gesellschaft krank machen.
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