Leitartikel

Mehr Prags und weniger Putin

Aus ff 38 vom Donnerstag, den 17. September 2020

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Die ff ist durch und durch eine Südtiroler Zeitschrift. Auch weil sich ihre Macher tief mit ­diesem Land und seinen Menschen verbunden fühlen. Auch in einer Art Hassliebe.

Wir Journalisten mögen es, wenn wir mit unseren Nachrichten dafür sorgen, dass unsere Leserinnen und Leser kritisch bleiben und mitdenken. Als wir uns für diese Ausgabe vornahmen, über unsere Leser zu schreiben, war klar: Wir müssen auch unsere Kritiker besuchen. Wir fanden einige, die unser Magazin manchmal lieben und manchmal hassen. Und die ihr Abo vor Kurzem gekündigt haben. Die Gründe dafür haben sie uns via Mail geschrieben, freundlich, aber bestimmt. Für ein offenes Gespräch über ihr Leiden an der ff standen sie nicht zur Verfügung. Man wolle dem Blatt nicht schaden, sagen einige.

Wenn Leser über die ff sprechen, klingt es oft, als habe sie menschliche Züge. Das Blatt, dieses Wesen, ist mehr als ein Ding, es wird jede Woche neu geboren, als Essenz von Gedanken, Bildern und Geschichten. Das Wohl und Wehe dieses Magazins ist deshalb immer auch mit dem Wohl und Wehe dieses Landes verbunden. Früher wie heute.

Die ff ist durch und durch eine Südtiroler Zeitschrift. Auch weil sich ihre Macher tief mit diesem Land und seinen Menschen verbunden fühlen. Auch in einer Art Hassliebe. Wir reiben uns an den Entwicklungen, treiben sie manches Mal an. Was in diesem Land passiert, was aus ihm werden soll, hat die Redaktion nie kalt gelassen.

Wir schreiben über das, was unsere Leser beschäftigt, also über Prags und weniger über Putin, über den Bär und weniger die Buckelwale, und freilich über die gute alte SVP. Das Leben mag sich global ausrichten, das Informationsbedürfnis orientiert sich aber immer noch stark daran, was im eigenen Land, in der eigenen Gemeinde passiert. Da liegt es auf der Hand, dass wir es regelmäßig mit unseren Lesern zu tun bekommen. Das kann unangenehm sein. Weil wir einen vergifteten Apfel auf der Titelseite zeigten, drohte die Apfelbranche mit Klage. Weil ein Kollege sich im Kommentar über den Hundekot auf Gehsteigen mokierte, wurde er wüst beschimpft. Weil ein anderer den offenen Brief einer Gruppe von Ärzten kritisierte, die von der Landespolitik einen Wechsel in Sachen Corona forderten, flatterten eine Reihe von Abo-Kündigungen ins Haus.

Wir müssen oft hart einstecken. Und das ist richtig so. Das zeigt, dass die Welt in Ordnung ist: Wir teilen aus, wir stecken ein. Es geht uns nicht darum, recht zu haben. Wir wollen offen sein für die Debatte, den Austausch und die Vielfalt an Meinungen. Wir stoßen Diskussionen an, manchmal bekommen wir dafür Rücken- und oft eben auch Gegenwind.

Auch in einer Provinz wie Südtirol ist Journalismus relevant. Er kontrolliert als vierte Gewalt die politische und wirtschaftliche Macht. Vor allem aber bereitet er viel Freude. Es gibt wundervolle Begegnungen, berührende Geschichten und viele neue Erkenntnisse. Es ist jede Woche eine Herausforderung, manchmal auch ein kleines Wunder, dass das Blatt donnerstags am Kiosk liegt beziehungsweise im Briefkasten steckt.

Als die ff vor 40 Jahren das erste Mal erschien, war sie auch ein Symbol dafür, dass eine neue Zeit begonnen hat. Das Blatt hat sich in diesen Jahren natürlich verändert. Die Redaktion ist kleiner, der Anzeigenmarkt hart umkämpft, die Besitzverhältnisse sind andere. Manche Leser, die die ff seit Langem lesen, messen sie daran, wie sie früher war. Andere haben den Eindruck, sie sei zu verhaftet in dem, wie es früher war. Beide haben recht. Die Welt, und damit auch die Welt des Zeitungmachens, hat sich sehr verändert. Sie ist lauter und unübersichtlicher geworden. Eigentlich ideal für einen Journalismus, der Erklärung, Einordnung und Erkenntnis bietet. Viele Leserinnen und Leser erwarten das von uns. Das ist uns Ansporn, diesen Weg weiterzugehen.

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  • Alexandra Aschbacher,

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