Gasthaus Durnwald, Pichl/Gsies: Erdäpfelblattlen, Schlutzer und Braten-Allerlei.
Leitartikel
Die Leiden der Jungen
Aus ff 22 vom Donnerstag, den 28. Mai 2020
Die junge Generation wird in dieser Coronazeit viel zu wenig wahrgenommen. Warum bloß spielt ihre Stimme in der öffentlichen Diskussion keine Rolle?
Corona darf Kritik und Streit nicht lähmen. Im Gegenteil. Es ist ein Grundrecht, gegen die historisch einmalige Einschränkung von Freiheitsrechten zu demonstrieren. Und man darf die Maßnahmen zur Einschränkung der Pandemie auch für gänzlich falsch halten. Es wäre unfair, alle Demonstranten und Kritiker pauschal zu beurteilen. Zuhören ist meistens eine gute Idee. Und welche Maßnahmen richtig oder falsch gewesen sind, wird man erst mit zeitlichem Abstand besser beurteilen können.
Es darf diskutiert und gestritten werden. Über die 2-Meter-Abstandsregelung in der Gastronomie. Über die Urlaubssaison. Über den österreichischen Kanzler Sebastian Kurz und seinen politischen Kurs hinsichtlich der Grenzöffnungen. Und ja, auch das Tragen von „Sporthandschuhen“ in den Fitnessstudios.
Die Lockerungen gestalten sich komplizierter als das Runterfahren. Auch weil die gesellschaftlichen Interessen stärker zueinander im Kontrast stehen. Jeder will in seinem Bereich so schnell wie möglich „in die Normalität“ zurück. Die Gastronomie. Der Tourismus. Die Betriebe. Aber während sich für Erwachsene das Leben langsam wieder „normalisiert“, sie wieder zur Arbeit, in Gasthäuser und in Museen dürfen, bleiben Jugendliche weiter zu Hause: Schulen und Unis sind weit entfernt vom regulären Betrieb.
Die Politik muss hier die große Perspektive im Auge behalten – und darf nicht den lautesten Rufern und deren Individualinteressen folgen. Es geht darum, die negativen Auswirkungen der Krisen in so vielen Lebensbereichen wie möglich zu minimieren. Dabei darf nicht alles auf Kosten der Jüngeren gehen. Wie wird diese Pandemie die Jungen prägen? Darüber sprechen nur wenige. Der veränderte Lebensalltag und die Sorgen der jungen Menschen werden bislang kaum wahrgenommen.
Die Jugend ist Sturm und Drang. Corona aber ist Stillstand. Der Jugend gehört die Zukunft. Corona aber versetzt weltweit Jugendliche in große Verunsicherung. Die Jungen messen sich derzeit nicht – nicht beim Sport, nicht beim Wortgefecht vor der Klasse, nicht beim Tanzen in den Diskotheken. Sie können keine Open Airs besuchen, keine Fußballspiele. Hütten- und Zeltlager im Sommer – fallen vielfach aus. Feriencamps am Meer oder Musikworkshops – nur unter strengsten Auflagen. Physische Nähe mit vertrautem Unter-sich-Sein und Zusammensein – darf nicht sein. Jugendliche Lebenswelten, in denen man Rituale lebt, experimentiert, seine Grenzen austestet – auf Eis gelegt.
Ein öffentliches Jugendleben findet derzeit nicht statt. Jugendliche aber, die nicht mehr rauskönnen, nicht mehr feiern dürfen, die sich Sorgen um Freundschaften machen, verlieren wichtige Entwicklungszeit.
Das Institut für Jugendkulturforschung befragte 1.000 junge Österreicherinnen und Österreicher zu ihrem Leben in Zeiten von Corona. 46 Prozent der 16- bis 29-Jährigen gehen von einer Verschlechterung ihrer Zukunft aus, zwei Drittel erwarten eine Wirtschaftskrise, 80 Prozent einen drastischen Anstieg der Arbeitslosigkeit. Besonders unterprivilegierte und bildungsferne Schichten sehen unsichere Zeiten auf sich zukommen.
Jugendforscher der Universitäten Hildesheim und Frankfurt haben rund 6.000 junge Menschen zwischen 15 und 30 Jahren in Deutschland zur Zeit in der Pandemie befragt. Fast die Hälfte aller Befragten hatte in den vergangenen Monaten nur noch mit zwei Freunden Kontakt. Neun Prozent gaben an, dass sie niemanden treffen. Ein Viertel sagt, sie hätten nicht den Eindruck, dass ihre Sorgen gehört werden. Viele verstört es, dass sie vor allem auf ihre Rolle als Schüler und Prüflinge reduziert werden, über die andere sprechen. Sie selbst fragt keiner.
Im öffentlichen Diskurs geht es primär um wirtschaftliche Belange, aber nicht darum, wie junge Menschen ihre alltäglichen Lebenswelten wieder normalisieren können. Die Jugendlichen dürfen sich nicht ständig den Interessen von Erwachsenen unterordnen. Und die Politik sollte diese Krise endlich nutzen, um auch mit den jungen Menschen in Kontakt zu kommen. Ideen haben diese bestimmt genug.
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