Leitartikel

Der Dialog der Rechthaber

Aus ff 41 vom Donnerstag, den 08. Oktober 2020

Zitat
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So wie Landesrat Arnold Schuler und die Pesitizid-Gegner um Karl Bär und Alexander ­Schiebel sich aneinander festbeißen, kann es kein Gespräch mehr geben. Dabei müsste man dringend darüber reden, welche Reformen die Landwirtschaft nötig hat.

Die Pestizid-Geschichte klebt an Landesrat Arnold Schuler wie ein Kaugummi an der Schuhsohle. Man muss sich schon Mühe geben, um einen Kaugummi von der Schuhsohle zu kratzen. Der Landesrat für Landwirtschaft hat es versucht, zuerst mit einem scharfen Putzmittel, einer Klage, und dann mit einem, na ja, sagen wir, einem biologischen, mit der Rücknahme der Klage.

Doch der Kaugummi klebt immer noch am Schuh. Was ist passiert?

Um zu verstehen, was da los ist, muss man ein Stück weit zurückgehen. Das Umweltinstitut München rollt 2017 eine Kampagne gegen die Südtiroler Obstwirtschaft aus. „Pestizid-Tirol“ strahlte es in der U-Bahn in München von den Plakatwänden. Der Filmemacher und Buchautor Alexander Schiebel erhebt in Buch und im Film „Das Wunder von Mals“ schwere Vorwürfe gegen Südtiroler Bauern wegen des Einsatzes von chemisch-synthetischen Pflanzenschutzes. Verbale Hemmungen haben weder Alexander Schiebel noch Karl Bär, Referent für Agrarpolitik beim Umweltinstitut.

Arnold Schuler, Landesrat für Landwirtschaft, tappt in die Bär-Falle und klagt. Blind folgen ihm, angestachelt von der Stahlhelm-Fraktion im Bauernbund, 1.400 Obstbauern. Die Klage hat Folgen: Die Debatte um den Einsatz von Pestiziden in der Südtiroler Landwirtschaft kocht immer wieder hoch. Auf der einen Seite gibt die IDM viel Geld für Werbung für Südtirol aus, auf der anderen Seite leidet der Ruf des Landes unter der Pestizid-Debatte – die deutschen Medien berichten bereitwillig. Das geht schon seit drei Jahren so.

Es hat einen noch tieferen Grund, dass Südtirol immer wieder im Fokus steht, wenn es um Chemie in der Landwirtschaft geht: Die Volksabstimmung über den Einsatz von Pestiziden in Mals im Jahr 2014. Die Bevölkerung stimmte mit großer Mehrheit gegen den Einsatz von chemisch-synthetischen Pflanzenschutzmitteln. Landesregierung und Bauernbund taten einiges (politisch und juridisch), um den Willen des Volkes zu hintertreiben.

Jetzt hat Schuler den Rückzug vom Rückzug verkündet. Das Verfahren vor dem Landesgericht geht weiter. Die Gegenseite, so Schuler, zeige keinerlei Reue, habe angekündigt, so weiterzumachen wie bisher. Schuler will das Maximum, er will die Pestizid-Kritiker zum Schweigen bringen. Das heißt, das Umweltinstitut soll de facto seine Arbeit einstellen.

So spielt Arnold Schuler Schiebel, Bär und deren Anwalt Nicola Canestrini in die Karten. Canestrini hat schon Monate vor Prozessbeginn gegenüber diesem Magazin angekündigt, aus dem Verfahren einen Schauprozess machen zu wollen. Und so ist es gekommen. Haben Schiebel und Bär ein Interesse, das Verfahren schnell zu beenden? Täten sie es, hätten sie keine Bühne mehr, auf der sie das Pestizid-Stück von der bösen Landwirtschaft spielen könnten. Aufmerksamkeit ist eine Ware, die viel wert ist.

Landesrat Arnold Schuler hat also schon wieder einen Fehler gemacht. Hätten er und die folgsamen 1.400 Bauern die Klage ohne Bedingungen zurückgezogen, wären sie jetzt die Gewinner. Das hätte die Möglichkeit geboten, eine Diskussion über eine nachhaltige Landwirtschaft zu eröffnen. Eine Diskussion, die etwas verändert und nicht die Fronten einfrieren lässt.

Aber das gilt nicht nur für Arnold Schuler. So wie Bär und Schiebel, und die Leute, die sich von ihnen zum Fundamentalismus haben verführen lassen, auftreten, gibt es kein Gespräch. Wenn alle nur recht haben wollen, ist ein Dialog schon zu Ende, noch bevor er begonnen hat.

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