Herbert Dorfmann ist seit 2009 Südtirols EU-Parlamentarier in Brüssel. Mehr denn je stellt sich die Frage: Setzt er sich dort für Land und Leute ein? Oder in erster Linie für die Agrarlobby?
Leitartikel
Die Devise lautet: dranbleiben
Aus ff 10 vom Donnerstag, den 11. März 2021
Der Tag der Frau ist vorüber – und alle gehen wieder zur Tagesordnung über. Damit ist jetzt bitte Schluss! Machen wir endlich jeden Tag zum Frauentag.
Am Montag war Tag der Frau. Der erste seit Beginn der Corona-Pandemie. Es war ein Jahr der Offenbarung: Es hat gnadenlos aufgezeigt, wer die Hauptlast dieser Pandemie trägt: die Frauen.
Während bei Vätern im Homeoffice mehr oder weniger alles beim Alten blieb, haben Frauen ihre Arbeitszeit reduziert oder gar aufgegeben. Es waren und sind die Frauen, die sich primär um Haushalt, Homeschooling und Pflegearbeit kümmern.
In aller Härte hat uns dieses Jahr klargemacht, dass Frauen nach wie vor viel zu wenig Einfluss auf Politik und Wirtschaft nehmen, dass sie häufiger Gewalt erleben. Wir mussten erkennen, dass die Fortschritte bei Gleichstellung geringer sind als gedacht.
Wie geht es den Frauen wirklich? Das ist eine Frage, die an jedem 8. März gestellt wird. Es ist keine banale Frage. Die Antwort darauf ist beunruhigend. Das können wir im Jahr der Pandemie feststellen. Deshalb war dieser 8. März bedeutender denn je. Er macht deutlich, dass der Frauentag häufig nur zu einem hohlen Ritual verkommen ist.
Seit 100 Jahren gehen Frauen an diesem 8. März auf die Straßen und fordern ihre Rechte ein, setzen sich für eine gleichberechtigte, gewaltfreie Welt ein, in der alle selbstbestimmt und frei leben und arbeiten können.
Wir dürfen deshalb am 9. März nicht alle wieder zur Tagesordnung übergehen. Nach den Erfahrungen und Erkenntnissen dieses Corona-Jahres erst recht nicht mehr.
Wenn man sich anschaut, wer sich an diesem 8. März alles mit großen Worten und schönen Sätzen und Gedanken zu Wort gemeldet hat, hätte man durchaus den Eindruck bekommen können, Südtirol sei ein besonders frauenfreundliches Land. Ja, ein Land, in dem sich jeder und jede über die Ungerechtigkeiten an und die Ungleichbehandlungen von Frauen bewusst sei. An den realen Problemen aber hat sich zwischen den einzelnen Frauentagen der vergangenen Jahre auch bei uns hier kaum etwas verändert.
Bereits vor der Pandemie haben 2019 in Südtirol 847 Mütter gekündigt – wegen Unvereinbarkeit von Familie und Beruf. 79 Prozent der Frauen in Trentino-Südtirol müssen mit einer Altersrente von unter 1.000 Euro auskommen, bei den Männern sind es 34 Prozent. 125 Femizide in Italien seit Anfang 2020, drei davon in Südtirol.
All das lässt einen wütend werden. Und deshalb muss in diesem Jahr einmal mehr laut gesagt werden: Frauen, unterdrückt euren Frust und eure Wut nicht länger. Bringt den Mut auf, laut und unbequem zu sein – im Kleinen wie im Großen. Diese Wut erzeugt Energie, die positiv genutzt werden kann. Um an jedem Tag des Jahres für die eigenen Rechte einzustehen.
Wer noch immer glaubt, alle Ungleichheiten seien schon aufgehoben und alle Probleme gelöst, der hat nicht verstanden, dass keine Blume der Welt die Frauen vor Altersarmut, Gewalt oder Benachteiligung schützt.
Gleichstellung ist ein Marathon. Jeder Schritt ist ein Gewinn. Das Motto lautet deshalb: dranbleiben. Heute, morgen, übermorgen.
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