Leitartikel

Jugendliche ohne Jugend

Aus ff 12 vom Donnerstag, den 25. März 2021

Leitartikel 12/21
© FF Media
 

Der Jugend gehört die Zukunft, so heißt es zumindest. Es wäre schön, wenn der Jugend auch ein Stück Gegenwart gehören würde.

Seit über einem Jahr lebt Südtirol im Bann der Corona-Pandemie. Deren Ende ist zwar noch nicht erreicht, aber absehbar.

Seit über einem Jahr fühlt es sich so an, als sitze man im Warteraum des Lebens, ohne zu wissen, wann und wie es für einen selbst nun weitergeht. Die Zeit vergeht langsam. Und für Kinder und Jugendliche vergeht sie noch sehr viel langsamer als für uns Erwachsene. Weil alles fehlt, was ein bisschen Abwechslung und Aufregung ins Dasein bringt: Partys, Sport, Klassenfahrten, Chillen mit Freunden, kurz: das Leben.

Seit über einem Jahr sind die Jugendlichen vor allem eines: Helden der Anpassung.

Es ist ein Privileg der Jugend, den Erwachsenen auf die Nerven zu gehen. In diesen Monaten der Pandemie ist aber etwas Sonderbares passiert: Es ist still geworden um die Jugendlichen. Die pubertäre Rebellion fällt aus. Statt Krawall zu machen, weil sie kaum im Focus der Corona--Politik stehen, machen sie Hausaufgaben, ohne dabei viel lernen zu können. Die große Mehrheit hält sich vorbildlich an die verordneten Maßnahmen, ist solidarisch und rücksichtsvoll.

Diese junge Generation ist so vernünftig wie wohl keine vor ihr. Das gibt Grund zur Sorge. Stille und Vernunft passen so gar nicht zur Lebensphase von Pubertät und Party.

Wir alle müssten eigentlich Danke sagen: Danke, dass ihr ausharrt. Dass ihr das alles Woche für Woche mittragt und ertragt.

Dabei geht es den jungen Menschen nicht gut, so viel ist ersichtlich. Sie sind frustriert, genervt und verzweifelt. Sie sitzen zu Hause, aber sie fühlen sich in ihrem eigenen Zimmer nicht mehr wohl, obwohl es früher immer ihr Zufluchtsort war. Mit der Umstellung der Schulen auf Fernunterricht wird nicht nur ihr Recht auf Bildung und Ausbildung beschnitten, sondern auch der wichtigste soziale Treffpunkt geschlossen.

Es ist höchste Zeit, den Jugendlichen endlich die Aufmerksamkeit und Achtung zu schenken, die sie verdienen. Das ist zum Wohl der ganzen Gesellschaft.

Es ist an der Zeit, ihnen Hoffnung und eine Perspektive zu geben. Die Schulen für alle zu öffnen, wäre ein erster wichtiger und längst überfälliger Schritt. – Warum bitte, hat man das famose Projekt „Nasenflügelbohrtest“ nicht schon längst auf die Mittel- und vor allem Oberschulen ausgeweitet? –

Es reicht aber nicht, allein die Schulen zu öffnen. Die Schule allein kann und soll es nicht richten. Die verlorene Zeit wird man freilich nicht aufholen können – aber doch zumindest kompensieren. Sportvereine, Musikschulen, Freizeiteinrichtungen, Gemeinden, Museen – hier sind alle gefordert, kreativ zu sein und die jungen Menschen bei einem Neustart zu unterstützen. Soll dieser irgendwann, wirklich gelingen, brauchen die Jugendlichen wieder Vertrauen: zur Schule, zu Freunden, zur Politik – in die Zukunft.

Der Jugend gehört die Zukunft. Es wäre schön, wenn ihr in außergewöhnlichen Zeiten wie diesen auch ein Stück Gegenwart gehören würde.

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