Die Präsidentin des Filmclubs ist keine Anhängerin von Nationalismus und Rassismus und hatte ihren letzten Rausch auf Jochgrimm. Ihre ...
Leitartikel
Hass, der Gewalt wird
Aus ff 28 vom Donnerstag, den 09. Juli 2020
Die brutalen Tritte gegen einen Mann aus Afrika in Bruneck zeigen: Es braucht nicht viel, damit der Hass auf Menschen durchbricht, die eine andere Hautfarbe haben. Niemand kann jetzt so tun, als sei nichts passiert.
In Jesolo wird ein Mann aus Tunesien von ein paar jungen Männern halb tot geschlagen. Er liegt auf der Intensivstation eines Krankenhauses. Der Bürgermeister des Badeortes will dazu keine Stellungnahme abgeben.
Was ist das für ein Land, in dem ein Mensch auf die Intensivstation geprügelt wird und ein Bürgermeister dazu schweigt?
In Bruneck wird ein Mann aus Nigeria von ein paar jungen Männern brutal mit Füßen getreten, als er schon am Boden liegt. Die Männer sagen – im Pusterer Dialekt: „Du schwuler N(***), fick dich du N(***).“ Der Mann hatte vorher am Graben in Bruneck randaliert.
Der Bürgermeister der Gemeinde Bruneck, Roland Griessmair, verurteilt die Tat und warnt gleichzeitig, den Mann aus Nigeria vorschnell zum Opfer zu machen.
Was ist das für ein Land, in dem ein Bürgermeister mit dem ersten Satz Selbstjustiz verurteilt und im zweiten Satz relativiert?
Die Südtiroler Freiheit, in Person des Brunecker Gemeinderates Bernhard Hilber, schreibt in einer Presseaussendung zum Vorfall: „Am Wochenende haben einige einheimische Jugendliche im Zentrum von Bruneck einen gefährlichen Randalierer beziehungsweise Schläger gestoppt. Dieser hatte unter anderem Fahrräder und Blumentöpfe beschädigt, in einer Bar randaliert, einer Frau ins Gesicht geschlagen und Menschen mit einer abgebrochenen Glasflasche bedroht und sogar verletzt. Jetzt die Jugendlichen wegen ein paar Beleidigungen als die Täter darzustellen, ist nicht hinnehmbar. Dass die Jugendlichen den Verbrecher gestoppt haben, ist sehr erfreulich, da es in Europa öfters durch Schläger zu Schwerverletzten und Toten kommt. Dass unsere Jugendlichen so viel Zivilcourage zeigen und eingreifen, um Schlimmes zu verhindern, ist zu loben und nicht zu tadeln.“
Was ist das für eine Partei, die Gewalt zur Zivilcourage umdeutet? Wie soll man es anders nennen als Rassismus, wenn ein Mensch mit Füßen getreten und wegen seiner Hautfarbe beleidigt wird . N(***) ist, man kann es drehen und wenden, wie man will, eine Beleidigung, eine Herabwürdigung eines Menschen, der zufällig eine andere Hautfarbe hat.
Wie soll man es anders nennen als Rassismus, wenn der Gemeinderat der Südtiroler Freiheit Jugendliche lobt, die auf jemanden eintreten, wenn er Migranten pauschal mit Schlägereien in Verbindung bringt, die Schwerverletzte und Tote fordern? Die Logik ist: „Wir“ (Einheimische – wer immer das sein mag) haben Rechte, zum Beispiel auf Selbstbestimmung, mehr Rechte als die anderen. Muss man daran erinnern, dass jede(r) ein Recht auf ein bisschen Würde hat oder auf ein faires Gerichtsverfahren, das einordnet, was jemand verbrochen hat, das zum Beispiel klärt, warum der Mann randaliert hat (und es nicht zum Kapitalverbrechen überhöht). Vielleicht müsste man einfach einmal die Geschichte des Mannes aus Nigeria erzählen?
Rassismus in Südtirol? Ja, es gibt ihn auch hier, nicht nur in den USA: Wenn Menschen, die anders aussehen, als Erste kontrolliert werden. Es gibt ihn in den Kommentarfunktionen der Onlinemedien – die nichts dagegen unternehmen. Es gibt ihn, wenn betont wird, dass Covid-19 von Migranten eingeschleppt wird. Es gibt ihn, wenn Wohnungen nur an Einheimische vermietet werden – die Menschen, die abgewiesen werden, sind freilich diejenigen, die in unseren Büros die Böden wischen oder alten Menschen den Hintern abputzen. Oft ist ein (versteckter) Alltagsrassismus, in dem Menschen pauschal verdächtigt werden – ist einer so, sind es alle. Sind alle Südtiroler gewalttätig, wenn ein paar gewalttätig sind?
Nach Bruneck war die hohe Politik weitgehend still. Es wäre die Gelegenheit gewesen, sich eindeutig zu verhalten. Etwa zu sagen, Leute, Selbstjustiz dulden wir nicht, wir wenden uns klar gegen jede Form von Rassismus. Aber in der Landesregierung sitzt ja mit der Lega auch eine Partei, die täglich das Ressentiment gegen Menschen schürt, die anders sind und anders ausschauen.
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